BGH Beschluss v. - 3 StR 135/13

Strafverfahren: Begründung der Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit

Gesetze: § 244 Abs 3 S 2 StPO

Instanzenzug: LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 1 KLs 25/12nachgehend Az: 3 StR 135/13 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S.   wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten Sch.   hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wenden sich die Revisionen der Beschwerdeführer. Der Angeklagte S.   erhebt mehrere Verfahrensbeanstandungen und rügt die Verletzung materiellen Rechts; der Angeklagte Sch.   erhebt die allgemeine Sachrüge.

I.

2Die Revision des Angeklagten S.   hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Dieser liegt zugrunde:

3Die Strafkammer hat festgestellt, dass der Angeklagte als Mittäter zusammen mit dem Mitangeklagten J.   in Österreich mindestens 1,5 kg Heroin erworben und diese durch einen Kurier nach Deutschland habe bringen lassen, wo sie gewinnbringend verkauft werden sollten. Von dem Umstand, dass sich in dem "kofferartigen Behältnis", das die Angeklagten in Österreich übernommen und an den Kurier übergeben hätten, Heroin befunden habe, hat sich das Landgericht - da trotz polizeilicher Überwachung die observierenden Beamten die Betäubungsmittel nicht gesehen hätten - insbesondere dadurch überzeugt, dass der Mitangeklagte J.   zeitnah zu dieser Fahrt nach Österreich nur sechs Tage später dem gesondert Verfolgten M.   ca. 500 Gramm Heroin zum Verkauf an Drittabnehmer und zum teilweisen Eigenkonsum überbracht habe. Der Mitangeklagte J.   hat dazu erklärt, das Heroin habe zwar ihm gehört, aber nicht aus Österreich gestammt.

4Vor diesem Hintergrund beanstandet der Angeklagte S.   zu Recht, das Landgericht habe einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO).

51. Der Angeklagte S.   hat in der Hauptverhandlung unter anderem beantragt, Telefonate, aufgezeichnete Innenraumgespräche aus dem vom Mitangeklagten J.   genutzten PKW sowie GPS-Aufzeichnungen für diesen PKW in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der Tatsache, dass der Mitangeklagte J.   schon vor der Fahrt nach Österreich ein Treffen mit einem Betäubungsmittellieferanten in Rotterdam vereinbart hatte, er nach der Wiedereinreise aus Österreich von Augsburg aus direkt nach Rotterdam gefahren sei, dass er selbst, der Angeklagte S.   , sich bei dieser Fahrt nicht in dem Auto befunden habe, und dass der Mitangeklagte J.   von Rotterdam aus direkt zu der Adresse in Emstek gefahren sei, die auch der Kurier aus Österreich angesteuert habe. Erklärtes Beweisziel dieses Antrages war es, eine gleichwertige Alternative zu der von der Strafkammer angenommenen Indizienkette dergestalt aufzuzeigen, dass der Mitangeklagte J.   das Heroin auch in Rotterdam - und damit ohne Beteiligung des Angeklagten S.   - erworben und von dort in die Bundesrepublik eingeführt haben könnte.

6Das Landgericht hat diesen Beweisantrag mit folgender Begründung als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos zurückgewiesen: "Ob J.   auch andere Möglichkeiten hatte, sich Heroin zu beschaffen, ist kein zwingender Schluss dafür, dass das sichergestellte Heroin nicht auch aus der 'Österreich-Fahrt' stammen kann."

72. Diese Begründung trägt die Zurückweisung des Beweisantrags nicht.

8Zwar ist es dem Tatgericht grundsätzlich nicht verwehrt, Indiz- oder Hilfstatsachen als für die Entscheidung bedeutungslos zu betrachten, wenn es aus diesen eine mögliche Schlussfolgerung, die der Antragsteller erstrebt, nicht ziehen will. Hierzu hat es die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung - gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelssatzes - in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220).

9Der Beschluss, mit dem das Tatgericht die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache ablehnt, hat zum einen den Antragsteller sowie die weiteren Prozessbeteiligten so weit über die Auffassung des Gerichts zu unterrichten, dass diese sich auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls noch in der Hauptverhandlung das Gericht von der Erheblichkeit der Beweistatsache überzeugen oder aber neue Anträge mit demselben Beweisziel stellen können; zum anderen muss er dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob der Beweisantrag rechtsfehlerfrei zurückgewiesen worden ist und ob die Feststellungen und Erwägungen des Ablehnungsbeschlusses mit denjenigen des Urteils übereinstimmen. Deshalb ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2000, 267, 268; vom - 3 StR 497/10, NStZ 2011, 713, 714). Nach diesen Maßstäben erweist es sich in aller Regel als rechtsfehlerhaft, wenn die Ablehnung wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit allein auf die inhaltsleere Aussage gestützt wird, die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache lasse keinen zwingenden sondern lediglich einen möglichen Schluss zu, den das Gericht nicht ziehen wolle (vgl. , NStZ-RR 2007, 84, 85; LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 225).

10So verhält es sich hier. Die Strafkammer hat keine konkreten Erwägungen mitgeteilt, aufgrund derer sie das von ihr bisher gefundene Beweisergebnis - das Heroin stammte aus Österreich - durch die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht als erschüttert angesehen hat. In der pauschalen Begründung, weitere Beschaffungsmöglichkeiten des Mitangeklagten J.   ließen keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass das Heroin nicht doch - und damit unter Beteiligung des Angeklagten S.   - in Österreich erworben worden sei, liegt - wie dargelegt - ein Rechtsfehler, der vorliegend umso schwerer wiegt, weil der Angeklagte erklärtermaßen mit seinem Beweisantrag nur Tatsachen aufzeigen wollte, die einen nach seinem Vortrag gleichwertigen möglichen Schluss auf ein anderes, für ihn günstigeres Geschehen - der Mitangeklagte habe die Betäubungsmittel allein in den Niederlanden erworben - erlauben sollten. Das Landgericht hätte deshalb - gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro reo" - konkret darlegen müssen, warum die aufgezeigte andere Beschaffungsmöglichkeit seine ebenfalls nur auf Indizien beruhende Schlussfolgerung, das Heroin stamme aus Österreich, nicht in entscheidungserheblicher Weise entkräften konnte. Dies gilt hier insbesondere, weil der in der Beweiswürdigung als bedeutsam herangezogene enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Beschaffung und Einfuhr einerseits und der Sicherstellung der Betäubungsmittel andererseits in beiden Sachverhaltsalternativen gleicher-maßen bestand.

113. Das Urteil beruht auf dem dargelegten Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Weder vermag der Senat zu prüfen, ob das Landgericht im Rahmen seiner ihm obliegenden antizipierenden Würdigung den unter Beweis gestellten Behauptungen rechtsfehlerfrei keine Bedeutung zugemessen hat, noch kann ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller sein Prozessverhalten auf eine den Anforderungen entsprechende Begründung des Ablehnungsbeschlusses in einer für den Schuldspruch erheblichen Weise hätte einrichten können.

II.

12Die Revision des Angeklagten Sch.   hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

131. Im Fall II.1 der Urteilsgründe hält die tateinheitlich ausgesprochene Verurteilung wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

14Das Landgericht hat insoweit festgestellt, der Angeklagte Sch.   sei im April 2011 zusammen mit dem Mitangeklagten J.   nach Rotterdam gefahren, wo dieser von seinem Lieferanten für 26.000 € ein Kilogramm Kokain erworben habe. Diese Betäubungsmittel hätten sie selbst oder - "was wahrscheinlicher sein dürfte" - unter Einschaltung eines unbekannt gebliebenen Kuriers am frühen Morgen des Folgetages in die Bundesrepublik eingeführt. Der Angeklagte Sch.   habe dem Mitangeklagten J.   durch seine Anwesenheit Sicherheit bei dem Geldtransport vermittelt und ihm geholfen, den Eindruck einer unverdächtigen Urlaubsreise zu erwecken.

15Diese Feststellungen tragen zwar die Verurteilung wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nicht aber die wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Voraussetzung der Strafbarkeit wegen Beihilfe zu einer Straftat ist, dass der Gehilfe durch eine Handlung die Verwirklichung des Tatbestandes durch den Haupttäter objektiv fördert (SSW-StGB/Murmann, 1. Aufl., § 27 Rn. 3). Dies wird indes durch die Feststellungen nicht belegt. Da die Strafkammer sich nicht davon hat überzeugen können, dass der Angeklagte Sch.   zusammen mit dem Mitangeklagten J.   das in Rotterdam übernommene Kokain selbst in die Bundesrepublik Deutschland einführte - anders ist die Wendung, dass die Einfuhr durch einen unbekannt gebliebenen Kurier wahrscheinlicher sei, nicht zu verstehen - hätte es konkreter Feststellungen dazu bedurft, dass und gegebenenfalls durch welche Handlung der Angeklagte Sch.   die mittels eines Kuriers vollzogene Einfuhrtat des Mitangeklagten J.   gefördert haben könnte. Daran fehlt es.

162. Der Senat schließt angesichts des in dem angefochtenen Urteil mitgeteilten Beweisergebnisses aus, dass in einem neuen Rechtsgang insoweit weitere, den Angeklagten Sch.   belastende Feststellungen getroffen werden könnten, und ändert den Schuldspruch entsprechend. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs nötigt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafe, weil diese aus dem nach § 27, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG bemessen worden ist. Die Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.1 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die hierzu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben; das neue Tatgericht kann insoweit weitere, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen treffen.

Fundstelle(n):
NJW 2014 S. 713 Nr. 10
AAAAE-47825