Wohnraummiete: Schadensersatzanspruch des Mieters trotz formell mangelhafter fristloser Kündigung wegen Schimmelbefalls der Wohnung
Leitsatz
Die Kündigung eines Mietverhältnisses, die von einem sachlichen Grund zur fristlosen Kündigung getragen ist, steht, auch wenn sie an einem formellen Mangel leidet, einem auf § 536a Abs. 1 BGB gestützten Ersatz derjenigen Schäden nicht entgegen, die darauf beruhen, dass der Mieter bestehende Mängel der Mietwohnung berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung anzumieten (Fortführung des Senatsurteils vom , VIII ZR 281/06, WuM 2007, 570).
Gesetze: § 536a Abs 1 BGB
Instanzenzug: LG Wiesbaden Az: 3 S 127/11vorgehend AG Wiesbaden Az: 93 C 3367/10 (40)
Tatbestand
1Die Kläger, die im Jahre 2003 eine in W. gelegene Wohnung der Beklagten gemietet haben, machen neben einem Kautionsrückzahlungsanspruch und einem Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten Schadensersatz geltend, den sie darauf stützen, dass sie aufgrund von Schimmelbildung in der Mietwohnung zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen seien. Nachdem sie Anfang Januar 2010 einen Schimmelbefall bemängelt und die Beklagte unter Fristsetzung bis zum vergeblich zur Beseitigung aufgefordert hatten, verlangten sie mit Anwaltsschreiben vom erneut eine Beseitigung des Schimmelbefalls bis zum und drohten für den Fall der Fristversäumung die Kündigung des Mietverhältnisses an. Ob diesem Schreiben eine Originalvollmacht des Rechtsanwalts beigefügt war, ist streitig. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom kündigten sie das Mietverhältnis wegen der in ihren Ursachen streitigen Schimmelbildung fristlos, hilfsweise ordentlich zum . Die Beklagte ließ diese Kündigung mit Schreiben vom unter anderem deshalb zurückweisen, weil der Kündigung unstreitig keine Vollmacht beigelegen hat.
2Die Kläger räumten die Wohnung am und bezogen eine zwischenzeitlich angemietete andere Wohnung. Den ihnen hierdurch entstandenen Schaden einschließlich einer Mietdifferenz für die ersten drei Monate beziffern sie auf 5.946,31 € zuzüglich der Kosten für die vorgerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens in Höhe von 2.191,31 € zur Feststellung des Schimmelbefalls und seiner Ursachen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.177,62 €, und zwar jeweils nebst Zinsen. Darüber hinaus wollen sie eine Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz eines Mietdifferenzschadens von monatlich 140 € für mindestens drei Jahre festgestellt wissen. Ferner begehren sie die Rückzahlung der von ihnen in Höhe von 1.480 € geleisteten Mietkaution nebst Zinsen; hiergegen rechnet die Beklagte ihrerseits mit Nachzahlungsansprüchen aus einer früheren Nebenkostenabrechnung sowie rückständigen Mietzinsansprüchen für die Zeit ab März 2010 auf.
3Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Gründe
4Die Revision hat Erfolg.
I.
5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
6Es könne dahin stehen, ob überhaupt ein Mangel der Mietsache durch den Schimmel vorliege und ob dieser Mangel von Anfang an vorhanden gewesen sei. Zwar könne ein Kündigungsfolgeschaden unter Umständen durchaus unter den nach § 536a BGB zu ersetzenden Schaden fallen. Logische Voraussetzung für einen Kündigungsfolgeschaden sei aber - wovon offensichtlich auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom (VIII ZR 281/06) ausgegangen sei - eine wirksame Kündigung des Mieters aufgrund des Schadens. An einer solchen wirksamen Kündigung fehle es hier, weil die Beklagte die durch Anwaltsschreiben erklärte Kündigung der Kläger vom wegen der fehlenden Beifügung einer Originalvollmacht gemäß § 174 BGB unverzüglich zurückgewiesen habe.
II.
7Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der von den Klägern begehrte Schadensersatz ungeachtet der von ihnen geltend gemachten Mängel der Mietwohnung und der hierauf gestützten Kündigung allein schon daran scheitere, dass die Kündigung aus einem formellen Grund nicht wirksam ausgesprochen worden sei.
81. Nach § 536a Abs. 1 BGB kann der Mieter wegen eines Mangels der Mietsache, der bei Vertragsschluss vorhanden ist, später wegen eines Umstands entsteht, den der Vermieter zu vertreten hat, oder mit dessen Beseitigung der Vermieter in Verzug gekommen ist, unbeschadet seiner Rechte aus § 536 BGB Schadensersatz verlangen. Das Berufungsgericht hat es - nach seinem Standpunkt folgerichtig - dahin stehen lassen, ob die Mieträume wegen einer von Anfang an in bauseitigen Ursachen angelegten Schimmelbildung mängelbehaftet sind. Für das Revisionsverfahren sind deshalb das Vorhandensein dieser Mängel und die nach den Behauptungen der Kläger davon ausgehende Gesundheitsgefahr zu unterstellen. Da die Beklagte ihre Verantwortlichkeit für die zu unterstellenden Mängel in Abrede genommen hat und eine ihr zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist fruchtlos hat verstreichen lassen, ist damit zugleich von einem Recht der Kläger auszugehen, den Mietvertrag gemäß § 543 Abs. 1 und 3, § 569 Abs. 1 BGB fristlos zu kündigen.
92. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hängt die Ersatzpflicht für die geltend gemachten Schäden, auch soweit es um diejenigen Schadensposten geht, welche durch den - unterstellt - mangelbedingten Umzug der Kläger in eine andere Wohnung veranlasst sind, nicht von der Wirksamkeit des Ausspruchs der danach an sich berechtigten Kündigung der Kläger ab. Das Erfordernis der Wirksamkeit des Kündigungsausspruchs unabhängig vom Vorliegen eines Kündigungsgrundes ergibt sich - anders als das Berufungsgericht meint - insbesondere nicht aus dem von ihm in Bezug genommenen Senatsurteil vom (VIII ZR 281/06, WuM 2007, 570 Rn. 9). Soweit dort ausgeführt ist, dass nach der ständigen, im Einzelnen näher bezeichneten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Mietvertragspartei, die durch eine von ihr zu vertretende Vertragsverletzung die andere Partei zu einer wirksamen außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages veranlasst hat, dieser Partei zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet ist, ist es - genauso wie in weiteren Fallgestaltungen (vgl. , WuM 1974, 213 unter II 1; vom - VIII ZR 138/91, BGHZ 118, 282, 294 f.) - immer nur um Fragen des Kündigungsgrundes und der Ersatzpflicht für hierdurch verursachte Schäden gegangen. Mit der Frage, ob zusätzliche Voraussetzung für eine Ersatzpflicht auch die formell wirksame Ausübung eines gegebenen Kündigungsrechts ist, hat sich der Senat indessen nicht befasst.
10Diese Frage entscheidet der Senat nunmehr dahin, dass die von einem sachlichen Grund zur fristlosen Kündigung getragene Kündigung eines Mietverhältnisses, auch wenn sie - wie hier - an einem formellen Mangel leidet, einem auf § 536a Abs. 1 BGB gestützten Ersatz derjenigen Schäden nicht entgegen steht, die darauf beruhen, dass der Mieter bestehende Mängel der Mietwohnung berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung anzumieten. Für eine zusätzliche Einschränkung der Ersatzpflicht des Vermieters dahingehend, dass diese ungeachtet des Kündigungsgrundes, der dadurch herausgeforderten Anmietung der Ersatzwohnung und einer damit einhergehenden Freigabe der bisherigen Wohnung erst mit Ausspruch einer auch formell in jeder Hinsicht wirksamen Kündigung entstehen soll, gibt der Wortlaut des § 536a Abs. 1 BGB nichts her. Dieser knüpft für die Schadensersatzpflicht des Vermieters vielmehr nur an das sachliche Vorliegen der dort beschriebenen Mängel oder den Verzug mit der Mängelbeseitigung und einen dadurch verursachten Schaden an.
III.
11Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zum Vorhandensein der behaupteten Mängel und deren Kündigungserheblichkeit getroffen hat. Ebenso wenig hat es bislang Feststellungen zum (Fort-)Bestand des Mietverhältnisses und einer davon abhängigen Fälligkeit des Kautionsguthabens sowie zu Bestand und Höhe der dagegen zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen getroffen. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ball Dr. Hessel Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Bünger
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2013 S. 2660 Nr. 36
AAAAE-42339