BGH Beschluss v. - III ZB 57/12

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Die Klägerin verfolgt Gewinnbeteiligungsansprüche gegen die Beklagte und hat zu diesem Zweck eine Stufenklage erhoben. In der ersten Stufe ist die Beklagte verurteilt worden, der Klägerin ab dem 1. Juli 2011 Einsicht in den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 zu gestatten sowie die Richtigkeit der Jahresabschlüsse jeweils zum 31. Dezember der Jahre 2007 bis 2009 und ab dem 1. Juli 2011 auch die Richtigkeit des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2010 unter Einsicht der Bücher und Papiere der Gesellschaft unter Hinzuziehung eines der beruflichen Verschwiegenheit unterliegenden Sachverständigen (Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) durch die Klägerin prüfen zu lassen. Gegen dieses Teilurteil hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese fristgemäß begründet. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2011 hat das Berufungsgericht auf Bedenken dagegen hingewiesen, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteige. Daraufhin hat die Beklagte geltend gemacht, insbesondere der Transport der an verschiedenen Standorten lagernden Aktenordnern sowie das Aussortieren der der Einsichtnahme unterfallenden Unterlagen, die überwiegend thematisch und nicht nach Abschlussjahren geordnet seien, erfordere einen erheblichen zeitlichen Aufwand; da kein eigenes Personal zur Verfügung stünde, müssten externe Mitarbeiter eingesetzt werden. Des Weiteren sei auch der zeitliche Aufwand des Geschäftsführers für die Überwachung der Einsichtnahme durch die Klägerin zu veranschlagen. Daneben sei auch ihr Geheimhaltungsinteresse bei der Wertbemessung zu berücksichtigen. Denn durch die Einsichtnahme drohe ihr ein Wettbewerbsnachteil, zumal aufgrund der Erfahrungen mit der Klägerin damit zu rechnen sei, dass sich diese an ihre - der Beklagten - Vertragspartner wende und sich despektierlich über sie äußern werde. Im Hinblick auf eine bestehende Wettbewerbssituation und darauf, dass sie von der Klägerin in der Vergangenheit mehrfach blockiert, behindert oder geschädigt worden sei, sei zudem zu besorgen, dass die Klägerin die bei der Einsichtnahme gewonnenen Kenntnisse nicht lediglich zur Bezifferung ihres Leistungsantrags nutzen werde.

2 Das Berufungsgericht hat die Berufung gegen das Teilurteil als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es sich auf den Standpunkt gestellt, der maßgebliche, für die Beklagte mit der Gestattung lediglich der Einsichtnahme in die fraglichen Unterlagen verbundene Arbeits- und Zeitaufwand beschränke sich darauf, die angeblich über mehrere Standorte in Berlin verteilten Unterlagen in die Geschäftsräume der Beklagten zu bringen und der Klägerin die Einsicht dort zu ermöglichen. Abgesehen von einer etwaigen Unterstützung beim Transport der Unterlagen bedürfe es dabei nicht der Hinzuziehung von Hilfskräften, so dass der Wert von 600 € nicht überschritten werde. Die Beklagte habe auch kein besonderes Geheimhaltungsinteresse, das die Annahme einer darüber hinausgehenden Beschwer rechtfertigen könne, vorgetragen und glaubhaft gemacht, zumal ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien nicht anzunehmen sei.

3 Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

4 Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.

5 Die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstands nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO durch das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen und von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

6 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der gemäß §§ 2, 3 ZPO nach freiem Ermessen des Gerichts festzusetzende Wert der Beschwer bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung nicht nach dem Wert des mit der Klage geltend gemachten Auskunftsanspruchs, sondern nach dem Interesse der verurteilten Partei, die Auskunft nicht gewähren zu müssen; dabei ist im Wesentlichen auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erteilung der hiernach geschuldeten Auskunft erfordert, und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten (vgl. z. B. BGH, Beschlüsse vom 24. November 1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 87 f; vom 5. März 2001 - II ZB 11/00, NJW-RR 2001, 929; vom 10. August 2005 - XII ZB 63/05, BGHZ 164, 63, 66 sowie Senatsurteil vom 10. Februar 2011 - III ZR 338/09, NJW 2011, 926 Rn. 9 und Senatsbeschluss vom 9. Februar 2012 - III ZB 55/11, ZEV 2012, 270 Rn. 7 jeweils mwN). Diese zur Auskunftserteilung entwickelten Grundsätze gelten auch für die Verurteilung zur Einsichtsgewährung in Unterlagen (vgl. , NJW 2011, 2974 Rn. 3). Dabei kann die Bewertung des Berufungsgerichts nur darauf überprüft werden, ob es die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 1987 - IVb 124/87, NJW-RR 1988, 836, 837 und vom 23. April 1997 - XII ZB 50/97, NJW-RR 1997, 1089 sowie Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2010 - III ZB 28/10, BeckRS 2010, 27752 Rn. 5).

7 2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Bewertung des erforderlichen Zeit- und Kostenaufwands der Beklagten, um der Klägerin die Einsichtnahme in die fraglichen Unterlagen zu ermöglichen, durch das Berufungsgericht nicht ermessensfehlerhaft.

7 a) Mit dem angegriffenen Teilurteil ist die Beklagte lediglich verurteilt worden, der Klägerin Einsicht in die betreffenden Jahresabschlüsse und zur Prüfung deren Richtigkeit auch in die Bücher und Papiere der Gesellschaft zu gewähren, nicht dagegen, Auskünfte zu erteilen. Insoweit geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass damit schon ein deutlich geringerer Aufwand für die Beklagte verbunden ist. Nach der Begründung des Landgerichts beruht das Einsichtnahmerecht der Klägerin auf dem Inhalt der Vorbemerkung in der Rahmenvereinbarung vom 5. Juni 2007 in der ein Recht zur uneingeschränkten Einsichtnahme in alle Geschäftsvorgänge erwähnt ist. Diese Vereinbarung versteht es im Sinne eines Kontrollrechts entsprechend der Vorschrift des § 166 Abs. 1 HGB. Danach sind von der Einsichtnahme alle Unterlagen der KG umfasst, die für den Jahresabschluss relevant sind, insbesondere Prüfungsberichte, auch solche des Finanzamts, sowie das gesamte Rechnungswesen. Nicht dazu gehören jedoch solche Papiere, die mit dem Jahresabschluss nichts zu tun haben, wie etwa Unterlagen über zukünftige Planungen (Strategiepapiere) oder auch über unternehmensinterne Entwicklungen (Besprechungen, Rechtsverhältnisse unter den Gesellschaftern - vgl. zum Umfang des Kontrollrechts MünchKommHGB/Grunewald, 3. Aufl., § 166 HGB Rn. 2 mwN).

9 Ausgehend hiervon ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht für die Einsichtnahme selbst - auf der Grundlage der Schätzung der Klägerin (zwei Tage, verbunden mit einem Kürzungsvorschlag) und der Bitte der Beklagten, die Einsichtnahme möglichst auf einen Tag zu konzentrieren - nicht die von der Beklagten in Anschlag gebrachten vier Tage berücksichtigt hat. Weiter ist aus Rechtsgründen insbesondere nichts gegen die Auffassung des Berufungsgerichts zu erinnern, dass neben dem Geschäftsführer der Beklagten die Anwesenheit einer weiteren (Hilfs-)Person nicht erforderlich ist.

10 b) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, zur Vorbereitung des Termins der Einsichtnahme seien Dokumente einzuscannen oder zu kopieren sowie Ausdrucke von E-Mails zu fertigen, hält dem das Berufungsgericht zutreffend entgegen, dass derartige Maßnahmen aufgrund des erstinstanzlichen Urteilsspruchs nicht geschuldet werden. Soweit daher die Beklagte dies - aus welchen Gründen auch immer - für opportun hält, wirkt sich der dafür erforderliche Aufwand nicht streitwerterhöhend aus. Des Weiteren ist nicht nachvollziehbar, wieso der Umstand, dass nach dem Vorbringen der Beklagten ihre Unterlagen nicht chronologisch, sondern überwiegend thematisch sortiert sind, zu einem signifikant höheren Vorbereitungsaufwand führen soll, wenn und soweit die Aktenführung - wie von der Beklagten dargestellt - den handelsrechtlichen Anforderungen genügt.

11 Was schließlich den Transport der - angeblich über mehrere Standorte in Berlin verteilten - Unterlagen in die Geschäftsräume der Beklagten angeht, so ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die vorgelegten Angebote der B. GmbH und der I. GmbH - Geschäftsführer beider Gesellschaften ist der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten - seien zur Glaubhaftmachung ungeeignet beziehungsweise nicht plausibel, ebenfalls nicht zu beanstanden.

12 c) Zur Bewertung des erforderlichen Zeitaufwands kann grundsätzlich auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) zurückgegriffen werden (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 16. April 2008 - XII ZB 192/06, NJW 2008, 2036 Rn. 18, vom 10. März 2010 - IV ZR 255/08, BeckRS 2010, 08771 Rn. 6 und Senatsbeschluss vom 9. Februar 2012 aaO). Der eigene Zeitaufwand des Verpflichteten ist entsprechend § 22 JVEG zu bewerten, mithin mit höchstens 17 € je Stunde.

Dem steht im Streitfall nicht entgegen, dass der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten Rechtsanwalt ist. In dieser Eigenschaft wird er nicht für die Beklagte tätig, sondern er führt die maßgeblichen Arbeiten in seiner Funktion als gesetzlicher Vertreter der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten aus. Dass es für die Aussonderung der von dem Einsichtsrecht der Klägerin etwa nicht umfassten Unterlagen oder für die "Kontrolltätigkeit" bei der Einsichtnahme selbst besonderer Rechtskenntnisse bedürfte, so dass ausnahmsweise ein höherer Stundensatz gerechtfertigt sein könnte (vgl. , ZEV 2012, 269 Rn. 7, 8 und Senatsbeschluss vom 22. Februar 2012 - III ZR 301/11, NJW-RR 2012, 888 Rn. 6) ist entgegen der Auffassung der Beschwerde weder ausreichend vorgetragen noch ersichtlich.

13 Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht glaubhaft gemacht, dass der Aufwand für die Gewährleistung der Einsichtnahme in ihre Unterlagen durch die Klägerin in dem vom Landgericht ausgeurteilten Umfang den Wert von 600 € erreicht, ist danach nicht von Rechtsfehlern beeinflusst.

14 3. Die auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Beschluss vom 10. August 2005 aaO; vom 16. Oktober 2008 - IX ZB 138/07, BeckRS 2008, 23295 Rn. 3 und vom 22. März 2010 - II ZR 75/09, NZG 2010, 621 Rn. 19; jew. mwN) vorgenommene Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe kein besonderes Geheimhaltungsinteresse glaubhaft gemacht, ist ebenso wenig zu beanstanden wie die Erwägung, das Vorbringen der Beklagten zu etwaigen drohenden Wettbewerbsnachteilen sei ohne hinreichende Substanz.

Fundstelle(n):
RAAAE-33150