BFH Beschluss v. - IX B 17/13

Vorliegen eines rechtswirksamen Abschlusses eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder gleichstehenden Rechtsakts i.S.v. § 7i Abs. 1 Satz 5 EStG mit Annahme des Kaufvertragsangebots des Käufers; Unterlassen eines Hinweises i.S.d. § 76 Abs. 2 FGO kein Verfahrensmangel; Verstöße gegen §§ 75 und 78 FGO; fehlender Kontakt des Prozessbevollmächtigten zum Kläger wegen dessen Umzugs kein erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO

Gesetze: AO § 180 Abs. 2, BGB § 152, EStG § 7i Abs. 1 Satz 5, FGO § 75, FGO § 76 Abs. 1, FGO § 76 Abs. 2, FGO § 78 Abs. 1, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 118 Abs. 2, GG Art. 103 Abs. 1, ZPO § 227

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht gegeben.

2 1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die aufgeworfene Rechtsfrage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist durch die Rechtsprechung geklärt. § 7i Abs. 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verlangt den „rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder gleichstehenden Rechtsakts”, also eine beidseitige Bindung von Voreigentümer und Erwerber (vgl. , BFHE 240, 322, BStBl II 2013, 482). Danach hat das Finanzgericht (FG) einen solchen Vertrag zu Recht (§ 152 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) erst mit Annahme des (notariellen) Kaufvertragsangebots des Klägers durch den Voreigentümer am als erfüllt angesehen. Daher bedarf es auch keiner Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO.

3 2. Die Frage, ob im Rahmen des Feststellungsverfahrens auch das Vorliegen eines Neubaus zu klären ist, stellt sich im Streitfall nicht. Nach Aktenlage und den insoweit bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) wurden im —nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO und § 7i EStG— durchgeführten Verfahren ausweislich der Verfügungssätze (vgl. , BFH/NV 2012, 1297) des maßgebenden Feststellungsbescheids (i.d.F. des Einspruchsbescheids vom ) lediglich die Anschaffungskosten und deren Aufteilung auf Grund und Boden, Altbausubstanz und Sanierungskosten gesondert festgestellt. Nur in diesem Umfang bestimmte sich zulässigerweise der Gegenstand des Klageverfahrens. Daher geht auch die erhobene Rüge (IV.6.) der unterlassenen Sachaufklärung zur Frage eines Neubaus ins Leere.

4 3. Eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO) ist nicht erforderlich. Denn die Frage des Neubaus stellt sich schon aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht (s. vorstehend zu 2.); das FG brauchte daher auf diese Frage nicht weiter einzugehen. Die gerügte Divergenz zu den BFH-Urteilen vom VIII R 6/01 (BFHE 206, 266, BStBl II 2004, 783) und vom X R 8/08 (BFHE 225, 431, BStBl II 2009, 960) sowie den Urteilen des Hessischen (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2012, 828; Revision X R 4/12) und des Sächsischen (EFG 2012, 1633; die dagegen erhobene Revision wurde durch Erledigung der Hauptsache mit , BFH/NV 2013, 53 erledigt) liegt aber auch angesichts unterschiedlicher Sachverhalte nicht vor. Die BFH-Urteile mit Sachverhalten, in denen kein gesondertes Feststellungsverfahren vorgeschaltet war, stehen schon deshalb nicht entgegen, weil im Streitfall die Frage eines (steuerrechtlichen/bautechnischen) Neubaus eben aus verfahrensrechtlichen Gründen noch offen ist. Anders als im Streitfall geht es im Urteil des Hessischen FG in EFG 2012, 828 um einen hier unstreitig nicht vorliegenden „völligen Neubau”.

5 4. Die gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor.

6 a) Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) durch das FG als (verzichtbaren) Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO in Gestalt einer unterlassenen Amtsermittlung (zu den Anforderungen: z.B. , BFH/NV 2005, 43) oder in Gestalt des Übergehens von —in der mündlichen Verhandlung gestellten— Beweisanträgen (zu den Anforderungen: z.B. , BFH/NV 2007, 80) greift nicht durch. Das FG hat sich mit den insoweit gestellten Beweisanträgen auseinandergesetzt und eine weitere Sachaufklärung (durch Zeugenvernehmung) für nicht erforderlich erachtet. Der auch dem Kläger bekannte Akteninhalt —so das FG— liege der Entscheidung zugrunde, die Höhe der Aufwendungen sei aus Rechnungen ersichtlich, die danach erbrachten Leistungen wurden nicht substantiiert bestritten, auch seien ansonsten insoweit keine konkreten Umstände für Zweifel an diesen Feststellungen dargetan. Zudem habe der Kläger die von ihm geleisteten Abschlagszahlungen, aus denen Schlüsse hätten gezogen werden können, nicht vorgelegt. Entsprechend seien die angebotenen Beweise jedenfalls im Ergebnis nicht erheblich. Angesichts des aus der Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde sich ergebenden Sanierungsanteils erübrige sich die Beiziehung der entsprechenden Akten. Diese Würdigung des FG wäre auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

7 Im Übrigen begründen Sachaufklärungsfehler der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren keinen Verfahrensmangel im Sinne des Revisionszulassungsrechts (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 165/09, BFH/NV 2010, 1461; vom IX B 109/09, BFH/NV 2010, 917).

8 b) Der Kläger macht zu Unrecht geltend, das FG habe eine Überraschungsentscheidung erlassen und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit dem entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens auseinanderzusetzen. Indes ist das Gericht nicht verpflichtet, den Beteiligten die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte anzudeuten, sie mit den Beteiligten umfassend zu erörtern (, BFH/NV 2012, 1815) oder der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. , Deutsches Verwaltungsblatt 2008, 1056; , BFH/NV 2011, 1523).

9 Bei im Klageverfahren durch einen sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beteiligten stellt das Unterlassen eines (von ihnen angeforderten und nach ihrer Ansicht notwendigen) Hinweises gemäß § 76 Abs. 2 FGO regelmäßig keinen Verfahrensmangel dar (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 144/10, BFH/NV 2011, 1915; vom IX B 48/06, BFH/NV 2006, 2269, m.w.N.). Zudem muss ein —zumindest sachkundig vertretener— Beteiligter gerade bei umstrittener Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 89/11, BFH/NV 2012, 11; vom IX B 86/09, BFH/NV 2010, 222, m.w.N.).

10 c) Das FG hat auch nicht gegen § 75 FGO verstoßen. Die dort geregelte Pflicht, den Beteiligten die Unterlagen der Besteuerung mitzuteilen, hat als spezielle Ausprägung des Rechts auf Gehör lediglich klarstellende Bedeutung und den Zweck, Überraschungsentscheidungen zu vermeiden (vgl. , BFH/NV 2010, 1286; , BFH/NV 2007, 1817, m.w.N.). Eine solche Überraschungsentscheidung liegt nicht vor; denn die der Entscheidung des FG (und der Finanzbehörde) zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen waren dem Kläger bekannt.

11 d) Die Rüge des Klägers, das FG habe den Anspruch auf rechtliches Gehör durch Verweigerung der Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO) verletzt, greift nicht durch. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs begründet zwar das Recht der Beteiligten, Einsicht in den gesamten Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorliegenden Akten zu nehmen (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 67/12, BFH/NV 2012, 1637; vom VII B 3/06, BFH/NV 2007, 1324). Ein Verstoß gegen § 78 Abs. 1 FGO liegt aber nur dann vor, wenn dem Kläger Akteneinsicht ausdrücklich verwehrt wurde. Dies macht der Kläger selbst nicht geltend; hingegen rügt er, die Akteneinsicht sei ihm „nicht vollständig” gewährt worden (z.T. fehlten Seiten, Unterlagen z.T. geschwärzt, z.T. Seiten nicht paginiert); diese „Bereinigung” sei zudem erst durch das FG veranlasst worden. Zu Recht hat das FG die „vollständige” Einsicht in „unbereinigte” Akten verwehrt, weil dies durch den Schutz des Steuergeheimnisses der anderen Feststellungsbeteiligten geboten war. Zudem wurden dem Kläger mit dem gesonderten Feststellungsbescheid (i.d.F. des Einspruchsbescheids vom ) gemäß § 6 Abs. 4 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO „nur die ihn betreffenden Besteuerungsgrundlagen” bekannt gegeben.

12 e) Den Antrag auf Terminsänderung hat das FG im Ergebnis verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Ein für eine Terminsänderung erforderlicher erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann jedenfalls —unabhängig von der vom FG angenommenen mangelnden Vorbereitung— nicht in dem fehlenden Kontakt des Prozessbevollmächtigten zum Kläger wegen dessen Umzugs gesehen werden (vgl. Beschlüsse des IVb ZB 68/88, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1988, 2672, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1989, 447; vom VI ZB 54/01, NJW 2003, 903, HFR 2003, 734). Diesen Mangel hat allein der Kläger zu vertreten. Daran ändern auch die vergeblichen Versuche des Prozessbevollmächtigten, den Kontakt zum Kläger wieder herzustellen, nichts. Zudem war der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht geladen und sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet worden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 1942 Nr. 12
EAAAE-46616