Strafverurteilung wegen Mordes: Sicherungsverwahrung neben lebenslanger Freiheitsstrafe
Gesetze: § 66 Abs 3 S 1 StGB, § 211 StGB, Art 2 Abs 2 GG, Art 104 Abs 1 S 1 GG, SichVAbstUmsG
Instanzenzug: LG Bautzen Az: 6 Ks 200 Js 14407/11
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sie erzielt mit der Sachrüge nur einen geringer gewichtigen Teilerfolg.
21. Nach den Feststellungen lernte der wegen Vergewaltigung vorbestrafte Angeklagte nach Vollverbüßung der deswegen verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren im Jahr 2007 die später getötete L. kennen. Die Beziehung war streitbeladen bis hin zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. Gleichwohl wünschte sich L. vom Angeklagten ein Kind und wurde 2009 schwanger. Da der Angeklagte das Kind nicht wollte, verschlechterte sich die Beziehung nochmals gravierend. Im August 2009 schlug der Angeklagte L. und trat sie heftig gegen den Bauch. Deshalb zog sie aus der gemeinsamen Wohnung in Berlin aus und bezog eine Wohnung in Bautzen.
3Am wurde die gemeinsame Tochter geboren. Kurz vor der Geburt hatten L. und der Angeklagte wieder persönlichen Kontakt. Der Angeklagte war bei der Geburt anwesend. Es folgten gegenseitige Besuche an den Wochenenden und gemeinsame Ausflüge. Dennoch war auch diese Zeit geprägt von weiteren Streitigkeiten. L. unterhielt Beziehungen zu mehreren Männern. Dies war für den Angeklagten „schwer zu verkraften“ (UA S. 13). Im September 2011 ging sie eine Beziehung ein, die ernster war als die vorherigen. Vor diesem Hintergrund bedrohte der Angeklagte sie mit einem Messer.
4Am Wochenende vom 16. bis besuchte der Angeklagte L. . Am Sonntagabend kam es zum Streit. Dem Angeklagten wurde dabei bewusst, dass eine Beziehung nicht mehr bestand und der neue Lebensgefährte auch in der Betreuung der Tochter seinen Platz einnahm. „Diese Situation war für den Angeklagten aufgrund seiner Ich-bezogenen Persönlichkeit nicht hinnehmbar“ (UA S. 20). Er schlug L. mit einem Hammer zweimal auf den Kopf. Nachdem sie zu Boden gestürzt war, würgte er sie mit großer Kraftanstrengung und trotz heftiger Gegenwehr, bis sie keine Lebenszeichen mehr von sich gab. Er „hatte die Tat an diesem Abend nicht konkret vorausgeplant, die latente Bereitschaft dazu war in ihm bereits seit einiger Zeit vorhanden und wurde in der sich konkret ergebenden Situation in die Tat umgesetzt“ (UA S. 20).
52. Die Schwurgerichtskammer hat die Tat als Mord bewertet, weil der Angeklagte aus niedrigen Beweggründen gehandelt habe. Sachverständig beraten hat sie angenommen, dass seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit weder ausgeschlossen noch erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Eine kombinierte Persönlichkeitsstörung verbunden mit deutlich geminderter Frustrationstoleranz, verstärkter Kränkbarkeit, Geltungsbedürfnis, begrenzter Konfliktfähigkeit, Verlustangst, Selbstmitleid erreiche nicht die nach §§ 20, 21 StGB erforderliche Schwere.
63. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe ist tragfähig begründet.
7a) Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, d.h. in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2012, 691, und vom – 5 StR 410/05, NStZ-RR 2006, 140, jeweils mwN). Subjektiv muss der Täter die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie – auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie Wut und Eifersucht – in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und zu steuern (st. Rspr.; siehe nur aaO). Gerade bei einer Tötung, die geschieht, weil sich die Intimpartnerin vom Täter abwendet, können tatauslösend und -bestimmend auch Gefühle der Verzweiflung, der inneren Ausweglosigkeit und erlittenen Unrechts sein, die eine Bewertung als „niedrig“ im Sinne der Mordqualifikation fraglich erscheinen lassen (, StV 2001, 228, und vom – 3 StR 11/90, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 18).
8b) Die Annahme des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe durch das Landgericht wird diesen Maßstäben gerecht. Die Schwurgerichtskammer bezieht in ihre Würdigung ein, dass Gefühlsregungen wie Wut und Eifersucht in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht kommen, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren (vgl. aaO). Sie stellt insoweit darauf ab, dass der Angeklagte „das Abwenden der L. von ihm und die neue Beziehung von ihr sowie die Beaufsichtigung des Kindes durch den neuen Partner“ verhindern wollte (UA S. 33). Er habe sie „aus eigensüchtigen Motiven, nämlich aus den narzisstischen Zügen resultierender Wut und Eifersucht“ getötet (UA S. 44). Namentlich vor dem Hintergrund des festgestellten gravierenden, bereits die Trennung begründenden Fehlverhaltens des Angeklagten gegenüber seiner Partnerin im Vorfeld der Tat hält sich dies ungeachtet von deren ambivalentem Verhalten, das ersichtlich auch maßgeblich von einer gewissen Achtung seiner Vaterrolle gegenüber dem gemeinsamen Kind bestimmt war, noch innerhalb des dem Tatgericht zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. , und vom – 5 StR 97/06, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 47).
9c) Auch die subjektive Seite des Mordmerkmals ist rechtsfehlerfrei belegt. Insbesondere erkennt die sachverständig beratene Schwurgerichtskammer, dass die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten der Annahme der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals entgegenstehen kann (vgl. , BGHR StGB § 211 Abs. 2 Niedrige Beweggründe 32, Urteil vom – 5 StR 97/06, aaO). Sie schließt dies indessen mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen aus, weil der Angeklagte, der die Tötung im Vorfeld angekündigt hatte, durchaus in der Lage gewesen war, die maßgeblichen Umstände zu erkennen und seinen Impulsen zu widerstehen (vgl. , BGHSt 28, 210, 212 mwN). Soweit das Landgericht bei der Bewertung der Persönlichkeitsstörung des Angeklagten die einer jugendrechtlichen Sanktion zugrundeliegenden Umstände ungeachtet ihrer Unverwertbarkeit nach §§ 63, 51 BZRG herangezogen hat, schließt der Senat sicher aus, dass sich dies auf die vom Landgericht vorgenommene Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen des Mordmerkmals zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat.
104. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung kann hingegen entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts schon deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht insoweit die nicht verwertbare jugendrechtliche Sanktion heranzieht. Der Senat vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass die Maßregelanordnung hier von vornherein nicht erfolgen kann. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung am (BGBl. I 2012, 2425) ist für „Altfälle“ weiterhin auf der Grundlage des bisherigen Maßstabs strikter Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 128, 326) zu entscheiden (vgl. ). Danach ist die Anordnung von Sicherungsverwahrung auf der Grundlage des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB neben der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe jedenfalls nicht unerlässlich (vgl. – und vom – 2 StR 111/12, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 8; Beschluss vom – 1 StR 558/12). Dies führt zum Wegfall des Maßregelausspruchs.
115. Die Kosten- und Auslagenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Angeklagte mit seinem Rechtsmittel einen ausdrücklich erstrebten Teilerfolg erzielt hat.
Basdorf Sander Schneider
König Bellay
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Fundstelle(n):
LAAAE-41038