Zwangsversteigerungsverfahren: Rückwirkende Genehmigung eines vom vollmachtlosen Vertreter eines Berechtigten gestellten Antrags auf Zuschlagsversagung wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze
Leitsatz
Der in einem Zwangsversteigerungsverfahren namens eines Berechtigten von einem vollmachtlosen Vertreter gestellte Antrag, den Zuschlag wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze zu versagen, kann von dem Berechtigten - sofern der Antrag nicht bereits wegen des Vollmachtsmangels zurückgewiesen worden ist - auch nach dem Schluss der Verhandlung über den Zuschlag mit rückwirkender Kraft genehmigt werden.
Gesetze: § 74a Abs 1 ZVG, § 74a Abs 2 ZVG, § 89 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-9 T 530/10vorgehend AG Frankfurt Az: 844 K 100/08
Gründe
I.
1Die Beteiligte zu 2 betreibt die Zwangsversteigerung des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes. Dessen Wert ist von dem Vollstreckungsgericht auf 1.401.000 € festgesetzt worden. In dem Versteigerungstermin vom blieb die Beteiligte zu 1 Meistbietende mit einem Gebot von 760.000 €. Ein für die Beteiligte zu 2 erschienener Rechtsanwalt beantragte, den Zuschlag gemäß § 74a Abs. 1 ZVG wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze zu versagen. Die von ihm im Termin überreichte Vollmacht ist von einem Prokuristen und einer weiteren Mitarbeiterin der Beteiligten zu 2 unterschrieben.
2Mit Beschluss vom hat das Vollstreckungsgericht den Zuschlag antragsgemäß versagt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, der für die Beteiligte zu 2 im Versteigerungstermin aufgetretene Rechtsanwalt sei nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt gewesen. Dem Prokuristen sei nur Gesamtprokura erteilt worden; die Vollmacht habe demnach zusätzlich von einem Vorstandsmitglied oder einem weiteren Prokuristen unterschrieben werden müssen. Daran fehle es. Folglich sei ein Antrag nach § 74a Abs. 1 ZVG nicht wirksam gestellt worden.
3Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte zu 1 weiterhin die Erteilung des Zuschlags an sich erreichen.
II.
4Das Beschwerdegericht hält die Vollmacht des Rechtsanwalts für unwirksam. Die Beteiligte zu 2 habe dessen Verfahrensführung aber im Verlauf des Beschwerdeverfahrens zumindest stillschweigend genehmigt. Die Genehmigung habe rückwirkende Kraft. Dass der Antrag auf Versagung des Zuschlags wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze nur bis zum Schluss der Verhandlung über den Zuschlag gestellt werden könne, stehe dem nicht entgegen.
III.
5Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht nimmt ohne Rechtsfehler an, dass die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen die Entscheidung über den Zuschlag unbegründet ist.
61. Allerdings ist die Beteiligte zu 1 als Meistbietende beschwerdeberechtigt (§ 97 Abs. 1 ZVG) und kann die Beschwerde gemäß § 100 Abs. 1 i.V.m. § 81 Abs. 1 ZVG darauf stützen, dass ihr der Zuschlag habe erteilt werden müssen, weil der für die Beteiligte zu 2 gestellte Antrag nach § 74a Abs. 1 ZVG unwirksam gewesen sei (vgl. Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 74a Anm. 9.14 sowie Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 14. Aufl., § 81 Rn. 3). Ihr ist es dabei auch nicht verwehrt, sich erstmals im Beschwerdeverfahren auf einen Mangel der Vollmacht des für die Beteiligte zu 2 im Versteigerungstermin aufgetretenen Rechtsanwalts zu berufen.
7a) Die allgemeinen Vorschriften über Prozessbevollmächtigte (§§ 78 ff. ZPO) gelten, soweit sich nicht aus dem Zwangsversteigerungsgesetz etwas anderes ergibt, sinngemäß auch im Zwangsversteigerungsverfahren (vgl. , NJW 2011, 929, 931 Rn. 21; Stöber, ZVG, 20. Aufl., Einl. Rn. 50). Zu diesen zählt die Vorschrift des § 88 Abs. 1 ZPO, die bestimmt, dass der Mangel der Vollmacht eines Bevollmächtigten von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden kann. Die Beteiligte zu 1 ist als "Gegner" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, da die Wirksamkeit des Antrags nach § 74a Abs. 1 ZVG unmittelbare Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung als Meistbietende hat.
8b) Die Vorschrift des § 88 Abs. 1 ZPO wird nicht durch den für die Zuschlagsbeschwerde geltenden Grundsatz eingeschränkt, wonach neue oder erst im Beschwerdeverfahren bekannt gewordene Tatsachen bei der Entscheidung über die Beschwerde unberücksichtigt bleiben (Senat, Urteil vom - V ZR 269/62, BGHZ 44, 138, 143 f.; Beschluss vom - V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506 f.).
9aa) Handelt es sich bei dem Bevollmächtigten nicht um einen Rechtsanwalt, macht der Beschwerdeführer mit der Rüge ohnehin einen dem Vollstreckungsgericht unterlaufenen Verfahrensfehler geltend. Er stützt seine Beschwerde dann nämlich darauf, dass die Prüfung der Vollmacht, die dem Vollstreckungsgericht in einem solchen Fall nach § 88 Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO von Amts wegen obliegt, unterblieben ist oder unzureichend war.
10bb) Anders liegt es zwar, wenn das Vollstreckungsgericht die Vollmacht nicht prüfen musste, weil - wie hier - ein Rechtsanwalt für einen Verfahrensbeteiligten aufgetreten und ein Mangel seiner Vollmacht nicht gerügt worden ist (§ 89 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO; anders bei Vertretung eines Bieters: vgl. § 71 Abs. 2 ZVG sowie , NJW 2011, 929, 930 Rn. 14). Auch in diesem Fall ist aber die erstmals mit der Beschwerde gegen die Zuschlagsentscheidung erhobene Rüge des Mangels der Vollmacht beachtlich. Denn Sinn und Zweck des § 88 ZPO erfordern es, die Rüge des Mangels der Vollmacht auch bei einer Zwangsversteigerung in jeder Lage des Verfahrens zuzulassen. Da Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege besonderes Vertrauen genießen, darf sich das Gericht, nicht zuletzt im Interesse der Verfahrensvereinfachung, grundsätzlich auf ihre Erklärung verlassen, ihnen sei Verfahrensvollmacht erteilt worden (vgl. MünchKomm-ZPO/Toussaint, 4. Aufl., § 88 Rn. 1; Musielak/Weth, ZPO, 9. Aufl., § 88 Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 88 Rn. 2). Andererseits stellt es einen schweren Rechtsfehler dar, wenn für einen Verfahrensbeteiligten ein vollmachtloser Vertreter aufgetreten ist (vgl. § 547 Nr. 4, § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO); einen solchen Fehler gilt es auch im Verfahren der Zwangsversteigerung möglichst zu vermeiden. Da das Unterbleiben einer Rüge den Vollmachtsmangel nicht beseitigt, ist es gerade dort, wo das Gericht ohne Rüge nicht zu einer Prüfung der Vollmacht verpflichtet ist, unverzichtbar, dass die Verfahrensbeteiligten diese Prüfung in jeder Lage des Verfahrens erzwingen können.
112. Ein etwaiger Mangel der Vollmacht des für die Beteiligte zu 2 aufgetretenen Rechtsanwalts ist jedoch geheilt.
12a) Rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde insoweit nicht angegriffen entnimmt das Beschwerdegericht dem - von zwei Prokuristen unterzeichneten - Schreiben der Beteiligten zu 2 vom , in dem diese einen Mangel der Vollmacht in Abrede stellt, den Willen, die Erklärungen des in ihrem Namen aufgetretenen Rechtsanwalts erforderlichenfalls nachträglich zu genehmigen (§ 89 Abs. 2 ZPO).
13b) Eine vollmachtlose Vertretung ist - solange es an einer auf die fehlende Vollmacht gestützten gerichtlichen Entscheidung fehlt (vgl. dazu GemS OGB, GmS-OGB 2/83, BGHZ 91, 111, 115 f.) - auch im Zwangsversteigerungsverfahren grundsätzlich der Genehmigung nach § 89 Abs. 2 ZPO zugänglich (ebenso Stöber, ZVG, 20. Aufl., Einl. Anm. 50.7; Klawikowski, Rpfleger 2008, 404, 406).
14aa) Eine Sonderregelung sieht das Gesetz nur für die Vertretung des Bieters vor (§ 71 Abs. 2 ZVG); danach muss die Vertretungsmacht für einen Bieter - und zwar auch dann, wenn dieser durch einen Rechtsanwalt vertreten wird (vgl. , NJW 2011, 929, 930 Rn. 14) - im Termin durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde sofort nachgewiesen werden. Allein hierauf bezieht sich die von der Rechtsbeschwerde angeführte Entscheidung des Senats (Beschluss vom - V ZB 48/11, NJW-RR 2012, 649), nach der das Vollstreckungsgericht auf die Prüfung der formellen Beweiskraft einer solchen Urkunde beschränkt ist. Da eine vergleichbare Regelung für die Vertretung der Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht getroffen worden ist, bleibt es insoweit bei der sinngemäßen Anwendung der §§ 78 ff. ZPO.
15bb) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist die in § 89 Abs. 2 ZPO ausdrücklich vorgesehene stillschweigende Genehmigung der Verfahrensführung auch im Zwangsversteigerungsverfahren möglich. Richtig ist zwar, dass Verfahrensfehler, die zu Versagungsgründen gemäß § 83 Nr. 1 bis 5 ZVG führen, nicht stillschweigend genehmigt werden können (vgl. § 84 Abs. 2 ZVG). Um einen solchen Versagungsgrund geht es hier aber nicht; dem Vollstreckungsgericht ist nicht einmal ein Verfahrensfehler unterlaufen.
16cc) Schließlich steht die Vorschrift des § 74a Abs. 2 ZVG, nach der der Antrag auf Versagung des Zuschlags nur bis zum Schluss der Verhandlung über den Zuschlag gestellt werden kann, einer nachträglichen Genehmigung nicht entgegen. Denn die Genehmigung der Verfahrensführung nach § 89 Abs. 2 ZPO heilt den Mangel der Vollmacht mit rückwirkender Kraft (vgl. , BGHZ 92, 137, 140; Beschluss vom - X ZB 11/92, BGHZ 128, 280, 283; Beschluss vom - III ZB 63/05, BGHZ 166, 117, 124). Demgemäß muss eine solche Genehmigung nicht innerhalb der Frist oder in dem Verfahrensabschnitt erklärt zu werden, die für die genehmigte Verfahrenshandlung gilt (vgl. , BGHZ 128, 280, 283). Auch schadet es nicht, wenn im Zeitpunkt der Genehmigung bereits ein Rechtsmittel anhängig ist, mit dem der Mangel der Vollmacht gerügt wird. Nur einer auf einen solchen Mangel gestützten, prozessual zu Recht ergangenen gerichtlichen Entscheidung - hier wäre dies der Zuschlag an die Beteiligte zu 1 unter Zurückweisung des Antrags nach § 74a Abs. 1 ZVG der Beteiligten zu 2 wegen Fehlens einer wirksamer Vollmacht gewesen - kann durch die nachträgliche Genehmigung nicht mehr die Grundlage entzogen werden (vgl. GemS OGB, GmS-OGB 2/83, aaO).
IV.
17Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Beteiligten zu 1, die Kosten des erfolglosen Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt, da sich die Beteiligten im Zwangsversteigerungsverfahren grundsätzlich nicht als Parteien eines kontradiktorischen Streitverhältnisses gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 7).
18Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten bestimmt sich gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG nach dem Wert des erstrebten Zuschlags. Die Wertfestsetzung für die Vertretung der Beteiligten beruht auf § 26 Nr. 1 RVG (Beteiligte zu 2) bzw. auf § 26 Nr. 3 RVG (Rechtsbeschwerdeführerin).
Fundstelle(n):
NJW 2013 S. 8 Nr. 27
WM 2013 S. 1223 Nr. 26
IAAAE-37881