Negative Feststellungsklage einer schuldnerischen GmbH hinsichtlich der Feststellung einer Forderung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel zur Insolvenztabelle
Leitsatz
Der negativen Feststellungsklage, mit welcher die schuldnerische GmbH ihren im Prüfungstermin erhobenen Widerspruch gegen die Feststellung einer Forderung verfolgt, für die ein vorläufig vollstreckbarer Titel vorliegt, kann nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden, solange nicht feststeht, dass eine Vollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich ist.
Gesetze: § 184 Abs 2 InsO, § 201 Abs 2 InsO, § 256 Abs 1 ZPO
Instanzenzug: Az: 14 U 18/11vorgehend LG Offenburg Az: 1 O 12/10
Tatbestand
1Das Landgericht verurteilte die Beklagte mit Urteil vom zur Zahlung von 40.000 € nebst Zinsen und Kosten an den Kläger, hinsichtlich eines Teilbetrages von 4.465,75 € Zug um Zug gegen Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte am Berufung ein. Am eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten. Im Prüfungstermin vom widersprach die Beklagte dem vom Kläger zur Tabelle angemeldeten Klageanspruch.
2Mit am (Montag) eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte die Aufnahme des Berufungsverfahrens gemäß § 184 Abs. 2 InsO erklärt. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten erklärte Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Berufungsverfahrens zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Beklagte ihr Aufnahmebegehren und die Klageabweisungsanträge weiter.
Gründe
3Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beklagte hat den Rechtsstreit wirksam aufgenommen; er ist nicht mehr unterbrochen.
I.
4Das Berufungsgericht hat gemeint, das Aufnahmebegehren der Beklagten sei wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Beklagte könne sich nicht auf § 184 Abs. 2 InsO berufen, weil die in dieser Vorschrift dem Schuldner auferlegte Obliegenheit, seinen Widerspruch gegen eine zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung zu verfolgen, nur der Abwehr einer persönlichen Nachhaftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens diene. Eine solche Nachhaftung komme bei der Beklagten, einer in Liquidation befindlichen GmbH, gegen ihren Willen nicht in Betracht. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG werde die Gesellschaft mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. In den beiden Fällen, in denen nach dieser Vorschrift eine Fortsetzung der Gesellschaft möglich sei, nämlich bei Einstellung des Verfahrens auf Antrag des Schuldners oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans, könne es nicht ohne Einverständnis der Beklagten zur Nachhaftung kommen, weil die Fortsetzung der Gesellschaft von den Gesellschaftern beschlossen werden müsse. Die Beklagte bedürfe deshalb zur Abwehr der Nachhaftung nicht der Verfolgung des Widerspruchs.
II.
5Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Das Rechtsschutzinteresse kann der Beklagten nicht abgesprochen werden.
61. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Verfolgung des Widerspruchs durch den Schuldner nach § 184 Abs. 2 InsO der Abwehr der nachinsolvenzlichen Haftung nach § 201 Abs. 2 InsO dient.
7a) Der Widerspruch der Schuldnerin stand nach § 178 Abs. 1 Satz 2InsO der Feststellung der Forderung der Gläubigerin zur Tabelle nicht entgegen. § 184 Abs. 2 InsO hat nicht den Zweck, einem Gläubiger mit vollstreckbarem Titel die Teilnahme am Verteilungsverfahren zu verwehren. Er hindert lediglich nach § 201 Abs. 2 InsO die Rechtskraftwirkung des Tabelleneintrags außerhalb des Insolvenzverfahrens (, ZIP 2011, 39 Rn. 8). Das Interesse des Schuldners, dass unbegründete Forderungen von der Teilnahme an der Verteilung im Insolvenzverfahren ausgeschlossen werden, weil andernfalls eine höhere persönliche Nachhaftung gegenüber berechtigten Insolvenzgläubigern besteht, wird ausschließlich vom Insolvenzverwalter und von den übrigen Insolvenzgläubigern wahrgenommen. Dies gilt auch für das anzuerkennende Interesse der nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer GmbH, dass keine unberechtigten Forderungen anerkannt werden, weil sich dadurch ihre Aussicht auf den Überschuss nach § 199 Satz 2 InsO und auf Rückgewähr der Einlage verringert (vgl. MünchKomm-InsO/Schumacher, 2. Aufl., § 178 Rn. 3, 23; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 178 Rn. 14).
8b) Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren eine Forderung bestritten, ist dies gemäß § 178 Abs. 2 Satz 2 InsO in die Tabelle einzutragen. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann der Gläubiger gemäß § 201 Abs. 2 InsO aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben, wenn die Forderung nicht vom Schuldner bestritten worden ist.
9Einer nicht bestrittenen Forderung steht gemäß § 201 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Forderung gleich, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Zu diesem Zweck kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner gemäß § 184 Abs. 1 InsO erheben. Hat er, wie im vorliegenden Fall, bereits einen vollstreckbaren Schuldtitel, überträgt § 184 Abs. 2 InsO die Feststellungslast auf den Schuldner. Dieser muss innerhalb einer Frist von einem Monat, die mit dem Bestreiten im Prüfungstermin beginnt, den Widerspruch durch Aufnahme des Prozesses verfolgen, in dem der nur vorläufig vollstreckbare Schuldtitel ergangen ist. Versäumt der Schuldner diese Frist, gilt der Widerspruch nach § 184 Abs. 2 Satz 2 InsO als nicht erhoben. Das hat zur Folge, dass der Widerspruch auch im Sinne des § 201 Abs. 2 Satz 2 InsO beseitigt und die Tabelle analog § 183 Abs. 2 InsO zu berichtigen ist ( aaO Rn. 11; MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO § 184 Rn. 8d). Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann dann vom Gläubiger gemäß § 201 InsO unbeschränkt gegen den Schuldner vollstreckt werden wie aus einem rechtskräftigen Urteil (vgl. MünchKomm-InsO/Hintzen, aaO § 201 Rn. 37). Der frühere Titel wird durch den Auszug aus der Tabelle "aufgezehrt", aus ihm kann dann nicht mehr vollstreckt werden (, WM 2006, 1347 Rn. 9).
102. Danach steht der Schuldnerin das rechtliche Interesse an der Verfolgung des Widerspruchs zu.
11a) Die Aufnahme des Rechtsstreits, mit der die Schuldnerin ihren Widerspruch nach § 184 Abs. 2 InsO verfolgen muss, hat eine negative Feststellung zum Gegenstand (MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO § 184 Rn. 8d). Eine auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage kann gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festzustellen (, ZIP 2011, 39 Rn. 7; vom - IX ZR 160/11, ZInsO 2012, 1614 Rn. 7). Dieses ergibt sich hier aus § 201 Abs. 2 InsO. Es könnte nur dann verneint werden, wenn eine Vollstreckung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus anderen Gründen ausgeschlossen wäre. Besteht indes nur Unsicherheit darüber, ob eine Vollstreckung nach § 201 Abs. 2 InsO möglich sein wird, ist das Rechtsschutzbedürfnis noch zu bejahen, weil der Widerspruch nur innerhalb der Monatsfrist verfolgt werden kann.
12b) Dies ist hier der Fall.
13aa) Das Rechtsschutzbedürfnis der Schuldnerin, das sie mit ihrer negativen Feststellungsklage nach § 184 Abs. 2 InsO verfolgt, entspricht der positiven Feststellungsklage, die der Gläubiger im Falle des § 184 Abs. 1 InsO anzustrengen hätte, wenn der Schuldner die Forderung bestritten hat und dieser Widerspruch im Hinblick auf eine Vollstreckung gegen den Schuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens beseitigt werden soll. Das Feststellungsinteresse für diese Feststellungsklage ergibt sich daraus, dass die gerichtliche Feststellung den Schuldnerwiderspruch beseitigt und damit die Vollstreckung in das Schuldnervermögen aus der Eintragung der Feststellung in die Tabelle nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ermöglicht (§ 201 Abs. 2 InsO). Gegenstand der Feststellung ist der Anspruch gegen den Schuldner persönlich (vgl. MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO § 184 Rn. 3). Eine Frist für die Erhebung dieser Klage ist im Gesetz nicht vorgesehen. Sie kann deshalb schon während des Insolvenzverfahrens, aber auch später erhoben werden (MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO).
14Insoweit könnte sich allerdings hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses des Gläubigers die Frage stellen, ob dieses in einem Zeitpunkt bejaht werden kann, in dem nicht absehbar ist, ob nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH überhaupt noch eine Vollstreckung möglich ist.
15bb) Im Falle des § 184 Abs. 2 InsO ist eine Rechtsverteidigung des Schuldners gegen den nur vorläufig titulierten Anspruch des Gläubigers nur möglich, wenn die dort vorgesehene Monatsfrist eingehalten ist. Der Schuldner kann die weitere Entwicklung nicht abwarten. Das Rechtsschutzbedürfnis muss deshalb bejaht werden, wenn eine Vollstreckungsmöglichkeit nach Aufhebung des Verfahrens nicht sicher ausgeschlossen ist.
16(1) Grundsätzlich führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zur Auflösung der Gesellschaft. Diese kann jedoch fortgesetzt werden, wenn das Verfahren auf Antrag der Schuldnerin eingestellt wird oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht, aufgehoben wird. Die Auffassung des Berufungsgerichts läuft darauf hinaus, der Gesellschaft die Abwehr nach ihrer Auffassung unberechtigter Forderungen mit der Begründung zu verweigern, sie könne auf die Fortsetzung ihrer werbenden Tätigkeit verzichten und der Vollstreckung auf diese Weise die Grundlage entziehen. Dies ist mit der Rechtsschutzgewährungspflicht des Staates unvereinbar.
17Solange die Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft nicht ausgeschlossen ist, kann ein Rechtsschutzbedürfnis der Gesellschaft, den vorläufig vollstreckbaren Titel zu beseitigen, nicht verneint werden (vgl. MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO § 184 Rn. 8a). Für die Rechtsverteidigung gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil muss das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich bejaht werden. Nur wenn abschließend feststeht, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vollstreckt werden kann, ist das Feststellungsinteresse zu verneinen. Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes ist die Klagepartei, die den Schuldner mit der Klage in Anspruch genommen hat. Dass die Möglichkeit der Fortsetzung vorliegend bereits jetzt ausgeschlossen wäre, hat der Kläger nicht dargelegt.
18(2) Die Revision weist zudem zutreffend darauf hin, dass eine Nachhaftung auch deshalb nicht ausgeschlossen ist, weil der Insolvenzverwalter befugt ist, Gegenstände der Masse freizugeben.
19Die aufgelöste Gesellschaft tritt in das Stadium der Liquidation ein. Die Auflösung ist aber nicht mit der Vollbeendigung der Gesellschaft gleichzusetzen (K. Schmidt/Bitter in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rn. 5; Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 20. Aufl., § 60 Rn. 2, 42). Es ist deshalb auch bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH nicht ausgeschlossen, dass insolvenzfreies Vermögen durch die Freigabe von Gegenständen der Masse entsteht (, BGHZ 163, 32, 34 ff). In diesem Fall erlischt insoweit der Insolvenzbeschlag und die Schuldnerin erhält ihre Verfügungsbefugnis zurück. Grundsätzlich wird zwar nur die Freigabe wertloser oder die Masse belastender Gegenstände in Betracht kommen. Das schließt es aber nicht aus, dass der Verwalter in falscher Einschätzung der Sach- oder Rechtslage auch werthaltige Gegenstände freigibt. Diese Freigabe ist wirksam, sofern sie nicht ausnahmsweise wegen Insolvenzzweckwidrigkeit nichtig ist (vgl. dazu , ZIP 2013, 531 Rn. 9 mwN). Während der Dauer des Insolvenzverfahrens kann zwar gemäß § 89 Abs. 1 InsO nicht in den freigegebenen Vermögensgegenstand vollstreckt werden (, ZIP 2007, 2330 Rn. 8). Möglich ist dies aber nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens.
20Dass eine Freigabe massezugehöriger Gegenstände ausgeschlossen wäre, hat die für den Entfall des Rechtsschutzbedürfnisses darlegungspflichtige Klägerin nicht vorgetragen.
21(3) § 184 Abs. 2 InsO ist mit Wirkung vom durch Art. 1 Nr. 23 Buchst. b des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom (BGBl. I S. 509) eingeführt worden. Die Änderung soll es dem Gläubiger ersparen, trotz eines erstrittenen Titels nochmals zu prozessieren und Gefahr zu laufen, seinen Kostenerstattungsanspruch nicht oder nur schwer durchsetzen zu können. Deshalb obliegt es nunmehr dem bestreitenden Schuldner, seinen Widerspruch gegen eine bereits titulierte Forderung zu verfolgen. Um alsbald Rechtsklarheit über die Wirkung des Widerspruchs zu erhalten, wurde zudem die Befristung der Widerspruchsklage vorgesehen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 16/3227 S. 21). Der Schuldner ist somit gezwungen, seine Rechte innerhalb der Frist wahrzunehmen, auch wenn nicht feststeht, ob eine solche Vollstreckung später überhaupt möglich ist (vgl. MünchKomm-InsO/Schumacher, aaO Rn. 8a). Die Regelung dient der Verbesserung der Rechtsstellung der Gläubiger. Dann haben es diese hinzunehmen, dass der Schuldner von der ihm verbleibenden Rechtsschutzmöglichkeit binnen der Monatsfrist Gebrauch macht, auch wenn nicht absehbar ist, ob eine Vollstreckung künftig möglich sein wird. Dass damit aus nachträglicher Sicht vermeidbare Prozesskosten verursacht werden können, ist der vom Gesetzgeber aus anderen Gründen für zweckmäßig gehaltenen Befristung der Rechtsschutzmöglichkeit des Schuldners geschuldet.
III.
22Das in § 240 ZPO geregelte Prozesshindernis besteht nicht mehr. Der Rechtsstreit ist fortzuführen.
23Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Teil der Kosten der Hauptsache (, ZIP 2005, 1034, 1035; insoweit nicht abgedruckt in BGHZ).
Kayser Gehrlein Lohmann
Fischer Pape
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 1985 Nr. 34
DB 2013 S. 8 Nr. 33
GmbH-StB 2013 S. 342 Nr. 11
GmbHR 2013 S. 1147 Nr. 21
NJW 2013 S. 6 Nr. 37
NJW-RR 2013 S. 1268 Nr. 20
WM 2013 S. 1563 Nr. 33
ZIP 2013 S. 1640 Nr. 34
TAAAE-42363