Wechselschicht- und Schichtzulage für Teilzeitbeschäftigte
Gesetze: § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 307 Abs 3 S 2 BGB, § 307 Abs 3 S 1 BGB, § 4 Abs 1 S 1 TzBfG, § 4 Abs 1 S 2 TzBfG, § 20 Abs 5 S 1 DWArbVtrRL BE/BB, § 20 Abs 5 S 2 DWArbVtrRL BE/BB
Instanzenzug: Az: 41 Ca 537/11 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 8 Sa 1136/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe der Wechselschicht- und Schichtzulage für Teilzeitbeschäftigte.
2Die Klägerin ist seit 1990 bei der Beklagten als Krankenschwester beschäftigt, zuletzt in Teilzeit mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters (19,25 Stunden pro Woche). Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V. (AVR DWBO) in der jeweiligen Fassung Anwendung.
3Durch Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V. vom ist § 20 AVR DWBO (Wechselschicht- und Schichtzulage) geändert und Abs. 5 hinzugefügt worden. In der ab geltenden Fassung lautet die Regelung wie folgt:
4Im streitgegenständlichen Zeitraum (Juli 2010 bis Januar 2011) gewährte die Beklagte Zulagen nach § 20 Abs. 1 bis 3 AVR DWBO - anders als vor dem - nur anteilig nach dem Verhältnis der Arbeitszeit der Klägerin, auch wenn diese im Bemessungszeitraum 40 Arbeitsstunden oder mehr in der Nachtschicht leistete.
5Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Reduzierung der Wechselschichtzulage für Teilzeitbeschäftigte stelle eine unzulässige Diskriminierung dar und verstoße gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Sie werde als Teilzeitbeschäftigte nur wegen der Teilzeitarbeit benachteiligt, auch wenn sie dieselbe Anzahl von Nachtarbeitsstunden wie ein Vollzeitbeschäftigter leiste. Hinsichtlich der Nachtdienste sei sie den gleichen Belastungen wie Vollzeitbeschäftigte ausgesetzt. Da die AVR-Regelung an die Überschreitung eines definierten Schwellenwertes anknüpfe, sei es unerheblich, in welchem Rhythmus die einzelnen Schichten aufeinander folgten.
6Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Arbeitsrechtliche Kommission habe die Zulagen für die vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts differenziert festgelegt. Zusätzliche Ruhezeiten oder längere Ruhepausen seien zum Anlass für den Fortfall bzw. die Verringerung der Zulage genommen worden. Für Teilzeitkräfte seien andere Grenzwerte und eine andere Höhe der Zulage geregelt worden. Damit sei die Regelung nach dem Maßstab des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG gestaltet worden.
8Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Gründe
9Die zulässige Revision ist unbegründet. Die teilzeitbeschäftigte Klägerin hat auch dann keinen Anspruch auf die volle Wechselschicht- und Schichtzulage, wenn sie im Bemessungszeitraum mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leistet. Die jeweilige Zulage steht der Klägerin vielmehr gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 AVR DWBO nur anteilig zu. Diese Regelung verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG und hält einer Kontrolle am Maßstab des § 307 BGB stand.
10I. Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrags jedenfalls als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Mit der Entscheidung über die Leistungsklage ist der festzustellende Anspruch nur für den der Leistungsklage zugrunde liegenden Zeitraum, nicht aber für die Folgemonate erschöpfend geklärt ( - Rn. 17).
11Der Feststellungsantrag ist so, wie ihn das Arbeitsgericht verstanden und ausgeurteilt und die Klägerin sich schon in der Berufungsinstanz zu eigen gemacht hat, hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit ihm will die Klägerin festgestellt wissen, dass sie einen ungekürzten Anspruch auf die Zulagen nach § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b AVR DWBO hat, wenn sie mindestens 40 Nachtarbeitsstunden im Bemessungszeitraum erbringt.
12II. Die Klage ist unbegründet.
131. § 20 AVR DWBO in der ab geltenden Fassung bestimmt in Abs. 5 Satz 1 ausdrücklich, dass nicht vollzeitbeschäftigte Mitarbeiter nur einen Anspruch auf Wechselschicht- und Schichtzulagen in Höhe des Anteils ihrer Arbeitszeit im Verhältnis zu vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern haben. Gleichzeitig senkt § 20 Abs. 5 Satz 2 AVR DWBO den Schwellenwert der erforderlichen Nachtarbeitsstunden nach Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ebenfalls quotal nach dem Anteil der Arbeitszeit. Diesen Anspruch hat die Beklagte - was zwischen den Parteien nicht im Streit steht - erfüllt.
142. Die Gewährung eines lediglich anteiligen Anspruchs für Teilzeitbeschäftigte verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.
15a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Demgemäß ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten entspricht (sog. Pro-rata-temporis-Grundsatz). Eine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an welches die unterschiedliche Behandlung bei den Arbeitsbedingungen anknüpft. Vollzeit- und Teilzeitkräfte werden daher ungleich vergütet, wenn für jeweils die gleiche Stundenanzahl nicht die gleiche Gesamtvergütung gezahlt wird ( - Rn. 21 f.; - 6 AZR 305/09 - Rn. 18, BAGE 136, 62; - 10 AZR 634/07 - Rn. 21, BAGE 128, 21).
16b) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt kein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG vor. Vielmehr gewährt § 20 Abs. 5 AVR DWBO einen ratierlichen Anspruch auf Wechselschicht- und Schichtzulage nach der jeweiligen Arbeitszeit. Die Regelung entspricht dabei in doppelter Hinsicht der gesetzlichen Vorgabe. Zum einen berücksichtigt sie bei dem Schwellenwert für die Entstehung des Zulagenanspruchs, dass Teilzeitbeschäftigte aufgrund ihrer verringerten Arbeitszeit in der Regel auch eine verringerte Anzahl von Nachtarbeitsstunden erbringen bzw. erbringen können. Deshalb ist der Schwellenwert durch § 20 Abs. 5 Satz 2 AVR DWBO entsprechend dem Anteil der Arbeitszeit herabgesetzt (vgl. zu diesem Erfordernis für teilzeitbeschäftigte Beamte: 2 C 12.08 -).
17Zum anderen macht Abs. 5 Satz 1 deutlich, dass § 20 AVR DWBO den Teilzeitbeschäftigten einen anteiligen Anspruch auf die Zulagen entsprechend dem Anteil ihrer Arbeitszeit gewähren will. Zu den tariflichen Wechselschicht- und Schichtzulagen für Teilzeitbeschäftigte im Anwendungsbereich des TVöD hat der Senat in der Entscheidung vom (BAG - 10 AZR 634/07 - Rn. 19, BAGE 128, 21) insofern ausgeführt: Tarifliche Wechselschicht- und Schichtzulagen sollen dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich dafür gewähren, dass die Wechselschicht- und die Schichtarbeit erheblich auf seinen Lebensrhythmus einwirken und ihr Beginn und Ende außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegen. Dieses Ziel eines Ausgleichs hatten auch die Tarifvertragsparteien des TVöD vor Augen. Sie haben die Höhe der Wechselschicht- und der Schichtzulage in § 8 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 TVöD unter der Überschrift „Ausgleich für Sonderformen der Arbeit“ geregelt. Der Zweck, mit Wechselschicht- und Schichtarbeit verbundene Belastungen und Erschwernisse auszugleichen, steht einer Gleichbehandlung teilzeit- und vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer bei der Zahlung der Wechselschicht- und der Schichtzulage nach dem Pro-rata-temporis-Grundsatz nicht entgegen. Die Einschätzung der Tarifvertragsparteien, dass die sich aus Wechselschicht- und Schichtarbeit ergebenden Erschwernisse einen Teilzeitbeschäftigten im Vergleich zu einem Vollzeitbeschäftigten proportional geringer belasten, überschreitet nicht die Grenzen ihrer autonomen Regelungsmacht. Dass die Tarifvertragsparteien die Höhe der monatlichen Zulagen an die sich aus der Wechselschicht- und Schichtarbeit jeweils ergebende Belastung binden wollten und die Wechselschicht- und die Schichtzulage nach ihrem Willen einem Beschäftigten nicht unabhängig vom Umfang der von ihm geleisteten Wechselschicht- und Schichtarbeit in voller Höhe zustehen sollten, wird auch aus den Regelungen in § 8 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 Satz 2 TVöD deutlich.
18Diese Überlegungen, die in der Literatur auf Zustimmung gestoßen sind (vgl. zB Arnold/Gräfl/Rambach TzBfG 3. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 28; ErfK/Preis 13. Aufl. § 4 TzBfG Rn. 45; Laux/Schlachter/Laux TzBfG 2. Aufl. § 4 Rn. 171, 175; Sievers TK-TzBfG 4. Aufl. § 4 Rn. 35), gelten auch im Hinblick auf § 20 AVR DWBO in der ab gültigen Fassung. Auch insoweit hat die Arbeitsrechtliche Kommission nunmehr den Pro-rata-temporis-Grundsatz zur Anwendung gebracht und ist ersichtlich davon ausgegangen, dass wegen der von Teilzeitbeschäftigten zu erbringenden geringeren Anzahl an Arbeitsstunden die Belastung durch Wechselschicht- und Schichtarbeit im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten geringer ist. Zwar verlangt § 20 AVR DWBO - anders als der TVöD - die Ableistung einer gewissen Anzahl von Nachtarbeitsstunden; diese ist aber für Teilzeitbeschäftigte ebenfalls nach dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit herabgesetzt. Dies zeigt, dass § 20 AVR DWBO nicht (mehr) schwerpunktmäßig die Belastungen durch Nachtarbeit ausgleichen will, sondern an die grundsätzlichen Belastungen durch Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit anknüpft. Damit unterscheidet sich die Regelung deutlich von § 33a BAT und dem diesem nachgebildeten § 20 AVR DWBO aF. Dort wurde gerade nicht danach unterschieden, welche Arbeitszeit der einzelne Arbeitnehmer insgesamt zu erbringen hat, sondern bestand auch für Teilzeitbeschäftigte erst ab der Leistung von 40 Nachtarbeitsstunden überhaupt die Möglichkeit, in den Genuss der Zulagen zu kommen. Deshalb hat der Senat zu dieser Tarifregelung die Auffassung vertreten, dass sie an eine Belastung anknüpfte, der Teilzeitbeschäftigte in gleicher Weise wie Vollzeitbeschäftigte ausgesetzt waren ( - zu 4 b der Gründe, BAGE 73, 307). Dies ist bei der vorliegenden Regelung nicht der Fall.
193. § 20 Abs. 5 AVR DWBO hält auch einer Kontrolle am Maßstab des § 305 ff. BGB stand.
20a) Bei kirchlich-diakonischen Arbeitsvertragsregelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. § 305 ff. BGB (vgl. zB - BAGE 135, 163).
21b) § 20 Abs. 5 Satz 1 AVR DWBO benachteiligt die Klägerin nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 3 Satz 1 BGB. Eine Abweichung von Rechtsvorschriften liegt nicht vor. Vielmehr entspricht § 20 Abs. 5 Satz 1 AVR DWBO der Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG.
22c) Ebenso wenig verstößt die Regelung gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 iVm. Abs. 3 Satz 2 BGB. § 20 Abs. 5 AVR DWBO ist nicht intransparent, sondern legt deutlich fest, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Teilzeitbeschäftigte einen Anspruch auf eine Wechselschicht- oder Schichtzulage haben.
23III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 2932 Nr. 48
EAAAE-48852