(Insolvenzrecht: Wegfall der Kenntnis der Schuldner-GmbH von der Zahlungsunfähigkeit bei Zahlungszusagen der Gesellschafter)
Gesetze: § 17 Abs 2 S 1 InsO
Instanzenzug: Az: I-12 U 6/11vorgehend Az: 10 O 335/09
Gründe
1Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.
21. Zu Unrecht beanstandet die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) und des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG), das Berufungsgericht habe bei Anwendung des § 133 Abs. 1 InsO nicht zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und ihrer Kenntnis unterschieden.
3Tatsächlich hat das Berufungsgericht bei der Schuldnerin eine Deckungslücke von 10 v.H. festgestellt und daraus ihre Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 1 InsO) hergeleitet. Ferner ist es davon ausgegangen, dass den Geschäftsführern der Schuldnerin die Zahlungsunfähigkeit bekannt war. Damit hat es die notwendige Differenzierung zwischen objektiven und subjektiven Merkmalen getroffen.
42. Die im Blick auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erhobene Rüge, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung der Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO) zu Unrecht gestundete Forderungen in die Liquiditätsprüfung eingestellt, ist bereits nicht entscheidungserheblich, weil das Berufungsgericht die (zumindest drohende) Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 1 InsO) aus der Feststellung einer Deckungslücke hergeleitet hat und die Ausführungen mithin eine bloße Hilfsbegründung bilden. Davon abgesehen hat das Berufungsgericht angenommen, dass ungeachtet der Stundungsvereinbarung andere fällige Verbindlichkeiten seitens der Schuldnerin nicht bedient werden konnten.
53. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor, soweit sich die Beklagte darauf beruft, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen nicht bedacht, von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bei Erhalt der ersten Zahlung noch keine Kenntnis gehabt zu haben. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte bereits zwölf Tage vor der ersten Zahlung ihre Tätigkeit aufgenommen habe und deshalb über die Liquiditätslage der Schuldnerin unterrichtet gewesen sei. Vor diesem Hintergrund wurde das Vorbringen der Beklagten tatsächlich berücksichtigt.
64. Ohne Erfolg macht die Beklagte unter Berufung auf Art. 103 Abs. 1 GG und eine Obersatzabweichung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) geltend, rechtsverbindliche Zahlungszusagen ihrer Gesellschafter hätten einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin entgegengestanden.
7Mit Hilfe einer Zahlungszusage, durch die sich die Gesellschafter gegenüber ihrer GmbH verpflichten, dieser die zur Erfüllung ihrer jeweils fälligen Forderungen benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, kann die Zahlungsunfähigkeit der GmbH vermieden werden. Dies setzt jedoch - falls nicht der GmbH ein ungehinderter Zugriff auf die Mittel eröffnet wird - außerdem voraus, dass die Gesellschafter ihrer Ausstattungsverpflichtung tatsächlich nachkommen (, WM 2011, 1085 Rn. 21). Mangels eines tatsächlichen Zahlungsflusses konnte im Streitfall nicht allein aufgrund der Erklärung ihrer Gesellschafter von einer Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ausgegangen werden.
85. Zu Unrecht meint die Beschwerde unter Berufung auf den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO), die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin sei jedenfalls entfallen, weil sie infolge der Finanzierungszusagen der Gesellschafter nachträglich von dieser Möglichkeit ausgegangen sei.
9Allein die Erteilung einer Zahlungszusage durch die Gesellschafter war nicht geeignet, die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu beseitigen. Mangels einer der Beklagten erkennbaren Liquiditätszufuhr an die Schuldnerin bestanden die auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeutenden Umstände weiter. Darum scheidet ein Wegfall der Kenntnis der Beklagten von vornherein aus (, WM 2011, 1085 Rn. 23). Die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit wird auch nach der von der Beschwerde angeführten, nur verkürzt wiedergegebenen Senatsentscheidung (, WM 2013, 180 Rn. 34) allein dann beseitigt, wenn die Umstände, die zwingend auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit schließen lassen, nicht mehr gegeben sind. Eine nachträgliche Änderung der Tatsachengrundlage scheidet im Streitfall mangels einer erkennbaren Liquiditätszufuhr aus ( aaO).
106. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Vorsatzanfechtung scheide hier mit Rücksicht auf einen Sanierungsversuch aus.
11Sowohl der Gesichtspunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit als auch derjenige der Inkongruenz können ihre Bedeutung als Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners verlieren, wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist. Voraussetzung hierfür ist, dass zu der Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegt, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt (, WM 2013, 763 Rn. 11). Im Streitfall fehlt es bereits an einem schlüssigen Sanierungskonzept. Eine ernsthafte und begründete Aussicht auf einen Sanierungserfolg war darum nicht gerechtfertigt.
Kayser Gehrlein Pape
Grupp Möhring
Fundstelle(n):
WM 2013 S. 1995 Nr. 42
KAAAE-45843