BGH Beschluss v. - 1 StR 558/12

Sicherungsverwahrung: Erfordernis des richterlichen Hinweises auf die Möglichkeit einer erneuten Unterbringungsanordnung in Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe und nicht erledigter Sicherungsverwahrung in anderer Sache

Gesetze: § 265 Abs 2 StPO, § 62 StGB, § 66 Abs 1 StGB, § 66 Abs 2 StGB, § 211 StGB, Art 1 Nr 2 SichVEG

Instanzenzug: LG Regensburg Az: Ks 131 Js 95689/08

Gründe

I.

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und versuchten Mordes mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer früheren Verurteilung zur lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Es hat darüber hinaus die besondere Schwere der Schuld festgestellt und gegen den Angeklagten die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

II.

2Die Revision des Angeklagten führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

3Mit der auf § 265 Abs. 2 StPO gestützten Verfahrensrüge beanstandet der Angeklagte zu Recht, dass das Gericht bezüglich der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung seine Hinweispflicht verletzt habe.

4Auf die Möglichkeit einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung war der Angeklagte weder durch die Anklageschrift noch durch den Eröffnungsbeschluss hingewiesen worden. Auch in der Hauptverhandlung wurde kein entsprechender rechtlicher Hinweis erteilt. Zwar hatte sich der psychiatrische Sachverständige gemäß dem (nachträglich erweiterten) Gutachtenauftrag auch mit der Möglichkeit einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beschäftigt und in der Hauptverhandlung mündlich sein Gutachten erstattet. Dies ersetzt jedoch den notwendigen Formalhinweis des Gerichts nicht (BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 552/09, NStZ-RR 2010, 215 mwN, vom - 4 StR 316/02, StV 2003, 151 mwN, und vom - 3 StR 144/02, NStZ-RR 2002, 271 mwN). Ebenso wenig ist der Hinweispflicht durch die Verlesung eines früheren Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom , durch das bereits eine Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten angeordnet war, Genüge getan: Die wiederholte Verhängung der Maßregel der Sicherungsverwahrung ist zwar möglich (vgl. , StV 2000, 258), aber keinesfalls zwingend. Dem Angeklagten muss aber der Hinweis so erteilt werden, dass er eindeutig erkennen kann, auf welche Maßregel das Gericht zu erkennen gedenkt (vgl. , StV 2003, 151).

5Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht.

6Sofern hier Sicherungsverwahrung in Betracht kommt, wäre diese auf § 66 Abs. 1 StGB gestützt und stünde insofern nicht im Ermessen des Gerichts. Schon deshalb braucht der Senat der Frage nicht nachzugehen, inwieweit im Zusammenhang mit der zugleich verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe, unabhängig davon, ob - wie hier - auch die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde, einzelfallbezogene Besonderheiten gegen eine gemäß § 66 Abs. 2 StGB im Ermessen des Gerichts stehende Anordnung von Sicherungsverwahrung sprechen könnten (vgl. hierzu ). Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des u.a. - bleibt hier die durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom (BGBl. I, S. 3344) getroffene grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auch in den Fällen lebenslanger Freiheitsstrafe zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 14/9041, S. 1 B. unter Verweis auf , BGHSt 37, 160, und vom - 5 StR 41/00, NStZ 2000, 417, 418), unberührt.

7Der Senat hat erwogen, inwieweit bei der Anordnung zu berücksichtigen ist, dass gegen den Angeklagten in anderer Sache noch nicht erledigte Sicherungsverwahrung angeordnet ist. Grundsätzlich ist die Maßregel nach § 66 Abs. 1 StGB (erneut) anzuordnen, wenn sie schon durch ein früheres Urteil angeordnet war, aber noch nicht vollständig erledigt ist (Rissing-van Saan/Peglau, Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 66 Rn. 225 mwN). Ob gleichwohl Fallgestaltungen vorstellbar sind, bei denen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB vorliegen, aber unter Berufung auf § 62 StGB (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) von der obligatorischen Anordnung abgesehen werden kann (zweifelnd Rissing-van Saan/Peglau aaO), kann dahinstehen. Dies ist nämlich jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Anlasstat in ihrem kriminellen Gewicht (hier: Mord) noch sehr viel schwerer wiegt als die Anlasstat, die der früheren Anordnung von Sicherungsverwahrung zugrunde lag (hier: schwerer Raub u.a.).

III.

8Im Übrigen hat die sachlich-rechtliche Prüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Fundstelle(n):
NAAAE-33617