Zwangsvollstreckung wegen nicht vertretbarer Handlung aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch: Berücksichtigung des Erfüllungseinwands
Leitsatz
Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist grundsätzlich auch im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO zur Durchsetzung eines für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs zu berücksichtigen.
Gesetze: § 888 ZPO, § 1062 Abs 1 Nr 4 Alt 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 34 Sch 32/11 Beschluss
Gründe
1I. Die Parteien sind Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltssozietät. Sie haben im Sozietätsvertrag folgende Schiedsvereinbarung getroffen:
Streitigkeiten aus dem Sozietätsvertrag, aus Gewinnverteilungsverträgen oder aus Anteilsübernahmeverträgen werden unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch einen Schiedsrichter entschieden. Zu diesen Streitigkeiten gehören auch alle Auseinandersetzungen um das Zustandekommen vorerwähnter Verträge.
2Der Gläubiger hat gegen den Schuldner in einem schiedsrichterlichen Verfahren einen Teil-Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom erwirkt. Danach hat der Schuldner dem Gläubiger - näher bezeichnete - Auskünfte über den Bestand sämtlicher Bankkonten und Buchhaltungskonten der Rechtsanwaltssozietät zu erteilen. Das Oberlandesgericht hat diesen Teil-Schiedsspruch durch Beschluss vom für vollstreckbar erklärt.
3Der Gläubiger hat beantragt, gegen den Schuldner wegen Nichterteilung der Auskünfte nach § 888 ZPO Zwangsmittel festzusetzen.
4Der Schuldner ist dem entgegengetreten und hat Erfüllung der Auskunftspflicht eingewandt.
5Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln zurückgewiesen, soweit der Schuldner die verlangten Auskünfte nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien erteilt hat. Dagegen hat es dem Antrag stattgegeben, soweit die Erfüllung der Auskunftspflicht zwischen den Parteien streitig ist. Dazu hat es ausgeführt, bei Schiedssachen sei der Erfüllungseinwand im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO nicht zu berücksichtigen; die - weit auszulegende - Schiedsvereinbarung umfasse den Erfüllungseinwand.
6Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die vollständige Zurückweisung des Zwangsmittelantrags.
7II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und gemäß § 575 ZPO auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung kann der Erfüllungseinwand des Schuldners nicht zurückgewiesen und dem Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln daher nicht stattgegeben werden.
81. Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist grundsätzlich auch im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch zu berücksichtigen.
9a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Schuldner nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO mit seinem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt ( IXa ZB 32/04, BGHZ 161, 67, 71 ff.; Beschluss vom - I ZB 4/05, juris Rn. 7; Beschluss vom - I ZB 67/09, JurBüro 2009, 662 Rn. 7; Beschluss vom - I ZB 67/09, NJW-RR 2011, 470 Rn. 11). Das gilt gleichermaßen für das - hier in Rede stehende - Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO (, juris Rn. 18 mwN; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom - 13 Sch 1/10, juris Rn. 7; Zöller/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 888 Rn. 11; Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl., § 888 Rn. 8).
10Für die Prüfung des Erfüllungseinwands in Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO statt erst bei der Vollstreckungsgegenklage kann - unter anderem - die Prozessökonomie sprechen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist - soweit nötig - in beiden Verfahren möglich und liegt stets in den Händen des Prozessgerichts. Dieses ist im Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO ohnehin grundsätzlich verpflichtet, Beweis zu erheben. Das Vollstreckungsverfahren würde durch die Verweisung des Schuldners auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage auch nicht beschleunigt. Bei Erhebung der Vollstreckungsgegenklage müsste dem Schuldner unter Umständen Vollstreckungsaufschub nach § 769 ZPO gewährt werden und würde das Verfahren angesichts der einzuhaltenden Fristen letztlich verzögert. Die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen dem entsprechen, was der Titel ihm gebietet, kann das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht aufgrund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits zudem am ehesten entscheiden (vgl. BGHZ 161, 67, 72 f.).
11b) Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist im Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888 ZPO grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch betreibt.
12aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch innerhalb des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (vgl. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) zulässig, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte (, NJW-RR 2008, 659 Rn. 31; Beschluss vom - III ZB 57/10, NJW-RR 2011, 213 Rn. 8 f. mwN).
13Es wäre nicht sinnvoll, wenn der Schuldner in solchen Fällen die Vollstreckbarerklärung hinnehmen und wegen seiner Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO anhängig machen müsste; vielmehr ist es im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung Einwendungen zuzulassen, die an sich zum Anwendungsbereich der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gehören (BGH, NJW-RR 2008, 659 Rn. 31 mwN).
14bb) Sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den Schiedsspruch können aber auch im Verfahren zur Durchsetzung des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs vorgebracht werden.
15Dafür kann allerdings nicht angeführt werden, die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen dem entsprechen, was der Titel ihm gebiete, könne am ehesten vom Oberlandesgericht als Vollstreckungsgericht aufgrund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits entschieden werden (vgl. oben Rn. 10 aE). Das Oberlandesgericht ist im Erkenntnisverfahren nicht mit dem Rechtsstreit befasst gewesen und hat von daher auch keine Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits. Für eine Zulassung sachlich-rechtlicher Einwendungen im Verfahren zur Durchsetzung des Schiedsspruchs sprechen jedoch die anderen Gründe, die der Bundesgerichtshof bereits in seinen früheren Entscheidungen als maßgeblich angesehen hat (vgl. BGHZ 161, 67, 71 ff.; BGH, NJW-RR 2008, 659, 662 Rn. 31).
16So hängt die Vollstreckung gemäß § 887 ZPO schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift davon ab, dass der Schuldner seine Verpflichtung zur Vornahme einer (vertretbaren) Handlung nicht erfüllt. Der Wortlaut des § 888 ZPO knüpft an den des § 887 ZPO an. Die Vollstreckung nach § 888 ZPO setzt daher gleichfalls voraus, dass der Schuldner seine - auf die Vornahme einer (nicht vertretbaren) Handlung gerichtete - Verpflichtung nicht erfüllt.
17Dass der Erfüllungseinwand in Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO als erheblich anzusehen sein soll, ergibt sich ferner aus der Begründung des Regierungsentwurfs zur Neufassung der Kostenvorschrift des § 891 Satz 3 ZPO durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle vom (BGBl. I S. 3039). Danach soll diese Neufassung der Möglichkeit Rechnung tragen, dass Vollstreckungsanträge des Gläubigers etwa nur deshalb teilweise erfolgreich sind, weil der Schuldner nachweist, dass er die vertretbare oder unvertretbare Handlung teilweise erfüllt hat (vgl. BT-Drucks. 13/341, S. 41).
18Schließlich ist es auch im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, sachlich-rechtliche Einwendungen, auf die eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte, bereits im Verfahren zur Durchsetzung des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs zuzulassen und den Schuldner nicht auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage zu verweisen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist, soweit nötig, in beiden Verfahren möglich. Das Vollstreckungsverfahren würde auch nicht beschleunigt, sondern könnte eher verzögert werden, wenn der Schuldner auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage verwiesen würde (vgl. BGHZ 161, 67, 72 f.).
19cc) Abweichendes gilt im Schiedsverfahren allerdings, wenn der geltend gemachte Einwand seinerseits der Schiedsabrede unterliegt. In diesem Fall ist nicht das Oberlandesgericht, sondern das Schiedsgericht zur Entscheidung berufen (, BGHZ 99, 143, 146 ff.; Beschluss vom - III ZR 194/94, NJW-RR 1996, 508; BGH, NJW-RR 2008, 659 Rn. 19; NJW-RR 2011, 213 Rn. 10; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom - 13 Sch 1/10, juris Rn. 8).
202. Nach diesen Maßstäben kann der Erfüllungseinwand des Schuldners nicht mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung zurückgewiesen werden. Der Erfüllungseinwand ist grundsätzlich auch im hier in Rede stehenden Verfahren zur Durchsetzung eines für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs zu berücksichtigen. Abweichendes gilt zwar, wenn der Erfüllungseinwand der Schiedsabrede unterliegt. Die Annahme des Oberlandesgerichts, die - weit auszulegende - Schiedsvereinbarung umfasse den Erfüllungseinwand, entbehrt aber einer tragfähigen Grundlage.
21Die Auslegung eines Schiedsvertrags durch den Tatrichter kann vom Rechtsbeschwerdegericht zwar nur beschränkt überprüft werden (BGHZ 99, 143, 150). Das Oberlandesgericht hat seine Auffassung, die Schiedsvereinbarung umfasse den Erfüllungseinwand, jedoch nicht begründet. Seine Beurteilung entbehrt daher einer tragfähigen Grundlage und kann schon deshalb keinen Bestand haben. Nach ihrem Wortlaut erfasst die Schiedsvereinbarung (lediglich) - dem Erkenntnisverfahren zuzuordnende - Streitigkeiten aus dem Sozietätsvertrag, aus Gewinnverteilungsverträgen oder aus Anteilsübernahmeverträgen einschließlich aller Auseinandersetzungen um das Zustandekommen dieser Verträge. Dass die Schiedsvereinbarung sich auch auf das Zwangsvollstreckungsverfahren und Streitigkeiten über den Erfüllungseinwand erstreckt, erschließt sich aus dem Wortlaut nicht und kann auch im Übrigen nicht ohne Weiteres angenommen werden.
22IV. Danach ist auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr zu prüfen haben, ob sich aus den bei der Auslegung der Schiedsvereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB zu berücksichtigenden Umständen ergibt, dass diese sich auf im Rahmen der Zwangsvollstreckung auftretende Streitigkeiten über die Frage der Erfüllung erstreckt.
Bornkamm Schaffert Kirchhoff
Koch Löffler
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 1857 Nr. 32
BB 2013 S. 2323 Nr. 39
NJW 2013 S. 8 Nr. 33
NJW-RR 2013 S. 1336 Nr. 21
WM 2013 S. 1611 Nr. 34
RAAAE-41892