BAG Urteil v. - 10 AZR 258/12

Sonntagszuschlag - Tarifauslegung

Gesetze: § 1 TVG

Instanzenzug: Az: 3 Ca 455 d/11 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Az: 6 Sa 403/11 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Zahlung von Sonntagszuschlägen.

2Der Kläger arbeitet für die Beklagte, die Deckelverschlüsse und Dosen produziert, als Druckerhelfer im Schichtdienst. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern vom (nachfolgend: MTV) Anwendung. Dieser regelt Sonn- und Feiertagsarbeit wie folgt:

3Nach § 3 Ziff. 6 Abs. 1 MTV sind Umkleide- und Waschzeiten sowie Pausen keine Arbeitszeit, soweit keine innerbetriebliche abweichende Regelung getroffen ist.

4Bei der Beklagten gilt nach der Betriebsvereinbarung „Arbeitszeit ab “ folgendes Schichtsystem:

5Die Druckerei arbeitet in der 1. - 3. Gruppe. Der Kläger gehörte an den Tagen, für die er Zuschläge begehrt, zur 3. Gruppe und war der „Nachtschicht Sonntag von 00:00 Uhr bis 06:00 Uhr“ zugewiesen, die unstreitig montags 00:00 Uhr beginnt. Bis einschließlich August 2010 vergütete die Beklagte die in dieser Schicht geleistete Arbeit mit dem tariflichen Sonntagszuschlag von 50 %, seit September 2010 zahlt sie nur noch einen Nachtschichtzuschlag von 15 %.

6Der Kläger begehrt die Zahlung des Sonntagszuschlags für die Arbeit an Montagen von 00:00 Uhr bis 03:00 Uhr in fünf Schichten von Oktober 2010 bis Januar 2011. Gemäß Zeiterfassungssystem stempelte er jeweils am Sonntag 11 bis 16 Minuten vor Mitternacht ein. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach § 6 Ziff. 3 Abs. 1 MTV gelte die Arbeit am Montag von 00:00 Uhr bis 03:00 Uhr als Sonntagsarbeit, weil die erste Sonntagsschicht bei der Beklagten sonntags um 03:00 Uhr beginne. Zudem habe er die Arbeit vor Mitternacht aufnehmen müssen, um die Maschine hochzufahren und vorbereitende Handlungen vornehmen zu können.

7Der Kläger hat zuletzt beantragt,

8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, eine am Montag beginnende Schicht könne keinen Anspruch auf einen Sonntagszuschlag auslösen.

9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr in dem in der Revision noch anhängigen Umfang stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Gründe

10I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 7 Ziff. 2.2 Buchst. a MTV auf Zahlung eines Sonntagszuschlags für montags von 00:00 Uhr bis 03:00 Uhr erbrachte Arbeitsleistungen. Ein Sonntagszuschlag wird nur geschuldet, wenn die Schicht sonntags beginnt. Dies ergibt die Auslegung von § 6 Ziff. 3 und § 7 Ziff. 2.2 MTV.

111. Der Wortlaut der Tarifbestimmungen ist nicht eindeutig. § 6 Ziff. 3 MTV regelt „Sonntags- und Feiertagsarbeit“; dies spricht dafür, dass die Schicht zumindest einen Bezug zum Sonntag haben und Arbeitsleistungen „auch“ am Sonntag erbracht werden müssen. Für dieses Tarifverständnis spricht auch, dass nach § 7 Ziff. 2.2 Buchst. a MTV der „Sonntagszuschlag“ für „Arbeit an Sonntagen“ 50 % beträgt. Nach dem Wortlaut von § 6 Ziff. 3 MTV ist aber auch vertretbar, dass Sonntagsarbeit „immer“ 24 Stunden nach Beginn der ersten Schicht am Sonntag endet und damit auch Arbeitsleistungen am Montag ohne Bezug zum Sonntag als Sonntagsarbeit vergütungspflichtig sein können.

122. Der tarifliche Gesamtzusammenhang verdeutlicht, dass § 6 Ziff. 3 MTV lediglich die mögliche Zeitspanne von Sonntagsarbeit definieren, nicht aber auf das Erfordernis von Arbeit am Sonntag verzichten will. § 6 Ziff. 3 Abs. 2 MTV eröffnet die Möglichkeit, die Zeitspanne des Sonntagszuschlags dem jeweiligen Schichtsystem anzupassen, indem der Beginn der Zeitspanne auf den Beginn der Nachtschicht am Samstag verlegt wird, sodass in der Nachtschicht von Samstag auf Sonntag durchgängig und in der Nachtschicht von Sonntag auf Montag keine Sonntagszuschläge gezahlt werden. Die geteilte Zahlung des Zuschlags bei Schichten von Samstag auf Sonntag oder von Sonntag auf Montag wird so vermieden. Dies zeigt, dass nur die Zeitspanne für Sonntagsarbeit geregelt, nicht aber das Erfordernis „echter“ Sonntagsarbeit aufgehoben werden soll. Bei einem - in der betrieblichen Praxis nicht seltenen - Schichtsystem mit Sonntagsruhe und Beginn der Schichtwoche mit der Nachtschicht am Sonntag um 22:00 Uhr wäre anderenfalls die gesamte Arbeitszeit am Montag bis 22:00 Uhr einschließlich der Früh- und Spätschicht mit dem Sonntagszuschlag zu vergüten. Dies ist fernliegend und ersichtlich nicht gewollt.

133. Sinn und Zweck eines Zuschlags für Arbeiten am Sonntag bestätigen dieses Auslegungsergebnis. Sonntagsarbeit wird in § 7 Ziff. 2.2 MTV generell mit einem relativ hohen Zuschlag versehen, weil diesem Tag nach gesellschaftlichem und religiösem Verständnis eine besondere Bedeutung zukommt. Der Sonntag soll der Regeneration, der Familie und der Vornahme von religiösen Handlungen vorbehalten bleiben. Arbeit am Sonntag beeinträchtigt die Erfüllung dieser Zwecke, dafür soll der erhöhte Sonntagszuschlag einen Ausgleich schaffen. Die Zahlung des Sonntagszuschlags setzt eine tatsächliche Beeinträchtigung durch Arbeitsleistungen am Sonntag voraus; diese fehlt, wenn Arbeitsleistungen ausschließlich am Montag erbracht werden.

144. Die streitbefangenen Schichten haben am Montag um 00:00 Uhr begonnen und konnten den Sonntagszuschlag nicht auslösen. Unerheblich ist, dass der Kläger sonntags ca. zehn Minuten vor Schichtbeginn eingestempelt hat. Die Beklagte hat dem Kläger ab Montag 00:00 Uhr Arbeit zugewiesen, erst zu diesem Zeitpunkt musste er die vertraglich geschuldeten Leistungen erbringen. Umkleidezeiten sind keine Arbeitszeit (§ 3 Ziff. 6 MTV).

15II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
DB 2014 S. 898 Nr. 16
YAAAE-51202