Leistungsbonus - Auslegung eines Arbeitsvertrags - billiges Ermessen
Gesetze: § 315 Abs 1 BGB, § 315 Abs 3 S 2 BGB, § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 2 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 308 Nr 4 BGB
Instanzenzug: Az: 38 Ca 3536/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 10 Sa 210/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über eine Bonuszahlung für das Jahr 2008.
2Die Beklagte ist Mitte 2009 aus dem Zusammenschluss der H Bank AG und der D AG entstanden. Sie gehört zur H-Group (H-Gruppe). Diese besteht aus der H Holding AG, der Beklagten, der DE BANK plc, Dublin (Irland) sowie deren Tochtergesellschaften.
3Der Kläger trat am in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten und war bis zu seinem Ausscheiden Ende Oktober 2009 als Kundenbetreuer beschäftigt.
4Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses war zuletzt ein zwischen den Parteien im April 2005 geschlossener Dienstvertrag, in dem es ua. wie folgt heißt:
5In der zuletzt geltenden einschlägigen Betriebsvereinbarung vom (BV 2005) ist ua. Folgendes bestimmt:
6Der Kläger erhielt für das Jahr 2005 einen Bonus iHv. 8.000,00 Euro, für das Jahr 2006 iHv. 10.000,00 Euro und für das Jahr 2007 iHv. 20.000,00 Euro.
7Der Bonusbasiswert wurde letztmals für das Geschäftsjahr 2008 auf 15.000,00 Euro festgesetzt. Für dieses Jahr fand am ein Mitarbeitergespräch mit dem Kläger statt, das zu der Gesamtbewertung „Ziele weit übertroffen“ führte.
8Die Rechtsvorgängerin der Beklagten geriet im Zusammenhang mit der weltweiten Bankenkrise in eine finanzielle Schieflage. Im Geschäftsjahr 2008 kam es zu einem Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro; die gesamte H-Gruppe wies einen Fehlbetrag iHv. 5,461 Mrd. Euro aus. Eine Insolvenz wurde nur durch staatliche Unterstützungszahlungen und Garantien in Milliardenhöhe abgewendet. Der H-Gruppe wurden in den Jahren 2008 und 2009 kurz- und mittelfristig Liquiditätshilfen iHv. insgesamt 102 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt, davon 87 Mrd. Euro durch Garantien der Bundesrepublik Deutschland. Zum betrug das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten unmittelbar in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen 6,37 Mrd. Euro.
9Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zahlte bis einschließlich September 2008 an ausscheidende Mitarbeiter anteilige Boni. Ab stellte sie diese Praxis ein. Am teilte der Vorstand der Bank in einem Mitarbeiterbrief im Intranet mit, für das Geschäftsjahr 2008 werde keine diskretionäre variable Vergütung gezahlt.
10Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe auch für das Jahr 2008 ein Anspruch auf Bezahlung einer variablen Vergütung zu. Er habe im Jahr 2008 die vereinbarten Ziele weit übertroffen, wie sich aus dem Mitarbeitergesprächsprotokoll vom ergebe. Bei einem festgesetzten Basiswert iHv. 15.000,00 Euro und angesichts der Übererfüllung der vereinbarten Ziele ergebe sich daraus eine Bewertung von 200 % und damit ein Anspruch iHv. 30.000,00 Euro brutto. Der Anspruch folge aus II des Dienstvertrags von April 2005. Soweit der Dienstvertrag von den Regelungen der Betriebsvereinbarung abweiche, gehe er vor. Die Zurverfügungstellung eines Bonustopfs sei hier nicht erforderlich. Aber auch nach der Betriebsvereinbarung selbst ergebe sich ein Anspruch des Klägers, weil auch diese nicht allein auf den Erfolg der Bank abstelle. Für die Bonuszahlung genüge allein die Erreichung der Ziele. Mit der Festsetzung des Bonus auf „Null“ habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Allein wegen der schlechten wirtschaftlichen Situation sei auch nicht die Geschäftsgrundlage weggefallen. Schließlich folge ein Anspruch des Klägers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, nachdem im Jahr 2008 ausscheidende Arbeitnehmer eine Bonuszahlung erhalten hätten.
11Der Kläger hat beantragt,
12Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, dem Kläger stehe für das Jahr 2008 keine Bonuszahlung zu. Nachdem sich gezeigt habe, dass ein Überleben ohne massive staatliche Hilfe nicht möglich gewesen sei, sei der Vorstand berechtigt gewesen, im März 2009 zu beschließen, dass es keine Bonuszahlung geben werde. Auch die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes führe nicht zu einem Anspruch des Klägers. Wenn im Jahr 2008 ausgeschiedenen Mitarbeitern noch anteilig Bonusansprüche gezahlt worden seien, so liege dies daran, dass seinerzeit die finanzielle Schieflage noch nicht absehbar gewesen sei.
13Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 15.000,00 Euro brutto für das Jahr 2008 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die allein von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.
Gründe
14Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet.
15I. Der Kläger hat keinen Anspruch aus II des Dienstvertrags von April 2005 iVm. § 315 Abs. 1 BGB.
161. Nach II des Dienstvertrags erhält der Kläger einen Leistungsbonus, der sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank richtet und der jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird.
172. Dieser Anspruch ist auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB gerichtet. Das beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern - im Ausnahmefall - auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen Leistungsbonus zu zahlen.
18a) Der Dienstvertrag von April 2005 enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 ff. BGB. Das steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
19b) Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr., zB - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB - Rn. 19).
20c) Nach II des Dienstvertrags erhält („Sie erhalten …“) der Mitarbeiter einen Leistungsbonus. Grundsätzlich besteht damit ein Anspruch, dieser ist der Höhe nach aber nicht bestimmt. Vereinbart sind die Kriterien für die Bemessung des Bonus, die inhaltlich nicht konkretisiert sind und deren Verhältnis zueinander nicht festgeschrieben ist. Die Auffassung, bei Erfüllung eines der drei Kriterien müsse in jedem Fall ein Mindestbetrag gezahlt werden, steht mit den vertraglichen Vorgaben nicht im Einklang. Sie lassen die Festsetzung auf 0 % ausdrücklich zu, ohne dafür besondere Voraussetzungen zu nennen. Der Vertrag setzt demnach voraus, dass die Ausübung „billigen Ermessens“ auch die Bestimmung des Bonus mit dem Wert „Null“ ermöglichen kann. Für einen verständigen Vertragspartner folgt daraus, dass der Verwender sich ein Leistungsbestimmungsrecht sowohl in Bezug auf die Höhe des Anspruchs als auch in Bezug auf die Gewichtung der Kriterien vorbehalten hat und die Festlegung des jeweiligen Bonus nach billigem Ermessen erfolgen muss.
21d) Die im Vertrag enthaltene Beschreibung der Kriterien für die Bonuszahlung ist allerdings nicht bedeutungslos. Vielmehr setzt sie Maßstäbe für die Ausübung des billigen Ermessens durch den Arbeitgeber. Die im Vertrag genannten Gesichtspunkte sollen bei der Ausübung des Ermessens jedenfalls erwogen werden. Denn nach II des Dienstvertrags „richtet“ sich der Leistungsbonus nach den Bemessungskriterien. An diese Vorgaben ist die Beklagte gebunden. Haben die Vertragsparteien - zB durch eine Zielvereinbarung - die Voraussetzungen für die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung abschließend vereinbart, so kann sich der Arbeitgeber von der Zahlungspflicht nicht mehr einseitig durch anderweitige Leistungsbestimmung befreien ( - Rn. 22). Nach dem Dienstvertrag der Parteien entspricht die Leistungsbestimmung regelmäßig nur dann billigem Ermessen, wenn vereinbarte und erreichte persönliche Ziele ihren angemessenen Ausdruck in dem festgelegten Leistungsbonus finden. Eine Leistungsbestimmung auf „Null“ kann also nur dann billiges Ermessen wahren, wenn für eine vom Regelfall abweichende Gewichtung vereinbarter Kriterien ausnahmsweise besonders wichtige Gründe sprechen.
223. Mit diesem Inhalt hält II des Dienstvertrags einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand.
23a) Die Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
24aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen ( - Rn. 14, BAGE 135, 250). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (st. Rspr., zB - Rn. 29, BAGE 138, 80).
25bb) Diese Gefahr besteht nicht. Der Dienstvertrag bestimmt eindeutig, dass nach billigem Ermessen über den Leistungsbonus zu entscheiden ist und welche Faktoren in seine Bemessung einfließen. Dass sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Bestimmung der Leistung vorbehalten hat, macht die Vereinbarung nicht unklar. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausübung des billigen Ermessens, den er gerichtlich durchsetzen kann (§ 315 Abs. 3 BGB).
26b) II des Dienstvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSv. § 308 Nr. 4 BGB.
27aa) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach § 315 ff. BGB fallen aber nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen ( - Rn. 32; - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 158, 149).
28bb) So ist es hier. Der Anspruch ist auf Festlegung des Leistungsbonus nach billigem Ermessen unter Beachtung vertraglich vereinbarter Vorgaben gerichtet. Ein Recht zur Änderung bereits zugesagter Leistungen ist nicht vereinbart.
29c) II des Dienstvertrags enthält keine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.
30aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen ( - Rn. 33; - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f.; - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
31bb) Die Beklagte hat sich zur Zahlung eines Leistungsbonus nach billigem Ermessen verpflichtet und nicht das Recht vorbehalten, Vergütungschancen zu entziehen. Es ist zwar möglich, dass sich das Verhältnis zwischen festen und variablen Bezügen zugunsten der Festbezüge verschiebt, wenn der variable Teil aufgrund schlechter individueller Leistung und/oder schlechter wirtschaftlicher Situation niedrig festgesetzt wird. Auch in diesem Fall ist die Beklagte aber verpflichtet, den Leistungsbonus nach billigem Ermessen festzusetzen, und unterliegt die Leistungsbestimmung der vollen gerichtlichen Kontrolle (st. Rspr., zB - Rn. 46).
32cc) Die vertragliche Regelung weicht nicht vom Gesetz ab, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Das Gesetz sieht die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass dies einem rechtlichen Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen kann und deshalb nicht von vornherein unangemessen ist. § 315 BGB ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und sie gegebenenfalls durch Urteil ersetzen lassen kann. Damit sind gegenüber einer Gefährdung des Gläubigers Vorkehrungen getroffen ( - Rn. 43). Hinzu kommt, dass das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nur einen Teil der vereinbarten Vergütung betrifft. Das in monatlichen Teilbeträgen auszukehrende Grundgehalt und eine weitere Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts sind im Dienstvertrag fest vereinbart. Der Kernbereich des Austauschverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung wird damit durch die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB nicht berührt.
334. Der Anspruch des Klägers auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 BGB). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den Leistungsbonus für das Jahr 2008 ermessensfehlerfrei auf „Null“ festgesetzt und damit den Anspruch des Klägers erfüllt. Die getroffene Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB).
34a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. - Rn. 26; - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. - zu B II 3 b aa der Gründe). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen (vgl. - Rn. 90; - zu II 2 c aa der Gründe mwN, BGHZ 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. - Rn. 28; - Rn. 20, BGHZ 174, 48).
35b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. - Rn. 29). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten ( - zu B IV 1 der Gründe; zur Kontroverse über den Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung: GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10).
36c) Diesen Maßgaben wird die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgenommene Leistungsbestimmung für den Leistungsbonus für das Jahr 2008 gerecht.
37aa) Die Leistungsbestimmung war über die Vorgaben des Dienstvertrags hinaus an die Regelungen der BV 2005 gebunden. Vorgaben für die Ausübung des billigen Ermessens iSv. § 315 BGB können sich aus vertraglichen (vgl. - Rn. 21) oder aus kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben, vorliegend aus der BV 2005. Die vorher geltende Betriebsvereinbarung ist durch die BV 2005 abgelöst worden und hat im Streitzeitraum keine Rechtswirkungen mehr entfaltet (sog. Ablösungsprinzip; st. Rspr., vgl. - Rn. 34; - 1 AZR 573/01 - zu I 2 a der Gründe mwN, BAGE 103, 187). Die BV 2005 begründet keinen Anspruch auf Zahlung eines bestimmten Leistungsbonus, sie bestimmt vielmehr das Verfahren zur Festlegung der individuellen Höhe eines Leistungsbonus auf der Grundlage eines im Arbeitsvertrag zugesagten Basiswerts. Nach C V Abs. 1 der BV 2005 hängt die Höhe des individuellen Bonus von der Höhe des jährlichen Bonustopfs ab, der vom Gesamtbankerfolg bestimmt wird. Auch nach der BV 2005 können deshalb die Kriterien zur Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gewichtet werden und besteht kein unbedingter Anspruch bei Teilerreichung von Zielen.
38bb) Die Leistungsbestimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten entspricht den vertraglichen Vorgaben des Dienstvertrags und den kollektivrechtlichen Vorgaben der BV 2005, auch wenn am ein Mitarbeitergespräch stattfand, das zu der Gesamtbewertung „Ziele weit übertroffen" führte. Die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ trotz Erreichung vereinbarter persönlicher Ziele könnte bei einem negativen Ergebnis der Bank im Rahmen „normaler“ Schwankungsbreiten zwar billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB widersprechen; für das Geschäftsjahr 2008 haben aber besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände vorgelegen, die ausnahmsweise die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ gerechtfertigt haben. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro, die H-Gruppe sogar einen solchen iHv. 5,461 Mrd. Euro ausgewiesen. Die H-Gruppe ist nur durch Liquiditätshilfen in den Jahren 2008 bis 2009 iHv. 102 Mrd. Euro gerettet worden; allein das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen betrug zum 6,37 Mrd. Euro. Dies zeigt, dass sich im Geschäftsjahr 2008 nicht die im Dienstvertrag vorausgesetzten und vom Arbeitgeber gegebenenfalls selbst zu tragenden Risiken einer „normalen“ negativen Geschäftsentwicklung verwirklicht haben. Die Risiken übertrafen auch bei Weitem die typischerweise mit einer Insolvenz einhergehenden Gefährdungen, weil sie nicht nur Gläubiger der Bank betrafen, sondern das gesamte Bankensystem. Die Rettung von Banken diente nicht der Sicherung von Vergütungsansprüchen ihrer Arbeitnehmer, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Abwehr schwerer Gefahren für die Volkswirtschaft (vgl. - Rn. 50). Es bestand deshalb eine Ausnahmesituation, die es auch unter Berücksichtigung der guten Leistungen des Klägers nicht unangemessen erscheinen lässt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Leistungsbonus auf „Null“ festgesetzt hat.
39II. Der Kläger hat keinen Anspruch wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, obwohl an Mitarbeiter, die im Geschäftsjahr 2008 ausgeschieden sind, bis Anfang September anteilige Boni ausgekehrt wurden.
401. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit ist der Gleichbehandlungsgrundsatz auch bei der Zahlung der Arbeitsvergütung anwendbar, wenn diese durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben wird oder der Arbeitgeber die Leistung nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (st. Rspr., vgl. - Rn. 12, BAGE 137, 339; - 5 AZR 168/09 - Rn. 14). Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer erlaubt aber noch nicht den Schluss, diese bildeten eine Gruppe. Eine Gruppenbildung liegt erst dann vor, wenn die Besserstellung nach bestimmten Kriterien vorgenommen wird, die bei allen Begünstigten vorliegen ( - Rn. 79).
412. Die Voraussetzungen eines Anspruchs wegen der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind nicht dargelegt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind Zahlungen an ausscheidende Mitarbeiter, die nach B II 2 Abs. 3 der BV 2005 dem Grunde nach auch vorgesehen sind, durch Anweisung der Personalleiterin mit E-Mail vom zu dem Zeitpunkt eingestellt worden, in dem die Krise erkennbar wurde. Bei der Entscheidung über einen Anspruch des Klägers und der anderen nicht ausgeschiedenen Mitarbeiter stellte sich die wirtschaftliche Situation grundlegend anders dar; die Besserstellung der ausscheidenden Mitarbeiter beruhte ausschließlich auf der zum Zeitpunkt des Ausscheidens fehlenden Absehbarkeit der späteren desaströsen Lage und damit auf einer anderen Tatsachengrundlage. Eine sachfremde Gruppenbildung liegt danach nicht vor.
423. Unerheblich ist, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten bei der Entscheidung über einen Bonus aufgrund der Staatshilfen wieder zahlungsfähig war. An der maßgeblichen wirtschaftlichen Lage der H-Gruppe hat sich dadurch nichts geändert.
43III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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YAAAE-41881