Eingruppierung einer Laborspülkraft - Unterhaltsreinigung
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Ludwigshafen Az: 8 Ca 686/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 9 Sa 501/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über Entgeltansprüche der Klägerin.
Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und seit dem mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bei der Beklagten, einem Mitglied des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks, beschäftigt. Deren Betrieb erbringt überwiegend Gebäudereinigungsleistungen. In dem letzten zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom heißt es ua.:
3Die Beklagte setzt die Klägerin in dem Forschungslabor eines Chemieunternehmens ein. Ihre überwiegende Tätigkeit besteht darin, die von den Beschäftigten des Labors benutzten Gläser, Reagenzgläser sowie Zylinder und Kolben aus Glas viermal pro Arbeitstag einzusammeln, in einer von ihr zu bedienenden Industriespülmaschine zu reinigen und die gesäuberten Gegenstände wieder auszuräumen. Einige der Glasgegenstände werden von der Klägerin auch mit Ethanol gereinigt. Am nächsten Tag werden die Gläser von ihr wieder in die Labore zurückgebracht. Die Klägerin reinigt im zweiwöchigen Turnus auch den Boden des Raumes, in dem sie tätig ist, den darin befindlichen Arbeitstisch sowie die zwei dort vorhandenen Trockenregale.
4Nach erfolgloser Geltendmachung verlangt die Klägerin mit ihrer Klage für die Monate November 2009 bis einschließlich Februar 2010 die Differenz zwischen dem arbeitsvertraglich vereinbarten und dem im Lohntarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung (vom - LTV) festgelegten Stundenlohn iHv. 8,15 Euro brutto für das Jahr 2009 und iHv. 8,40 Euro für die Zeit ab dem . Weiterhin beansprucht sie für sechs Urlaubstage im genannten Zeitraum Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein zusätzliches Urlaubsgeld für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (vom - TV Urlaubsgeld). Sie ist der Auffassung, ihre Tätigkeit sei nach § 7 Nr. 3.2 Lohngruppe 1 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (vom - RTV, nachfolgend Lohngruppe 1 RTV) zu vergüten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin verrichte „reinigungsfremde“ Tätigkeiten, die von den Lohngruppen des RTV nicht erfasst würden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
8Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die von der Klägerin überwiegend ausgeübte Tätigkeit erfüllt das Tätigkeitsmerkmal „Unterhaltsreinigungsarbeiten“ der Lohngruppe 1 RTV. In der Folge kann sie auch ein zusätzliches Urlaubsgeld nach § 2 Abs. 1 Satz 1 TV Urlaubsgeld beanspruchen.
9I. Die von der Klägerin erbrachten Arbeitsstunden in den Monaten November 2009 bis einschließlich Februar 2010 sind nach den Stundenlohnsätzen der Lohngruppe 1 RTV zu vergüten.
101. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG die Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks, darunter der RTV und der LTV.
2. Die für die Eingruppierung maßgebenden tariflichen Bestimmungen des RTV lauten:
123. Danach kann die Klägerin eine Vergütung nach der Lohngruppe 1 RTV in der zwischen den Parteien in der Höhe unstreitigen Vergütungsdifferenz von 660,40 Euro brutto beanspruchen. Die überwiegend von ihr ausgeübte Tätigkeit als Laborspülkraft erfüllt die Voraussetzungen des tariflichen Tätigkeitsmerkmales der Unterhaltsreinigungsarbeiten.
13a) Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass das Einsammeln der benutzten Gläser, Reagenzgläser, Zylinder und Kolben aus Glas, deren Reinigung in einer Industriespülmaschine und teilweise mit Ethanol sowie das anschließende Zurückbringen in die einzelnen Labore eine tariflich einheitlich zu bewertende Teiltätigkeit sind (zu den Maßstäben etwa - Rn. 17 mwN, BAGE 127, 305; - 4 AZR 410/05 - Rn. 11 mwN, AP TVAL II § 51 Nr. 12).
14Eine Aufteilung der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit in weitere Teiltätigkeiten ließe unberücksichtigt, dass diese insgesamt auf die Reinigung und weitere Verwendbarkeit der genannten Gegenstände am betreffenden Arbeitsort gerichtet ist. Das sieht auch die Beklagte nicht anders.
15b) Ob es sich bei den von der Klägerin weiterhin verrichteten Tätigkeiten um Zusammenhangstätigkeiten mit der vorgenannten Tätigkeit oder um tariflich eigenständig zu bewertende Teiltätigkeiten handelt, kann dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde die erstgenannte Teiltätigkeit der Klägerin die zeitlich überwiegende Tätigkeit nach § 7 Nr. 3.1.1 RTV darstellen und für die Eingruppierung maßgebend sein.
16c) Diese Teiltätigkeit der Klägerin erfüllt, wie die Auslegung der tariflichen Regelungen ergibt (zu den Maßstäben etwa - Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238), das Tätigkeitsmerkmal der Unterhaltsreinigung iSd. Lohngruppe 1 RTV. Sie umfasst die Reinigung von Gegenständen der Raumausstattung, die als notwendige Unterhaltsmaßnahme für die bestimmungsgemäße Nutzung der Räume als Arbeitsstätte (Labor) erforderlich sind.
17aa) Die Tarifvertragsparteien haben davon abgesehen, den Begriff der Unterhaltsreinigung innerhalb des RTV näher zu bestimmen. Es handelt sich auch um keinen in der Rechtsterminologie feststehenden Begriff. Deshalb ist die branchenspezifische Auffassung für die Auslegung des Tätigkeitsmerkmales von Bedeutung (vgl. - Rn. 13 f. mwN; - 4 AZR 158/83 - BAGE 45, 121).
18bb) Das Bundesarbeitsgericht ist bisher schon davon ausgegangen, dass die „Unterhaltsreinigung … begrifflich schlechthin das Reinigen und Pflegen eines Objektes zu dessen Unterhaltung zum Inhalt“ hat ( - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 1). Unterhaltsreinigungsarbeiten sind „fortlaufende und kontinuierl. auszuführende Reinigungsarbeiten, die dem Erhalt, dem Schutz und der Pflege von Gegenständen dienen, wobei hierunter nicht nur Gebäude zu verstehen sind“ ( - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 2; - 4 AZR 379/78 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 32).
19cc) Der Begriff der Gebäudereinigung erfasst ua. die Ausstattung von Räumen als Gegenstand einer Unterhaltsreinigung. Nach § 1 Abschnitt II Nr. 2 RTV, der ua. den betrieblichen Geltungsbereich beschreibt, sind der Gebäudereinigung die „Reinigung, pflegende und schützende Behandlung von Innenbauteilen an Bauwerken aller Art, Gebäudeeinrichtungen, haustechnischen Anlagen sowie von Raumausstattungen und Verglasungen“ zuzurechnen. Dem entspricht die Berufsbildbeschreibung des Gebäudereiniger-Handwerks in § 1 Abs. 1 Nr. 2 Gebäudereinigermeisterverordnung (vom - GebrMstrV, BGBl. I S. 151). Ebenso gehen die Blätter zur Berufskunde „Gebäudereiniger/Gebäudereinigerin“ der Bundesanstalt für Arbeit (1 - XI B 201 4. Aufl. S. 6) davon aus, dass sich die Tätigkeit der Unterhaltsreinigung als Bestandteil der Gebäudereinigung auf „Einrichtungsgegenstände“ erstreckt.
Das vorstehende Verständnis wird durch die Umschreibung des Tätigkeitsmerkmales „Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten“ durch dieselben Tarifvertragsparteien in § 2 Nr. 2 des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (vom , TV Mindestlohn, als staatliches Recht durch Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Gebäudereinigerhandwerk vom , BAnz. Nr. 34 vom S. 762, am in Kraft getreten) bestätigt:
21dd) Die von der Klägerin überwiegend verrichtete Tätigkeit wird deshalb vom tariflichen Begriff der Unterhaltsreinigungsarbeiten erfasst.
22(1) Es werden Gegenstände gepflegt und gereinigt. Diese gehören zum bestimmungsgemäßen Gebrauch und damit zur Raumausstattung eines Labors eines Chemieunternehmens. Das pro Arbeitstag viermalige Einsammeln und Reinigen der benutzten Gläser, Reagenzgläser, Zylinder und Kolben aus Glas sowie deren Zurückbringen in die Laborräume ermöglicht deren ordnungsgemäße weitere Verwendung. Diese tägliche Reinigung dient somit dem Erhalt, dem Schutz und der Pflege von Gegenständen (so schon - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 2) und bezweckt die Unterhaltung der für ein Labor notwendigen Arbeitsmittel (s. auch - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 1). Sie ermöglicht die weitere bestimmungsgemäße Verwendung der zu reinigenden Gegenstände und ist für das Labor eine notwendige Unterhaltsmaßnahme.
23(2) Dieses Ergebnis wird durch die Systematik des RTV bestätigt. Nach § 1 Abschnitt II Nr. 3 RTV - Reinigung und Pflege von maschinellen Einrichtungen - sind auch Unterhaltsreinigungsmaßnahmen an einzelnen Gegenständen möglich (s. auch - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 1: „Reinigung … von Maschinen, … Aufräumungsarbeiten … sind … der Unterhaltsreinigung zuzuordnen“).
24ee) Dieser tariflichen Zuordnung steht - anders als die Revision meint - nicht entgegen, dass es sich um eine Tätigkeit handeln kann, die bisher von den Unternehmen des Gebäuderreiniger-Handwerks nicht oder nur untergeordnet ausgeführt und deshalb nicht in den Muster-Ausschreibungsunterlagen des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks gesondert aufgeführt wird.
25(1) Der breite betriebliche Anwendungsbereich des RTV und die Vielzahl der erfassten Reinigungsleistungen sowie die einschränkungslose Nennung von Raumausstattungen als Gegenstand von Unterhaltsreinigungsarbeiten spricht dafür, dass vom Begriff der Unterhaltsreinigungsarbeiten auch die unmittelbar mit betroffenen Arbeitsgegenständen in Zusammenhang stehenden Reinigungstätigkeiten erfasst werden. Damit wird zugleich berücksichtigt, dass sich das Gebäudereiniger-Handwerk, wie es der Senat bereits im Jahre 1980 ausgeführt hat, in „den letzten Jahrzehnten zum modernen handwerklichen Dienstleistungsberuf entwickelt“ und dessen Reinigungsleistungen sich weiter ausgedehnt haben ( - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 32).
26(2) Die Revision kann sich nicht auf die von ihr angeführten Muster-Ausschreibungsunterlagen berufen. Diese beziehen sich allein auf die dort genannten Reinigungsgruppen (Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks, Ausschreibungsunterlagen Unterhalts- und Glasreinigung, Stand August 2012 S. 35, ua. Büro- und Verwaltungsräume, Sanitärräume, Flure, Verkehrswege), nicht aber auf Betriebsstätten wie die vorliegende. Bereits deshalb können aus den dort und zudem nur beispielhaft genannten Reinigungsgegenständen keine weitergehenden Schlüsse gezogen werden. Insbesondere kann aus den Unterlagen nicht gefolgert werden, andere Tätigkeiten in anderen Reinigungsgruppen könnten nicht dem tariflichen Merkmal zugeordnet werden.
27ff) Weiterhin ist es vorliegend ohne Bedeutung, dass die einschlägige Ausbildungsverordnung die Tätigkeit des „Spülens“ nicht erwähnt. „Spülen“ als „etwas mit einer Flüssigkeit, durch Bewegen in einer Flüssigkeit von Schmutz, Rückständen o.Ä. befreien, reinigen“ oder „mit Wasser [u. einem Reinigungsmittel] säubern, abwaschen“ (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Bd. 8 „spülen“) stellt sich als eine Form der Reinigung von Gegenständen dar. Zudem sind nach der Verordnung über die Berufsausbildung zum Gebäudereiniger/zur Gebäudereinigerin (vom , § 3 Nr. 9: „Ausführen von Reinigungs-, …arbeiten“) auch Fähigkeiten und Kenntnisse über erforderliche „Reinigungs-, Pflege- und Konservierungsarbeiten“ bei „Ausstattungsgegenständen“ zu vermitteln. Soweit in diesem Zusammenhang der Entscheidung des Senats vom (- 4 AZR 118/02 - zu III 2 b aa der Gründe, AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 17), die sich mit dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abschnitt II RTV befasst hat, etwas anderes zu entnehmen sein sollte, wird daran nicht festgehalten.
28gg) Der Senat muss nicht darüber befinden, ob das tarifliche Merkmal der Unterhaltsreinigungsarbeiten iSd. Lohngruppe 1 RTV zwingend deren periodische Durchführung in regelmäßigen Zeitabständen erfordert (vgl. etwa - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 1; weiterhin - 4 AZR 224/86 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 2; - 4 AZR 379/78 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 32), wie die Revision geltend macht, oder ob nicht auch gesondert vereinbarte Reinigungsmaßnahmen davon erfasst werden können. Im Entscheidungsfall werden die Gegenstände „periodisch“ gereinigt. Deren Einsammeln und Reinigen erfolgt viermal pro Arbeitstag sowie jeweils einmal am darauffolgenden Tag deren Verteilung im gereinigten Zustand.
29d) Die Tätigkeit der Klägerin wird zudem von den „Beschäftigungsarten (Tätigkeitsbereiche)“ iSd. § 7 Nr. 2 RTV erfasst. Nach § 1 Abschnitt II RTV werden der Gebäudereinigung auch Tätigkeiten der „Reinigung [und die] pflegende und schützende Behandlung von … Gebäudeeinrichtungen, haustechnischen Anlagen sowie von Raumausstattungen“ zugerechnet. Von daher kann es dahinstehen, ob - wie es das Landesarbeitsgericht erwogen hat - § 7 Nr. 2 RTV noch eine eigenständige Bedeutung für die Eingruppierung zukommt.
30e) Deshalb muss der Senat nicht darüber befinden, ob angesichts der konkreten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe 1 RTV dieser überhaupt die Funktion einer „Auffanglohngruppe“ für alle Tätigkeiten zukommen könnte, die nicht von anderen Lohngruppen erfasst werden und ob dem RTV - wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat - der Wille entnommen werden kann, möglichst „alle“ Tätigkeiten im Geltungsbereich des RTV seinen Lohngruppen zuzuordnen.
31II. Die Klägerin kann weiterhin ein zusätzliches Urlaubsentgelt nach § 2 Abs. 1 Satz 1 TV Urlaubsgeld in Höhe von 90,94 Euro verlangen.
1. Die maßgebende Bestimmung des TV Urlaubsgeld lautet:
332. Danach steht der Klägerin für jeden der fünf Urlaubstage, die sie im Zeitraum vom 1. November bis zum in Anspruch genommenen hat, ein zusätzliches Entgelt in Höhe 15,08 Euro und für einen Urlaubstag im Jahre 2010 ein Urlaubsentgelt iHv. 15,54 Euro brutto zu.
34III. Der Zinsanspruch für die Klageforderung folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 8 Abs. 2 RTV, § 2 Abs. 5 TV Urlaubsgeld.
IV. Die Beklagte trägt nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 371 Nr. 7
DB 2013 S. 21 Nr. 6
VAAAE-34527