BAG Beschluss v. - 1 ABR 19/12

Betriebsrat - Einigungsstelle - Schichtarbeit

Leitsatz

In einem Einigungsstellenspruch kann der Arbeitgeber nicht ermächtigt werden, einen Schichtplan ohne Zustimmung des Betriebsrats bis zur Entscheidung der Einigungsstelle vorläufig durchzuführen.

Gesetze: § 87 Abs 1 Nr 2 BetrVG, § 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG, § 87 Abs 2 BetrVG, § 76 Abs 2 S 1 BetrVG, § 76 Abs 2 S 2 BetrVG

Instanzenzug: ArbG Braunschweig Az: 2 BV 31/10 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 9 TaBV 66/11 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs.

2Die Arbeitgeberin betreibt ein Klinikum. Bei ihr ist der antragstellende Betriebsrat gebildet. In dem zwischen der Arbeitgeberin und ver.di abgeschlossenen Manteltarifvertrag vom (MTV) idF vom heißt es:

3Eine Einigungsstelle beschloss am durch Spruch eine „Betriebsvereinbarung über Grundsätze der Erstellung von Dienstplänen“ (BV 2010). Darin ist bestimmt:

4Der Einigungsstellenvorsitzende leitete dem Betriebsrat den unterzeichneten Spruch am zu.

5Mit dem am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat den Einigungsstellenspruch angefochten und sowohl Rechtsverstöße als auch die fehlerhafte Ermessensausübung geltend gemacht.

6Der Betriebsrat hat beantragt

7Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

8Die Vorinstanzen haben dem Antrag entsprochen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.

9B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Feststellungsantrag zu Recht entsprochen. Der Einigungsstellenspruch vom ist unwirksam.

10I. Der Antrag ist zulässig.

11Mit seinem zutreffend im Wege eines Feststellungsantrags ( - Rn. 10) verfolgten Begehren macht der Betriebsrat die Unwirksamkeit des von ihm in der Frist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG angefochtenen Einigungsstellenspruchs vom geltend. Dies umfasst die Prüfung, ob der Einigungsstellenspruch aus den vom Betriebsrat angeführten Gründen ganz oder teilweise unwirksam ist.

12II. Der Antrag des Betriebsrats ist begründet. Die Einigungsstelle hat bei der Ausgestaltung der Grundsätze über die Dienstplangestaltung teilweise ihre Regelungskompetenz überschritten. Im Umfang ihrer Zuständigkeit sind die von ihr beschlossenen Regelungen teilweise unwirksam. Dies führt zur vollständigen Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom .

131. Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei der Ausgestaltung von Schichtarbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen.

14a) Nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG hat der Betriebsrat ua. nicht nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen, soweit die betreffende Angelegenheit tariflich geregelt ist. Der Ausschluss des Mitbestimmungsrechts setzt voraus, dass die Tarifvertragsparteien selbst über die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine zwingende und abschließende inhaltliche Regelung getroffen und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts Genüge getan haben.

15b) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist der Betriebsrat zu beteiligen bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.

16aa) Bei der Ausgestaltung von Schichtarbeit erfasst das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht nur die Frage, ob im Betrieb in mehreren Schichten gearbeitet werden soll, sondern auch die Festlegung der zeitlichen Lage der einzelnen Schichten und die Abgrenzung des Personenkreises, der Schichtarbeit zu leisten hat. Mitbestimmungspflichtig ist auch der Schichtplan und dessen nähere Ausgestaltung bis hin zur Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Schichten ( - Rn. 18) sowie die Änderung von bereits aufgestellten Dienstplänen ( - zu B II 2 a der Gründe).

17bb) Die Betriebsparteien haben bei der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Regelungen zur Schichtarbeit ein Wahlrecht. Sie können entweder für jeden Schichtplan die mitbestimmungsrechtlich relevanten Voraussetzungen im Einzelnen selbst regeln. Zulässig ist es auch, konkrete Grundregeln festzulegen, die der Arbeitgeber bei der Aufstellung von Schichtplänen einzuhalten hat. Diese müssen aber den Anforderungen an die ordnungsgemäße Ausübung der in Betracht kommenden Beteiligungsrechte des Betriebsrats genügen. Dies erfordert regelmäßig abstrakte und verbindliche Bestimmungen über die Ausgestaltung der unterschiedlichen Schichten und die Zuordnung von Arbeitnehmern zu den einzelnen Schichten. Vereinbaren die Betriebsparteien solche Regularien, kann die Aufstellung der einzelnen Schichtpläne dem Arbeitgeber überlassen werden. Dieser hat dann die zuvor festgelegten Vorgaben, durch die sein Direktionsrecht begrenzt wird, im Schichtplan zu vollziehen. Die von den Betriebsparteien getroffenen inhaltlichen Vorgaben können sich auch auf Verfahrensregelungen beschränken, die für die Vorlage des Schichtplans gelten, dem der Betriebsrat zustimmen muss. Bei diesen bleibt die Aufstellung des Schichtplans Sache des Arbeitgebers. Gegenstand der betrieblichen Regelung ist dann ausschließlich das Verfahren über die Schichtplanaufstellung und die sich anschließende Beteiligung des Betriebsrats (vgl.  - zu B 2 der Gründe).

18c) Wird durch eine Schichtplanregelung auch die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend verkürzt oder verlängert, hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen. Eine vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit liegt vor, wenn es sich um eine Abweichung von dem allgemein geltenden Zeitvolumen mit anschließender Rückkehr zur betriebsüblichen Arbeitszeit handelt; die Verlängerung darf nur für einen überschaubaren Zeitraum und nicht auf Dauer erfolgen. Ob eine Verlängerung der Arbeitszeit nur vorübergehend oder dauerhaft erfolgt, hängt davon ab, ob sie die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit in ihrer Regelhaftigkeit und als die „normale“ betriebliche Arbeitszeit der betreffenden Arbeitnehmer unverändert lässt oder gerade diese Norm ändert und zu einer neuen regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit führt. Maßgeblich ist damit, ob die bisherige betriebsübliche Arbeitszeit die „übliche“ bleibt und die Arbeitszeitverteilung bezüglich der einzelnen Arbeitnehmer weiterhin prägt ( - Rn. 45, BAGE 106, 204).

19d) Kommt eine Einigung der Betriebsparteien über die Ausgestaltung von Schichtarbeit nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle. Deren Spruch ersetzt nach § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Vor einer solchen Entscheidung der Einigungsstelle darf der Arbeitgeber den Schichtplan nicht durchführen. Der Einhaltung des in dieser Vorschrift vorgesehenen Verfahrens bedarf es auch bei einem kurzfristig und unerwartet auftretenden Regelungsbedarf. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht auch in Eilfällen. Die Betriebsparteien - und im Konfliktfall die Einigungsstelle - müssen daher regelmäßig Regelungen treffen, wie bei der Abweichung von einem beschlossenen Schichtplan verfahren werden soll ( - zu B II 1 b der Gründe, BAGE 90, 194).

202. Die Einigungsstelle hat ihre Regelungskompetenz schon bei der Festlegung des Dienstendes überschritten. Die in § 5 Nr. 1 BV 2010 vorgesehene Verlängerung der Dienste ist nicht vom Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gedeckt. Sie ermöglicht nicht nur eine vorübergehende, sondern eine dauerhafte Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit.

21a) Betriebsübliche Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist die im Betrieb regelmäßig geleistete Arbeitszeit. Sie wird bestimmt durch den vertraglich geschuldeten regelmäßigen zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung und dessen Verteilung auf einzelne Zeitabschnitte ( [A] - zu B III 2 a der Gründe, BAGE 112, 227). Bei den in Dienstplänen bestimmten Arbeitszeiten handelt es sich um die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf die Wochentage. Wird die in einem Dienstplan festgelegte tägliche Dienstzeit überschritten, wird damit auch die betriebsübliche Arbeitszeit verlängert. Diese Maßnahme unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn es sich um eine vorübergehende Veränderung der betriebsüblichen Arbeitszeit handelt. Dies setzt voraus, dass nach der Verlängerung des für einen bestimmten Wochentag regulär festgelegten Zeitvolumens eine Rückkehr zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit erfolgen soll ( - Rn. 18).

22b) Nach § 5 Nr. 1 BV 2010 ist das im Dienstplan ausgewiesene Dienstende variabel und kann ohne Zustimmung des Betriebsrats „je nach Auslastungssituation“ in Abhängigkeit von der Dienstlänge um bis zu 30 bzw. 45 Minuten verlängert werden. In dieser von keiner feststehenden Tatbestandsvoraussetzung abhängigen Ermächtigung des Arbeitgebers liegt keine nur vorübergehende Verlängerung der im Dienstplan festgelegten Arbeitszeit. Vielmehr wird es dem Arbeitgeber durch den Einigungsstellenspruch dauerhaft ermöglicht, das betriebsübliche Ende der Arbeitszeit um die in § 5 Nr. 1 BV 2010 festgelegten Zeiten hinauszuschieben. Eine Beschränkung auf nur vorübergehend auftretende und abstrakt beschriebene Anlassfälle oder eine zahlenmäßige Begrenzung der verlängerten Dienste hat die Einigungsstelle nicht vorgenommen.

23c) Da § 5 Nr. 1 BV 2010 bereits wegen fehlender Regelungskompetenz der Einigungsstelle unwirksam ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Regelung die tariflichen Vorgaben über die dienstplanmäßig festgesetzte Arbeitszeit wahrt oder auch gegen den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG verstößt. § 9 Nr. 5 Buchst. b MTV bestimmt, dass kurzfristige Änderungen der konkreten täglichen Arbeitszeit einzelner Arbeitnehmer nur bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse vorgenommen werden können. Soweit der Arbeitnehmer über das im Dienstplan ausgewiesene Dienstende zur Arbeitsleistung herangezogen wird, handelt es sich zudem nach § 11 Nr. 2 MTV um Überstunden, die nur unter den in § 11 Nr. 1 und Nr. 3 MTV genannten Voraussetzungen (Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse) und durch einen besonderen Personenkreis (Geschäftsführer oder eine besonders bevollmächtigte Person) schriftlich angeordnet werden dürfen.

243. Auch die von der Einigungsstelle in § 4 Nr. 2 bis Nr. 4, § 5 Nr. 5 BV 2010 beschlossenen Regelungen sind unwirksam.

25a) Die Regelungen in §§ 9 ff. MTV schließen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für die Aufstellung von Dienstplänen nicht aus. Der MTV enthält keine abschließende Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG für die Dienstplangestaltung, sondern überlässt diese betrieblichen Regelungen (so ausdrücklich § 9 Nr. 4, Nr. 5 Buchst. a und Nr. 6, § 10 Nr. 3 MTV).

26b) Die Einigungsstelle hat sich auf die Ausgestaltung von Verfahrensregelungen beschränkt, die von der Arbeitgeberin bei der Aufstellung von Dienstplanentwürfen zu beachten sind. In der BV 2010 wird das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht abschließend ausgeübt. Es werden keine abstrakten und verbindlichen Regelungen aufgestellt, die von der Arbeitgeberin bei der Aufstellung der monatlichen Dienstpläne und der Heranziehung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Diensten zu beachten sind. Die Regelungen über die Dienste zu ungünstigen Zeiten (§ 3 Nr. 5 BV 2010) und den freiwilligen Schichttausch (§ 5 Nr. 2 BV 2010) stellen keine dem Mitbestimmungsrecht genügende Ausgestaltung der Dienstplangestaltung dar. Für die Arbeitnehmer wird aus der BV 2010 nicht im Voraus erkennbar, in welchem Umfang und zu welchen Zeiten sie von der Arbeitgeberin eingesetzt werden. Es fehlt an einer Festlegung von Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit sowie deren Verteilung auf die einzelnen Wochentage während des maßgeblichen Monatszeitraums. Ebenso enthält die BV 2010 keine abstrakte Regelung über die Zuweisung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Diensten.

27c) Die in der BV 2010 aufgestellten Verfahrensregelungen für die Vorlage eines Dienstplans sowie das weitere Verfahren bei fehlender Zustimmung des Betriebsrats und bei Eilfällen sind mit § 87 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 sowie § 76 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG unvereinbar.

28aa) Das in § 4 Nr. 2 bis Nr. 4 BV 2010 vorgesehene Verfahren über die Zustimmung des Betriebsrats und die vorläufige Durchführung des Dienstplans steht nicht in Einklang mit § 87 Abs. 2 BetrVG.

29(1) Die Zustimmung des Betriebsrats zu dem von der Arbeitgeberin vorgelegten Dienstplan gilt nach § 4 Nr. 2 BV 2010 als erteilt, wenn sich dieser nicht innerhalb einer Woche zu dem Entwurf der Arbeitgeberin äußert. Der Widerspruch des Betriebsrats muss den in § 4 Nr. 3 BV 2010 bestimmten Anforderungen genügen. § 4 Nr. 4 BV 2010 enthält die Verpflichtung zur Einschaltung der Einigungsstelle. Wird diese innerhalb der Frist des § 4 Nr. 4 Unterabs. 2 BV 2010 angerufen, ist die Arbeitgeberin bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle zur Durchführung ihres Dienstplanentwurfs berechtigt.

30(2) Die an § 99 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4, § 100 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG angelehnte Regelung in § 4 Nr. 2 bis Nr. 4 BV 2010 widerspricht dem in § 87 Abs. 2 BetrVG vorgesehenen Verfahren zur Auflösung von Konflikten der Betriebsparteien. Die in dieser Vorschrift enthaltenen Vorgaben sind zwingend und daher bei einem Einigungsstellenspruch zu beachten. Die Äußerung des Betriebsrats gegenüber einem Ersuchen des Arbeitgebers in den Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG bedarf keiner bestimmten Form und muss auch nicht binnen einer bestimmten Frist erfolgen. Eine für personelle Angelegenheiten vergleichbare Zustimmungsfiktion (§ 99 Abs. 3 BetrVG) ist in § 87 Abs. 2 BetrVG ebenso wenig vorgesehen wie die Angabe von Gründen, auf denen das fehlende Einverständnis des Betriebsrats beruht. Ebenso darf eine Maßnahme, die der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG unterliegt, erst nach dessen Zustimmung oder deren Ersetzung durch die Einigungsstelle durchgeführt werden. Eine einseitige Regelungsbefugnis des Arbeitsgebers oder dessen Möglichkeit, eine von § 87 Abs. 1 BetrVG erfasste Maßnahme vorläufig durchzuführen, sieht das Gesetz im Bereich der sozialen Angelegenheiten nicht vor.

31bb) Die in § 4 Nr. 4 BV 2010 enthaltene Regelung über das Einigungsstellenverfahren verstößt gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG und ist unwirksam.

32(1) Die Bildung einer Einigungsstelle richtet sich nach § 76 Abs. 2 Satz 1 bis Satz 3 BetrVG, § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG haben sich zunächst die Betriebsparteien über die Person des Einigungsstellenvorsitzenden zu verständigen. Nur im Fall einer Nichteinigung bestimmt das Arbeitsgericht den Einigungsstellenvorsitzenden. Diese Regelungen sind zwingend. Die Betriebsparteien können sich zwar nach § 76 Abs. 1 Satz 2 BetrVG durch freiwillige Betriebsvereinbarung auf die Errichtung einer ständigen Einigungsstelle verständigen. In einem Einigungsstellenspruch kann die Besetzung einer Einigungsstelle hingegen nicht festgelegt werden ( - Rn. 45, BAGE 127, 276).

33(2) Die Verfahrensregelung bei der Nichteinigung über den Dienstplan in § 4 Nr. 4 Unterabs. 1 und Unterabs. 2 BV 2010 genügt diesen Anforderungen nicht. Danach entscheidet im Konfliktfall eine Einigungsstelle mit je einem innerbetrieblichen Beisitzer. Als Vorsitzender ist ein Berufsrichter der niedersächsischen Arbeitsgerichtsbarkeit zu benennen, wobei das Benennungsrecht den Betriebsparteien abwechselnd zusteht. Diese Regelung lässt unberücksichtigt, dass es zunächst Sache der Betriebsparteien ist, sich über die Person des unparteiischen Vorsitzenden sowie die Anzahl der Beisitzer zu verständigen.

34cc) Auch die Eilfallregelung in § 5 Nr. 5 BV 2010 ist unwirksam. Weder enthält sie konkrete Grundsätze für die Heranziehung von Beschäftigten zu den einzelnen Diensten noch beachtet sie die verbindlichen Vorgaben aus § 87 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BetrVG sowie § 76 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG.

35(1) Nach § 5 Nr. 5 Unterabs. 2 Satz 2 und Unterabs. 4 BV 2010 gilt die Zustimmung des Betriebsrats zur Abweichung von dem vereinbarten Dienstplan in Eilfällen bis zur Dauer von vier Kalendertagen als erteilt. In diesem Fall darf die Arbeitgeberin die von ihr ausgewählten Arbeitnehmer nach dem Prinzip der Gleichverteilung (§ 5 Nr. 5 Unterabs. 3 BV 2010) heranziehen. Zur Einholung der Zustimmung des Betriebsrats ist sie nur verpflichtet, wenn der Zustand, der eine Dienstplanänderung erforderlich macht, absehbar länger als vier Kalendertage besteht (§ 5 Nr. 5 Unterabs. 5 Satz 1 BV 2010). Widerspricht der Betriebsrat einem solchen Antrag schriftlich, darf die Arbeitgeberin die Dienstplanänderung dennoch weiter aufrecht erhalten, wenn sie das in § 4 Nr. 4 BV 2010 bestimmte Verfahren über die Einschaltung der Einigungsstelle durchführt (§ 5 Nr. 5 Unterabs. 6 BV 2010).

36(2) Damit hat die Einigungsstelle schon keine inhaltlichen Grundsätze aufgestellt, nach denen sich die Heranziehung von Beschäftigten in Eilfällen richten soll. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass bei kurzfristigen Dienstplanänderungen nicht genügend Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, die freiwillig bereit und in der Lage sind, zusätzliche Dienste zu übernehmen. Die Ausübung des Weisungsrechts nach einem inhaltlich unbestimmten „Prinzip der Gleichverteilung“ stellt keine abschließende Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG dar. Es fehlt an verbindlichen abstrakten Vorgaben, die das Direktionsrecht der Arbeitgeberin bei der Heranziehung von Arbeitnehmern bei kurzfristig erforderlichen Dienstplanänderungen begrenzen.

37(3) Die Eilfallregelung in § 5 Nr. 5 BV 2010 schließt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus. Die Regelungsfrage, ob und ggf. in welcher Weise ein Dienstplan geändert werden muss, wenn dieser nicht wie geplant durchgeführt werden kann, wird vom Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG umfasst. Dieses Beteiligungsrecht wird beseitigt, wenn die Arbeitgeberin den Betriebsrat über eine bis zu viertägige Dienstplanänderung nur unterrichten muss, wie dies in § 5 Nr. 5 Unterabs. 2 Satz 2 und Satz 3 sowie Unterabs. 4 BV 2010 vorgesehen ist, und während dieser Zeit nach Gutdünken verfahren kann.

38(4) Ebenso weichen die in § 5 Nr. 5 Unterabs. 6 BV 2010 enthaltenen Festlegungen über das Schriftlichkeitserfordernis eines Widerspruchs sowie über die vorläufige Durchführungsbefugnis der Arbeitgeberin und das Einigungsstellenverfahren von den in § 87 Abs. 2 BetrVG sowie § 76 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG enthaltenen Vorgaben ab. Daraus folgt - wie bei der in Bezug genommenen Regelung in § 4 Nr. 4 BV 2010 - ihre Unwirksamkeit.

394. Die Unwirksamkeit der von der Einigungsstelle beschlossenen Verfahrensvorschriften über die Aufstellung des Dienstplans führt nach dem der Vorschrift des § 139 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken zur Unwirksamkeit des gesamten Einigungsstellenspruchs, weil der verbleibende Teil ohne die unwirksamen Bestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (vgl.  - Rn. 29). Ohne die Ausgestaltung eines Verfahrens über die Aufstellung des Dienstplans und seines Vollzugs stellt der Einigungsstellenspruch vom keine sinnvolle Regelung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG dar.

Fundstelle(n):
BB 2013 S. 2676 Nr. 44
DB 2013 S. 2569 Nr. 45
DB 2013 S. 6 Nr. 40
OAAAE-45807