Instanzenzug:
Gründe
11. Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
2Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht (vgl. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 13 <S. 14>). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt (vgl. BVerwG 5 B 58.11 - [...] Rn. 2 m.w.N.). Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die Zulassung der Revision rechtlich Bedeutung haben ( BVerwG 3 B 105.92 - NJW 1993, 2825 <2826>).
3Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision hinsichtlich der als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen
"Ist die ersatzlose Streichung zum Stichtag 31.12.2009 des bisherigen § 18b V BAföG, das einen BAföG-Teilerlass bei unwesentlicher Erwerbstätigkeit von erziehenden Müttern vorsah und immerhin [für] einen Großteil akademischer Mütter einen gewissen Nachteilsausgleich [...] vorsah, verfassungsgemäß?
Ist die gewährte Übergangsfrist von lediglich 2 Jahren auf Grund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angemessen (dazu BVerfGE 67, 1/15; 116, 96/133)?"
nicht in Betracht.
4Gemäß § 18b Abs. 5 Satz 1 des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung - Bundesausbildungsförderungsgesetz - in der Fassung des Gesetzes vom 22. September 2005 (BGBl I S. 2809) (im Folgenden: BAföG a.F.) wird für jeden Monat, in dem 1. das Einkommen des Darlehensnehmers den Betrag nach § 18a Abs. 1 nicht übersteigt, 2. er ein Kind bis zu 10 Jahren pflegt und erzieht oder ein behindertes Kind betreut und 3. er nicht oder nur unwesentlich erwerbstätig ist, auf Antrag das Darlehen in Höhe der nach § 18 Abs. 3 festgesetzten Rückzahlungsrate erlassen. Durch das Zweiundzwanzigste Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (22. BAföGÄndG) vom 23. Dezember 2007 (BGBl I S. 3254) wurde § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG a.F. dahingehend gefasst, dass das Darlehen nur noch bis zum 31. Dezember 2009 auf Antrag erlassen werden konnte. Zugleich wurde die Norm mit Wirkung zum 1. Januar 2010 aufgehoben.
5Die Beschwerde setzt sich nicht in der durch § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO geforderten Weise mit den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts und sonstigen wesentlichen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit der Verfassungsmäßigkeit der Änderung und Aufhebung des § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG a.F. auseinander.
6a) Eine Rechtsnorm entfaltet Rückwirkung, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist ( - BVerfGE 72, 200 <241>).
7Das Oberverwaltungsgericht hat einen Fall der echten Rückwirkung oder Rückbewirkung von Rechtsfolgen verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt, der von der Gesetzesänderung betroffene Sachverhalt sei weder der frühere Bezug der Ausbildungsförderung (Auszahlungsphase) noch die Geburt der Kinder des ehemaligen Auszubildenden, sondern die Rückzahlung des ausbildungsförderungsrechtlichen Darlehens, die Modalitäten der Darlehensrückzahlung seien indes nur mit Wirkung für die Zukunft neu geregelt worden (UA S. 16). Diesen Darlegungen tritt die Beschwerde nur insoweit entgegen, als sie - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - den Bezug der Ausbildungsförderung und die Geburt der Kinder der Klägerin als abgeschlossenen Sachverhalt ansieht (S. 4 der Beschwerdebegründung). Eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts unterbleibt.
8b) Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung ist anzunehmen, wenn eine Norm zwar nur Rechtsfolgen für die Zukunft anordnet, in ihrem Tatbestand aber an Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung anknüpft ( - BVerfGE 97, 67 <79> m.w.N.). Ob von einer solchen unechten Rückwirkung auszugehen ist, lässt das Oberverwaltungsgericht mit der Begründung offen, dass eine solche hier jedenfalls zulässig sei.
9Ausweislich der von dem Oberverwaltungsgericht zutreffend wiedergegebenen (UA S. 18) Gesetzesmaterialien (BTDrucks 16/5172 S. 23 und 31) zielte die Änderung des § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG a.F. auf eine Neuausrichtung der Förderpolitik weg von der Förderung der "späten" Familiengründung hin zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung. Zentrale Instrumente zur Umsetzung dieser Konzeption waren die Einführung des Kinderbetreuungszuschlags nach § 14b BAföG und das Auslaufenlassen des Kinderteilerlasses in § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG a.F. Diese Ausrichtung der Gesetzesänderung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beschwerde mutmaßt, der Wegfall des Teilerlasses habe allein fiskalischen Zwecken gedient (S. 6 der Beschwerdebegründung).
10Aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts ist nicht anzunehmen, dass die Gesamtregelung einschließlich der Änderung des § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG a.F. zur Erreichung dieses Ziels ungeeignet gewesen wäre. Demgegenüber vertritt die Beschwerde die Ansicht, die Neuregelung sei nicht geeignet, die "Gebärfreude der Studentinnen zu steigern". Vielmehr stagniere die Anzahl der Kinder von Studentinnen bzw. sei rückläufig. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht hinreichend gewürdigt, dass sich die Studienzeit durch die Betreuung von Kindern mindestens verdoppele, Studierenden der Bachelor- und Masterstudiengänge nicht die erforderliche Zeit verbleibe, Kinder zu erziehen, und auch Auslandsstudienaufenthalte mit Kindern zeitlich und finanziell kaum zu realisieren seien. Lebensfremd sei die Erwägung, die Inanspruchnahme kostenpflichtiger Angebote der Kinderbetreuung könne es einem Studierenden erleichtern, eine zeitaufwändige Ausbildung mit der Familie zu vereinbaren (S. 5 f. der Beschwerdebegründung).
11Die Klägerin setzt sich nicht mit den vom Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang auch angestellten Erwägungen auseinander, den Zahlen über die Geburtenrate bei Studentinnen lasse sich nicht entnehmen, ob der Geburtenrückgang im studentischen Bereich ohne die zusätzliche Förderung nicht noch höher und der Anteil von Studenten mit Kindern nicht noch niedriger ausgefallen wäre. Nicht eingegangen wird auch auf die Erwägung, der Umstand, dass mit der Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Hilfen für die Kinderbetreuung nicht auch alle anderen, einer Familiengründung im Studium tatsächlich entgegenstehenden Hindernisse beseitigt werden könnten, ändere nichts an der grundsätzlichen Eignung der neuen Regelung. Ferner verhält sich die Klägerin nicht zu der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, dass nach allgemeiner Erfahrung die Gewährung oder das In-Aussicht-Stellen staatlicher Vergünstigungen sehr wohl Einfluss auf die persönliche Entscheidung haben könne, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Kinderwunsch verwirklicht werde.
12Der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Änderung des § 18b Abs. 5 Satz 1 BAföG sei zur Erreichung der angestrebten Neuausrichtung der Förderung auch erforderlich, da weniger einschneidende, gleich geeignete Maßnahmen zur Erreichung des legitimen Ziels, anstelle der späteren Rückzahlungsphase die frühere Auszahlungsphase und damit die eigentliche Ausbildung zu fördern, nicht ersichtlich seien (UA S. 19 f.), tritt die Beschwerde insoweit entgegen, als sie annimmt, die gesetzliche Übergangsfrist von zwei Jahren sei "viel zu kurz" bemessen und als milderes Mittel sei eine Festsetzung der Übergangszeit auf mindestens zehn Jahre in Betracht zu nehmen gewesen (S. 6 der Beschwerdebegründung). Insoweit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der vom Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang angestellten Erwägung, die von der Klägerin als notwendig erachtete Verlängerung der Übergangsfrist laufe der mit der Neuregelung angestrebten Förderung in der Studienphase deshalb zuwider, weil das frühere Förderungskonzept langfristig perpetuiert würde.
13Der Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Kinderteilerlasses sei jedenfalls nicht höher zu bewerten als die Veränderungsgründe des Gesetzgebers, begegnet die Beschwerde mit der gegenläufigen Wertung, das Bestandsinteresse überwiege das Änderungsinteresse (S. 7 der Beschwerdebegründung). Die Klägerin setzt sich nicht substantiiert mit der vom Oberverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang vorgenommenen Abwägung in ihrer Gesamtheit auseinander (UA S. 20 f.). Soweit sie der von der Vorinstanz auch vertretenen Auffassung entgegentritt, der Bürger habe sich über die ihn betreffende Rechtslage zu informieren, ist dies nur einer von mehreren Gesichtspunkten, den das Oberverwaltungsgericht in die Abwägung eingestellt hat. Davon abgesehen genügt es nicht dem Gebot einer substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils, wenn die Klägerin die hier in Rede stehende Erwägung des Oberverwaltungsgerichts als "völlig an der Lebenswirklichkeit von Familien vorbei[gehend]" bezeichnet.
14c) Die Klägerin setzt sich auch nicht in einer dem Darlegungsgebot des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise mit den Ausführungen des Oberverwaltungsgericht zu Art. 6 GG auseinander.
15Das Oberverwaltungsgericht ist unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung auch des Bundesverwaltungsgerichts der Auffassung, die Gewährleistungen von Art. 6 GG verlangten nicht, dass die ausbildungsförderungsrechtliche Darlehensschuld zumindest teilweise erlassen werden müsse, wenn der Darlehensschuldner Kinder betreue (UA S. 21 f.). Dem Gesetzgeber stehe vielmehr auch insoweit innerhalb der Grenzen des Willkürverbots ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Klägerin tritt dem unter Hinweis auf ihre wirtschaftliche Situation entgegen. Darüber hinaus verweist sie im Wesentlichen pauschal auf Stellungnahmen, die zu der Neuregelung abgegeben wurden. Damit trägt sie dem Gebot, sich substantiiert mit der gegenteiligen Auffassung der Vorinstanz auseinanderzusetzen, nicht ausreichend Rechnung.
16d) Die Beschwerde setzt sich auch nicht in genügender Weise mit den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG auseinander.
17In dem angefochtenen Urteil wird unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dargelegt, dass eine Normadressaten betreffende Ungleichbehandlung nur dann dem allgemeinen Gleichheitssatz zuwiderlaufe, wenn zwischen den Gruppen keine Unterschiede von Art und Gewicht bestünden, die die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, und dass der Gesetzgeber in seiner Entscheidung darüber, welche Personen er finanziell unterstützen wolle, weitgehend frei sei (UA S. 22). Als Vergleichsgruppe kämen hier nur die ehemaligen Auszubildenden in Betracht, die als ausbildungsförderungsrechtliche Darlehensnehmer bis zum 31. Dezember 2009 von dem Kinderteilerlass noch hätten profitieren können. Insoweit lägen sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung vor. Dazu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
18Das Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin sei - ungeachtet dessen, dass es sich bei diesen nicht um eine zielführende Vergleichsgruppe handele - auch nicht gegenüber den Vätern benachteiligt, die Vollzeit arbeiten könnten, da sie anders als diese im Regelfall weiterhin die Möglichkeit habe, sich von der Rückzahlungsverpflichtung freistellen zu lassen. Die Klägerin hält diese Erwägung für "gänzlich wirklichkeitsfremd" und nicht den Tatsachen entsprechend (S. 8 der Beschwerdebegründung). Damit genügt sie nicht dem Gebot der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils.
19e) Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG begründet ein absolutes Differenzierungsverbot. Er untersagt, den Geschlechtsunterschied als beachtlichen Grund für eine Ungleichbehandlung im Recht heranzuziehen. Der Gleichberechtigungsgrundsatz ist strikt anzuwenden. Dies gilt namentlich dort, wo Frauen benachteiligt werden; denn Art. 3 Abs. 2 GG soll vor allem dem Abbau solcher Benachteiligungen dienen (vgl. und 1 BvL 24/88 - BVerfGE 84, 9 <17>). Art. 3 Abs. 2 GG bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen. Die Verfassungsnorm zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern und erstreckt sich auf die gesellschaftliche Wirklichkeit. In diesem Bereich wird die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch durch Regelungen gehindert, die im Ergebnis aufgrund natürlicher Unterschiede oder der gesellschaftlichen Bedingungen überwiegend Frauen betreffen (vgl. -BVerfGE 113, 1 <15> m.w.N.). Die bloße Behauptung der Klägerin, der Wegfall der bisherigen Teilerlassregelung habe gleichstellungspolitische Auswirkungen und die Teilerlassregelung entlaste hauptsächlich Frauen, die Kinder erzögen und nicht arbeiten gehen könnten (S. 8 der Beschwerdebegründung), genügt den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.
202. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO)
213. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.
Fundstelle(n):
VAAAE-45916