Leitender Sportlehrer Bundeswehr - Überleitung in die Entgeltgruppen des TVöD - Zusage eines übertariflichen Anspruchs im Arbeitsvertrag
Gesetze: § 23 TVÜ-Bund, § 4 Abs 1 TVÜ-Bund, § 133 BGB, § 157 BGB
Instanzenzug: Az: 9 Ca 2501/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 4 Sa 1147/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 4 Sa 1147/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung des Klägers.
2Der Kläger ist Diplom-Sportwissenschaftler und seit August 1998 bei der Beklagten im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung als „Leitender Sportlehrer“ für den süddeutschen Raum beschäftigt. Ihm sind zehn Sportlehrer unterstellt, die an verschiedenen Standorten der Bundeswehr Zeit- und Berufssoldaten insbesondere in Basissportarten trainieren und ausbilden. Er erteilt zudem selbst Sportunterricht, ist für die Infrastruktur (Instandhaltung von Sportstätten/-plätzen) des Wehrbereichskommandos IV zuständig und berät Dienststellenleiter bei der Sportausbildung.
3Im schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom ist in § 2 geregelt:
4Der Kläger erhielt nach einem Bewährungsaufstieg aus der VergGr. IIb der Anlage 1a zum BAT eine Vergütung nach der VergGr. IIa BAT. Nach Inkrafttreten des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst des Bundes (TVöD) erhielt er ein Entgelt nach der Entgeltgruppe (EG) 12 TVöD. Nach einem Einspruch des Klägers teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom mit,
5Ihm wurde rückwirkend ein Entgelt nach der EG 13 TVöD gezahlt.
6Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass
7Für die Monate Juni bis November 2009 forderte die Beklagte die Differenzbeträge zurück und rechnete mit ihnen auf.
8Nach erfolgloser Geltendmachung hat der Kläger mit seiner Klage ein Entgelt nach der EG 13 Stufe 5 TVöD und Nachzahlungen von monatlichen Entgeltdifferenzen iHv. 95,38 Euro brutto für die Monate Dezember 2009 bis August 2010 gefordert. Er hat die Auffassung vertreten, nach § 4 Abs. 1 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) hätte eine Überleitung aus der VergGr. IIa BAT in die EG 13 TVöD erfolgen müssen. Auch habe die Beklagte ihm einzelvertraglich mit dem Schreiben vom eine Vergütung nach dieser Entgeltgruppe zugesagt.
9Der Kläger hat zuletzt beantragt,
10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Forderung des Klägers ergebe sich aus keinem der angeführten Gründe. Die Überleitungsbestimmung in § 4 Abs. 1 TVÜ-Bund werde von der Sonderregelung in § 23 TVÜ-Bund iVm. Nr. 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund verdrängt.
11Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit in der Revisionsinstanz von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Gründe
12Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.
13I. Die Feststellungsklage ist nach ständiger Rechtsprechung als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig. Da sich die Höhe der begehrten Vergütungsverpflichtung nicht nur nach der Entgeltgruppe, sondern auch nach der Entgeltstufe bestimmt, entspricht die Nennung der Stufe der EG 13 TVöD dem Feststellungsinteresse des Klägers, den Eingruppierungsstreit zwischen den Parteien abschließend zu klären (ua. - Rn. 14).
14II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Entgelt nach der EG 13, Stufe 5 TVöD und die geforderten Entgeltdifferenzen.
151. Ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf ein Entgelt nach der EG 13 TVöD besteht nicht. Er ergibt sich nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom . Entgegen der Auffassung des Klägers hat sich die Beklagte mit diesem Schreiben nicht konstitutiv zu einer von den tarifvertraglichen Vorgaben abweichenden „Überleitung“ in die EG 13 TVöD verpflichtet.
16a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Schreiben vom enthalte keine Zusage eines übertariflichen Anspruchs auf ein Entgelt des Klägers nach der EG 13 TVöD. Vielmehr hebe es mit seinen Formulierungen, eine rechtliche Überprüfung habe ergeben, dass die VergGr. IIa BAT, die vom Kläger zuletzt im Wege des Bewährungsaufstiegs erreicht worden sei, der EG „13“ TVöD „zuzuordnen“ sei, auf einen - vermeintlichen - Normvollzug ab. Zudem liege nach der Rechtsprechung des Senats in der Mitteilung einer Vergütungsgruppe durch den Arbeitgeber regelmäßig - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - keine von den tariflichen Bestimmungen unabhängige, konstitutive Zusage oder ein vertragliches Angebot auf eine bestimmte Vergütung und Entgeltgruppe. Grundsätzlich werde mit einer solchen Mitteilung lediglich deklaratorisch wiedergegeben, welche Entgeltgruppe der Arbeitgeber bei Anwendung der maßgeblichen tariflichen Eingruppierungsbestimmungen im Wege des Normvollzugs als zutreffend ansehe. Auch habe der Kläger keine besonderen Umstände dafür vorgetragen, dass die Beklagte ihm ein übertarifliches Entgelt nach der EG 13 TVöD habe zusagen wollen.
17b) Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden.
18aa) Die Auslegung von individuellen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen, obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten, genauso wie die Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (Palandt/Ellenberger BGB 72. Aufl. § 133 Rn. 3; MüKoBGB/Busche 6. Aufl. § 133 Rn. 50 mwN; so schon - BGHZ 21, 102, 106). Das Revisionsgericht kann eine solche Auslegung durch das Landesarbeitsgericht nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob es materiell-rechtliche Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) eingehalten und richtig angewandt hat, ob gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden ist und ob alle erheblichen Tatsachen für die Auslegung herangezogen worden sind oder gar eine gebotene Auslegung unterlassen worden ist (bspw. - Rn. 17; MüKoBGB/Busche Rn. 71 mwN).
19bb) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand. Die Angriffe der Revision zeigen keinen revisiblen Auslegungsfehler auf.
20(1) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des Senats ein öffentlicher Arbeitgeber wie die Beklagte „im Zweifel“ nur die (Tarif-)Normen vollziehen will und nur bei Vorliegen besonderer Umstände von einer von den tarifvertraglichen Vorgaben abweichenden Eingruppierungsmitteilung mit verpflichtendem Charakter ausgegangen werden kann (vgl. nur - Rn. 25 ff.; - 4 AZR 62/99 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 93, 340, jeweils mwN; für eine im öffentlichen Dienst ungewöhnliche aber mögliche eigenständige Vergütungsregelung vgl. - 4 AZR 345/10 -).
21(2) Das Landesarbeitsgericht hat weiter unter Hinweis auf den Wortlaut des Schreibens, den darin verwendeten Begriffen der „Überleitung“ und „Prüfung“ sowie der Bezugnahme auf eine Zuordnung zu den Entgeltgruppen des Tarifvertrages in nicht zu beanstandender Weise angenommen, das Schreiben vom enthalte keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein von der dargestellten Auslegungsregel abweichendes Vertragsangebot.
22(3) Einen revisiblen Auslegungsfehler hiergegen hat der Kläger nicht aufgezeigt.
23(4) Schließlich ist es entgegen der Auffassung der Revision ohne Bedeutung, dass die beklagte Arbeitgeberin gleichzeitig Tarifvertragspartei des bundesweit geltenden Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes ist. Auch der Arbeitgeber, der Partei eines Haus-/Firmentarifvertrages ist, kann in der konkreten Auslegung und Anwendung des von ihm mit vereinbarten Tarifvertrages einem Irrtum unterliegen. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist grundsätzlich berechtigt, eine fehlerhafte tarifliche Eingruppierung zu korrigieren ( - Rn. 28).
242. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf ein Entgelt nach der EG 13 TVöD gemäß § 4 TVÜ-Bund.
25a) Eine normative Geltung des TVÜ-Bund aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG) ist weder ersichtlich, noch vorgetragen noch festgestellt. Es fehlt bereits an der Darlegung des Klägers zu einer Gewerkschaftsmitgliedschaft.
26b) Eine Eingruppierung des Klägers in der EG 13 TVöD ergibt sich auch nicht aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes und der Anwendung von § 4 TVÜ-Bund. Nach § 23 TVÜ-Bund iVm. Nr. 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund findet für Lehrkräfte des Bundes - wie den Kläger - keine Überleitung in die neuen Entgeltgruppen des TVöD statt.
27aa) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der BAT sowie die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung und damit nachfolgend ab dem ua. auch der TVÜ-Bund Anwendung (zur Rspr. vgl. nur - Rn. 21 ff. mwN). Davon gehen auch die Parteien übereinstimmend aus.
28bb) Im TVÜ-Bund und seinen Anlagen ist die Überleitung in die neuen Entgeltstrukturen ua. wie folgt geregelt:
29cc) Entgegen der Auffassung der Revision besteht danach kein Anspruch auf Überleitung gemäß § 4 Abs. 1 TVÜ-Bund iVm. der Anlage 2 TVÜ-Bund. Dem steht die Sonderregelung des § 23 TVÜ-Bund iVm. Nr. 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund entgegen. Diese Sonderregelung sieht keine Überleitung in den TVöD vor.
30(1) Die Sonderregelung in § 23 TVÜ-Bund iVm. Nr. 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund geht der allgemeinen Bestimmung in § 4 Abs. 1 TVÜ-Bund vor. Sie ist die speziellere Norm und enthält Spezialregelungen für besondere Berufsgruppen im Bereich des Bundes, die die allgemeine tarifliche Überleitung nach §§ 3 ff. TVÜ-Bund verdrängen. Die betroffenen Berufsgruppen werden in der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund ausdrücklich aufgezählt.
31(2) Nr. 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund nennt die „Lehrkräfte des Bundes“. Zu dieser Berufsgruppe gehört der Kläger, darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Seine bisherige Vergütung richtete sich nach den Tätigkeitsmerkmalen in Teil III Abschnitt I - „Sportlehrer an Bundeswehrschulen“ - der Anlage 1a zum BAT, und damit nach besonderen Tätigkeitsmerkmalen iSd. Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT.
32(3) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Regelung in Nr. 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund hinreichend bestimmt. Es wird die Vergütung fortgezahlt, die bisher gezahlt wurde. Nach einer - späteren - Überleitung ist das gezahlte auf das nach einer Überleitung zu zahlende Entgelt anzurechnen.
33(4) Auch die weiteren Einwände der Revision führen zu keinem anderen Ergebnis.
34(a) Einer Anwendung des § 23 TVÜ-Bund iVm. Nr. 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund steht nicht entgegen, dass die Tarifregelung mit einer Niederschriftserklärung verbunden worden ist, die die Revision zutreffend als „Absichtserklärung“ qualifiziert hat. Diese Absicht ist aber - bisher - nicht umgesetzt worden, so dass es bei der tariflichen Regelung Nr. 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund (iVm. § 23 TVÜ-Bund) verbleibt. Auf den rechtlichen Charakter der Niederschriftserklärung kommt es demnach nicht an.
35(b) Der weitere Einwand der Revision, nach dem Willen der Tarifvertragsparteien könne grundsätzlich bei einer Ablösung eines alten durch einen neuen Tarifvertrag keine Verschlechterung eintreten, ist rechtlich unzutreffend. Es ist grundsätzlich Sache der Tarifvertragsparteien, ob und in welcher Art und Weise Tarifregelungen ablöst werden. Zur Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien gehört es, bestehende Tarifnormen auch zu Lasten der Arbeitnehmer verändern zu können ( - Rn. 17; - 4 ABR 14/08 - Rn. 34, BAGE 130, 286; - 4 AZR 172/04 - zu I 3 a der Gründe; - 9 AZR 18/03 - zu A II 4 c bb (1) der Gründe, BAGE 110, 208). Eine Tarifnorm steht immer unter dem Vorbehalt, durch eine nachfolgende tarifliche Regelung aufgehoben und verschlechtert zu werden (vgl. - Rn. 17; - 4 AZR 172/04 - zu I 3 c aa der Gründe; - 10 AZR 501/01 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 100, 377).
36Zudem liegt die hier für die Berufsgruppe der Lehrkräfte des Bundes vereinbarte Sonderregelung, die bisherigen Bezüge als zu verrechnenden Abschlag auf das Entgelt nach einer späteren Überleitung fortzuzahlen, im Rahmen der Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien. Es ist nicht Sache der Gerichte zu überprüfen, ob die Tarifvertragsparteien innerhalb der Grenzen ihrer Tarifautonomie jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben.
37dd) Der geltend gemachte Vergütungsanspruch besteht auch nicht für die Zeit ab dem aufgrund des Änderungstarifvertrages Nr. 4 vom zum TVÜ-Bund. Dieser hat § 23 TVÜ-Bund und Nr. 8 der Anlage 5 zu § 23 TVÜ-Bund unberührt gelassen. Eine Überleitungsvorschrift für die bisher von der Überleitung ausgenommene Berufsgruppe der Lehrkräfte des Bundes ist nicht vereinbart worden.
38III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
JAAAE-41432