BAG Urteil v. - 5 AZR 410/12

Vergütung und Freizeitausgleich für Feiertagsarbeit

Gesetze: § 611 Abs 1 BGB, § 1 TVG, § 49 Abs 2 TVöD BT-K

Instanzenzug: Az: 29 Ca 53/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 2 Sa 33/11 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Feiertagsentgelt und die Ausweisung von Freizeitausgleich im Dienstplan.

2Die Beklagte betreibt ein Klinikum. Die Klägerin ist dort als Teilzeitkraft im Pflegedienst angestellt. Im Jahre 2009 bezog die Klägerin umgerechnet eine Vergütung je Arbeitsstunde iHv. 14,50 Euro brutto.

3Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den Krankenhausarbeitgeberverband Hamburg e. V. vom (im Folgenden: TV-KAH) Anwendung.

4In diesem Tarifvertrag ist ua. geregelt:

5Die Klägerin wurde nach einem Dienstplan an allen Wochentagen ganzschichtig in Wechselschicht eingesetzt. In den Monaten April bis Juni 2009 arbeitete sie durchschnittlich 19,25 Stunden wöchentlich. So arbeitete sie am Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai und Pfingstmontag jeweils 7,5 Stunden. Hierfür wurde in den Dienstplänen kein Freizeitausgleich ausgewiesen. Die Beklagte vergütete einen Zuschlag iHv. 35 %.

6Mit ihrer Klage fordert die Klägerin weitere Vergütung für die 30 an den vier Feiertagen geleisteten Arbeitsstunden zu 14,50 Euro brutto und Änderung der Dienstplangestaltung, weil die Beklagte ihr keinen Freizeitausgleich gewährt habe.

7Die Klägerin hat beantragt,

8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Freizeitausgleich sei gewährt worden, indem die monatliche Sollarbeitszeit der Klägerin um 3,85 Stunden (= 1/5 der Arbeitszeit der Klägerin) für jeden gesetzlichen Feiertag, an dem die Klägerin gearbeitet habe, gekürzt worden sei.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

10Die Revision der Beklagten ist zum Teil begründet. Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts ist nur in Höhe eines Betrags von 211,70 Euro brutto nebst Prozesszinsen aufrechtzuerhalten. Im Übrigen ist die Klage unter teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils und teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils als unbegründet abzuweisen.

11I. Die Klägerin hat nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d TV-KAH Anspruch auf weitere Vergütung für die am Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai und Pfingstmontag 2009 geleistete Feiertagsarbeit von 14,6 Stunden (= 3,65 Stunden x 4) zu 14,50 Euro brutto. Denn in diesem Umfang wurde ihr kein Freizeitausgleich gewährt. Nach der Tarifregelung steht ihr deshalb noch ein Zuschlag iHv. 100 % des Stundenentgelts zu. Bislang leistete die Beklagte lediglich einen Zuschlag iHv. 35 %.

121. Der Klägerin ist durch die Minderung der Soll-Arbeitszeit um 3,85 Stunden für jeden dieser vier gesetzlichen Feiertage Freizeitausgleich für insgesamt 15,4 Stunden gewährt worden. Die Kürzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit um ein Fünftel pro Feiertag (also 4 x 3,85 Stunden) gemäß § 6.1 Abs. 2 TV-KAH in den Kalendermonaten April bis Juni 2009 hat der Klägerin den Vorteil vergüteter Freizeit im Umfange von 15,4 Stunden eingetragen.

132. Soweit das Landesarbeitsgericht diese Kürzung der Soll-Arbeitszeit als streitiges Vorbringen der Beklagten gewürdigt hat, ist dies rechtsfehlerhaft, denn das Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen war unzulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO). Die Soll- und Ist-Daten der Dienstpläne waren Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Klägerin. Zudem hätte das Landesarbeitsgericht den Inhalt der von der Beklagten vorgetragenen Dienstpläne selbst auswerten können. Aus diesen schriftsätzlich erläuterten Dienstplänen ergibt sich die Kürzung der Soll-Arbeitszeit für die Arbeit an den vier gesetzlichen Feiertagen um jeweils 3,85 Stunden je Feiertag. So wurde für April 2009 anstelle der regulären Soll-Arbeitszeit von 84,7 Stunden eine Arbeitszeit von 77 Stunden vorgegeben. Für Mai 2009 lauteten diese Werte 80,85 bzw. 73,15 Stunden. Im Juni 2009 wurde die Soll-Arbeitszeit von 84,7 Stunden wegen des 1. Juni (Pfingstmontag) um 3,85 Stunden auf 80,85 Stunden gekürzt.

143. Das - 5 AZR 902/07 - Rn. 14 ff.) zu § 49 TVöD-BT-K, der wörtlich § 6.1 TV-KAH entspricht, entschieden, dass die wegen eines Feiertags erfolgte Reduzierung der dienstplanmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines schichtdienstleistenden Beschäftigten um ein Fünftel eine Gewährung von Freizeitausgleich darstellt. Hieran hält der Senat fest. Die dort aufgestellten Grundsätze gelten für den TV-KAH entsprechend.

15Wie bei § 49 TVöD-BT-K belegt bereits der Wortlaut des § 6.1 Abs. 2 TV-KAH, dass die Arbeitszeitreduzierung den Freizeitausgleich bildet. Eine Minderung der Soll-Arbeitszeit führt zu vergüteter Freizeit. § 6.1 Abs. 2 TV-KAH beinhaltet wie § 49 Abs. 2 TVöD-BT-K einen institutionalisierten (automatischen) Freizeitausgleich, der an die Stelle eines Freizeitausgleichs an konkreten Tagen tritt (vgl.  - Rn. 17). Dementsprechend regelt § 6.1 Abs. 2 Satz 2 TV-KAH, dass § 6.1 Abs. 1 TV-KAH bei einer wegen eines Feiertags erfolgten Reduzierung der dienstplanmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht gilt. Ein Anspruch auf (konkreten) Freizeitausgleich bzw. Zahlung nach § 6.1 Abs. 1 TV-KAH steht dem Arbeitnehmer neben § 6.1 Abs. 2 TV-KAH nicht zu (BAG aaO Rn. 18; Bredemeier/Neffke/Baßler, TVöD/TV-L 4. Aufl. § 49 TVöD-BT-K Rn. 7).

164. Nach § 6.1 Abs. 2 Satz 3 TV-KAH bleibt (wie in § 49 Abs. 2 Satz 3 TVöD-BT-K) § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d TV-KAH unberührt. Danach erhält auch der nach § 6 Abs. 2 TV-KAH im Schichtdienst eingesetzte Arbeitnehmer Feiertagszuschläge nur bei Feiertagsarbeit, nicht bei dienstplanmäßiger Freizeit. Die Höhe des Zuschlags richtet sich allein danach, ob ein Freizeitausgleich erfolgt. Der erhöhte Zuschlag fällt an, wenn der Arbeitgeber die Wochenarbeitszeit entgegen der Regelung des § 49 Abs. 2 Satz 1 TVöD-BT-K nicht vermindert, sondern der Arbeitnehmer voll arbeiten muss. Wird, wie im Fall der Klägerin, nur zum Teil Freizeitausgleich durch Kürzung der Soll-Arbeitszeit gewährt, ist für die nicht durch Freizeit ausgeglichenen Arbeitsstunden der erhöhte Zuschlag von 135 % zu leisten. Da die Klägerin bereits einen Zuschlag iHv. 35 % für alle 30 an den vier gesetzlichen Feiertagen geleisteten Arbeitsstunden erhalten hat, sind noch 100 % Zuschlag für 14,6 Stunden offen.

17II. Der Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Freizeitausgleich im Dienstplan der Klägerin gesondert auszuweisen und die ausgewiesenen Tage auf die monatliche Ist-Arbeitszeit anzurechnen. Auf Arbeitnehmer, die regelmäßig nach einem Dienstplan eingesetzt werden, der Wechselschicht- oder Schichtdienst an sieben Tagen in der Woche vorsieht, findet die Dienstplan-Regelung des § 8 Abs. 1 Buchst. d TV-KAH keine Anwendung. Der Freizeitausgleich für diese Beschäftigten erfolgt durch Verminderung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit um ein Fünftel der arbeitsvertraglich vereinbarten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, wenn sie an einem gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, arbeiten müssen. Ein besonders auszuweisender Freizeitausgleich durch vergütete Freistellung an einzelnen Tagen wird ihnen nicht geschuldet, denn durch die Minderung ihrer Soll-Arbeitszeit ist der notwendige Freizeitausgleich gewährleistet. Dementsprechend ist ein gesonderter Ausweis denknotwendig ausgeschlossen.

18III. Prozesszinsen stehen der Klägerin erst ab dem zu, denn die Klage wurde der Beklagten am zugestellt.

19IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 und § 344 ZPO.

Fundstelle(n):
HAAAE-47451