Strafurteil wegen Betruges: Absehen von der Anordnung des Wertersatzverfalls bei unbilliger Härte; Auffangrechtserwerb des Staates
Gesetze: § 73c Abs 1 StGB, § 263 StGB, § 111i Abs 2 StPO, § 111i Abs 5 StPO
Instanzenzug: Az: 8 KLs 61 Js 2699/10 (9/11)
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem und der Einzelstrafen aus dem nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten und wegen Betruges zu einer weiteren Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von der Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von fünf Jahren und sechs Monaten gelten drei Monate und von der Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und sechs Monaten ein Monat als vollstreckt. Außerdem hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte aus den Taten 845.000 Euro erlangt hat und nur deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz erkannt wird, weil Ansprüche des Verletzten entgegenstehen. Die Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO über das Absehen von der Anordnung des Wertersatzverfalls und den Wert des Erlangten kann keinen Bestand haben. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom zu Recht ausgeführt hat, ist die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu beachten (vgl. , Rn. 11; Urteil vom – 4 StR 215/10, NJW 2011, 624 Rn. 15 mwN). Wird in Anwendung des § 73c Abs. 1 StGB ganz oder teilweise von der Anordnung des Verfalls abgesehen, hat dies zur Folge, dass der in der Urteilsformel allein zu bezeichnende Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt, hinter dem Erlangten bzw. dessen Wert zurückbleibt (, NJW 2011, 624 Rn. 12 ff.). Die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 StGB sind zu erörtern, wenn nahe liegende Anhaltspunkte für deren Vorliegen gegeben sind (, Rn. 2; Beschluss vom – 1 StR 75/11, NJW 2011, 2529, 2530). So liegt es hier.
3Das Landgericht hat die betrügerisch erlangten Vorauszahlungen ersichtlich in voller Höhe in die Wertberechnung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO eingestellt. Aus den Urteilsfeststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte vermögenslos und überschuldet ist (UA S. 4). Die betrügerisch erlangten Gelder wurden von ihm für die eigene Lebensführung, den Geschäftsbetrieb der mittlerweile insolventen Firma , aber auch für die Tilgung besonders lästiger anderweitiger Schulden verbraucht (UA S. 14 f.). Danach ist davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung im Vermögen des Angeklagten weder das Erlangte noch ein Gegenwert vollständig vorhanden waren (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB). Daran anknüpfend hätte sich das Landgericht mit den weiteren Voraussetzungen für eine Anwendung der Härtevorschrift auseinandersetzen und die gebotene Ermessensentscheidung treffen müssen (vgl. zu den rechtlichen Anforderungen im Einzelnen , NStZ-RR 2009, 234).
4Der neue Tatrichter wird – soweit erneut eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 Satz 3 StPO zu treffen ist – auch gehalten sein, die entgegenstehenden Ansprüche des Verletzten nach Grund und Höhe näher darzulegen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
wistra 2013 S. 386 Nr. 10
YAAAE-42370