Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts; Übergehen eines Befangenheitsantrags
Gesetze: FGO § 51 Abs. 1 Satz 1, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, FGO § 119 Nr. 1, ZPO § 44 Abs. 1, GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen und die Revision nicht zugelassen ().
2 II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde ist zu verwerfen, da sie nicht den Anforderungen an die schlüssige Rüge der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründe genügt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
3 1. Der Vortrag, der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) sei deshalb verletzt worden, weil der Senatsvorsitzende die Überlassung des „Votumteil(s) Tatbestand” mit dem „übriggebliebenen Tenor”…„ich will nicht” abgelehnt habe und deshalb der Klägerin die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aus „sachlichen wie persönlichen Gründen” unzumutbar geworden sei, ist unschlüssig. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Vorsitzende des vorinstanzlichen Spruchkörpers mit Schreiben vom seine Auffassung ausführlich erläutert und in dem sich anschließenden Schriftwechsel hierauf Bezug genommen hat. Demgemäß wäre es zur schlüssigen Darlegung des gerügten Verfahrensverstoßes erforderlich gewesen, sich mit den Erwägungen dieses Schreibens im Einzelnen auseinanderzusetzen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdebegründung jegliche substantiierte Darlegung dazu vermissen lässt, weshalb mit Rücksicht auf den dem anhängigen Verfahren zugrunde liegenden (konkreten) Streitstoff der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht —wie in § 92 Abs. 2 FGO vorgesehen— durch Vortrag des wesentlichen Akteninhalts in der mündlichen Verhandlung habe gewährleistet werden können, sondern es insoweit der schriftlichen Vorabmitteilung des Tatbestandsentwurfs in Form eines Sachstandsberichts bedurft hätte (vgl. zu Letzterem Senatsbeschluss vom I B 117/00, BFH/NV 2001, 470; Stalbold in Beermann/Gosch, § 78 FGO Rz 38).
4 2. Nicht durchgreifen kann ferner die Rüge, das vorinstanzliche Urteil beruhe deshalb auf einem Verfahrensmangel, weil ein gegen den Senatsvorsitzenden mit Schreiben vom gerichtetes Befangenheitsgesuch übergangen worden sei. Zwar ist das Übergehen eines Befangenheitsantrags grundsätzlich geeignet, den Verfahrensmangel der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts zu begründen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 119 Nr. 1 FGO; , BFH/NV 2010, 1835). Auch insoweit genügt der Vortrag jedoch nicht den Darlegungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. Senatsbeschluss vom I B 113/00, BFH/NV 2002, 1161).
5 a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erfordert die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit u.a. ein wirksames Ablehnungsgesuch. Ein solches Gesuch stellt eine Prozesshandlung dar, die aus Gründen der Prozessklarheit und angesichts des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) klar und eindeutig erklärt werden muss. Klarheit und Eindeutigkeit sind vor allem deshalb erforderlich, weil ein abgelehnter Richter nach § 47 ZPO (i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO) bis zur Erledigung des Ablehnungsgesuches nur noch unaufschiebbare Amtshandlungen vornehmen darf (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschlüsse vom III B 23/98, BFH/NV 1999, 476; vom V B 41/11, BFH/NV 2013, 239; Senatsbeschluss vom I S 8/12, BFH/NV 2012, 1813; Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 51 Rz 32, jeweils m.w.N.).
6 b) Hiernach ist der Hinweis der Klägerin, sie habe mit FAX-Schreiben vom „ein Befangenheitsgesuch erstattet”, nicht substantiiert. Das in Bezug genommene Schreiben spricht zwar u.a. von der „Sorgnis”, dass der Vorsitzende nicht dem „Ziel der Sachgerechtigkeit verpflichtet scheint” sowie von der „Sorge fehlender Unbefangenheit”. Ob sich hieraus sowie dem jeweils beigefügten Zusatz „ich rüge dementsprechend” ein klares und eindeutiges Ablehnungsgesuch ergibt, kann offenbleiben. Jedenfalls wären zur Bezeichnung des gerügten Verfahrensmangels konkrete und aus sich heraus nachvollziehbare (d.h. substantiierte) Darlegungen dazu erforderlich gewesen, dass das Schreiben —gemessen am Gebot der Klarheit und Eindeutigkeit— als Ablehnungsgesuch i.S. von § 44 Abs. 1 ZPO zu verstehen war.
7 c) Der Senat kann deshalb offenlassen, ob das Schreiben vom die weiteren für die Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs —einen klaren und eindeutigen Antrag unterstellt— zu beachtenden Voraussetzungen erfüllt hat oder ob nicht —sollte dies zu verneinen sein— auch aus diesem Grund der erhobenen Rüge mangels Entscheidungserheblichkeit der Erfolg zu versagen wäre (vgl. hierzu , BFH/NV 2010, 1645).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 1789 Nr. 11
DAAAE-45397