Leitsatz
1. Aufgrund Feststellungen der
Steuerfahndung ergangene Änderungsbescheide sind wegen der Verletzung des
Anspruchs auf rechtliches Gehör formell rechtwidrig – und es bestehen
somit die für eine Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung erforderlichen
ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide –, wenn bzw.
solange für die Bewertung des Sachverhalts erhebliche Unterlagen der
Steuerpflichtigen trotz mehrfachen Antrags im Einspruchsverfahren entgegen §
364 AO nicht vorgelegt worden sind. Insoweit kann die in der unterlassenen
Mitteilung der Besteuerungsgrundlagen bewirkte Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör erst nach Ablauf einer einmonatigen Frist zur Stellungnahme
durch die Steuerpflichtige und Kenntnisnahme und Erwägung durch die
Finanzbehörde geheilt werden.
2. Es ist aufgrund der jüngsten
BFH-Rechtsprechung wieder ernstlich zweifelhaft, ob die bei Steuerhinterziehung
geltende verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren in Fällen einer
deliktisch, z. B. durch Betrug bzw. Subventionsbetrug, erlangten
Investitionszulage entsprechend anwendbar ist.
3. Der Vorbehalt der Nachprüfung
entfällt gemäß § 164 Abs. 4 S. 1 AO, ohne dass es einer ausdrücklichen
Feststellung bedarf, wenn die vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Das
gilt auch im Falle einer Steuerhinterziehung.
4. Nachträglich bekannt gewordene
Tatsachen und Beweismittel i. S. v. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind solche, die
bereits vorhanden, aber noch unbekannt waren, als der für die Steuerfestsetzung
zuständige Bedienstete der Finanzbehörde den Berechnungsbogen oder den
Eingabewertbogen zur letzten Festsetzung abschließend unterzeichnet hat. Der
Veranlagungsbeamte muss sich die Kenntnisse des Außenprüfers zurechnen lassen,
wenn er sich mit der zusammenfassenden Wertung des Prüfungsberichts begnügt und
diese ohne Kenntnis der vom Prüfer zugrunde gelegten Tatsachen übernimmt.
Ebenso gelten die Informationen des Sachgebietsleiters der Veranlagungsstelle
als bekannt, wenn dieser an der Schlussbesprechung teilgenommen hat.
5. Verlangt der Steuerpflichtige, der
eine GmbH faktisch beherrscht, bei Bezug von Lieferungen durch die GmbH
Provisionen auf das Konto einer anderen, von ihm ebenfalls beherrschten
Gesellschaft, so ist es ernstlich zweifelhaft, ob die Provisionszahlungen des
Lieferanten umsatzsteuerrechtlich als verdeckter Preisnachlass für die von dem
Lieferanten an die GmbH erbrachten Lieferungen anzusehen sind. Ggf. mindert
dieser verdeckte Preisnachlass die Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG
jedenfalls erst in dem Besteuerungszeitraum, in dem er gewährt wird.
6. Das Umsatzsteuerrecht besteuert
nicht gegenseitige Leistungspflichten, sondern tatsächliche Vorgänge (i. d. R.
zur Erfüllung der Leistungspflichten). Gegenstand des umsatzsteuerrechtlichen
Leistungsaustausches ist, was der Leistende tatsächlich erbracht hat. Die
Angemessenheit des Entgelts im Hinblick auf den objektiven Wert von Leistung
und Gegenleistung ist ohne Belang, solange nur feststeht, dass Leistung und
Gegenleistung miteinander innerlich verbunden sind.
7. Täter einer Steuerhinterziehung
ist auch, wer diese durch einen anderen begeht. Die mittelbare Täterschaft ist
dadurch gekennzeichnet, dass der Täter nicht selbst die Tatbestandsmerkmale
verwirklicht, sondern sich dazu eines anderen, des sogenannten Tatmittlers
bedient, über den er Tatherrschaft besitzt. Das Gesamtgeschehen muss sich als
Werk des steuernden Willens des Hintermannes darstellen. Aufgrund der vom
Hintermann beim Tatmittler hervorgerufenen irrtümlichen Vorstellung muss dessen
Verhalten ohne das Hinzutreten ungewöhnlicher Umstände in die Tatbegehung
einmünden. Darüber hinaus muss der Hintermann die seine Tatherrschaft
begründenden Umstände kennen als auch die dadurch bedingte Verwirklichung des
Straftatbestandes vorhersehen.