Studiengang Rechtswissenschaften; keine Pflicht zu Satzungserlass für "Diplom-Jurist"
Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 35 Abs 2 HSchulG BW
Instanzenzug: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Az: 9 S 1904/11 Urteil
Gründe
I.
1Der Kläger legte die Erste juristische Prüfung im Juni 2005 ab und absolvierte in der Folge den juristischen Vorbereitungsdienst. Die Zweite juristische Staatsprüfung bestand er nicht. Im Mai 2009 beantragte er bei der beklagten baden-württembergischen Universität, ihm den im Satzungsrecht der Beklagten nicht vorgesehenen Hochschulgrad Diplom-Jurist zu verleihen. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Nach erfolgloser Klage hat der Kläger das Berufungsverfahren mit dem Antrag geführt, den Ablehnungsbescheid der Beklagten aufzuheben und ihre Verpflichtung zum Erlass einer rückwirkenden Diplomierungssatzung, auf deren Grundlage ihm der Titel eines Diplom-Juristen zu verleihen sei, festzustellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Kläger erstrebt mit seiner Beschwerde die Zulassung der Revision.
II.
2Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen der Beschwerde ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind.
41. Der Kläger will geklärt wissen, "inwieweit Universitäten verpflichtet sind, bei dem Studiengang der Rechtswissenschaften einen adäquaten Hochschulgrad zu vergeben, der dem gewandelten Berufsbild eines 'Juristen' Rechnung trägt."
5Den bundesrechtlichen Bezug dieser Frage stellt der Kläger dadurch her, dass er das Ermessen der Beklagten, das nach der landesrechtlichen Vorschrift des § 35 Abs. 2 des Gesetzes über die Hochschulen in Baden-Württemberg (Landeshochschulgesetz - LHG BW) vom (GBl S. 1), zuletzt geändert durch Gesetz vom (GBl S. 457) für den Erlass von Satzungsbestimmungen über die Verleihung von Hochschulgraden auch auf Grund von staatlichen Prüfungen besteht, durch die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 12 Abs. 1 GG und des Art. 3 Abs. 1 GG im Sinne einer Verpflichtung zum Satzungserlass reduziert sieht.
62. Die von dem Kläger bezeichnete Frage weist keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Der Senat hat sie bereits durch sein BVerwG 6 C 11.01 - (BVerwGE 116, 49 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 159) beantwortet.
7In dieser Entscheidung hat der Senat zunächst (a.a.O. S. 50 ff. bzw. S. 36 ff.) den zukunftsorientierten Regelungsgehalt des § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG betont. Aus diesem Zukunftsbezug hat der Senat geschlossen, dass aus der in der Vorschrift enthaltenen Ermächtigung der Hochschulen zur Verleihung eines Diplomgrades auch auf Grund einer staatlichen Prüfung für sich genommen eine entsprechende Verpflichtung allenfalls im Hinblick auf Studierende, nicht aber auf Hochschulabsolventen als sog. Altfälle - der Kläger in jenem Verfahren hatte die Erste juristische Staatsprüfung bereits mehrere Jahre zuvor abgelegt und eine Referendarausbildung nicht durchlaufen - hergeleitet werden kann. In dem hier zur Entscheidung stehenden Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt (UA S. 10, 13), dass der bundesrechtlichen Vorschrift des § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG die landesrechtliche Norm des § 35 Abs. 2 LHG BW entspricht und dass diese auch die Erste juristische Prüfung erfasst, die nach § 5 Abs. 1 DRiG und § 1 Abs. 1 Satz 1 des baden-württembergischen Juristenausbildungsgesetzes - JAG BW - vom (GBl S. 354), zuletzt geändert durch Verordnung vom (GBl S. 65, 72) aus einer staatlichen Pflichtfachprüfung und einer universitären Schwerpunktbereichsprüfung besteht. Indes geht der Kläger auf § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG als bundesrechtliche Vorprägung der landesrechtlichen Regelung in seiner Beschwerdebegründung nicht ein.
8Zu der von dem Kläger allein bezeichneten bundesrechtlichen Anknüpfung der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes hat der Senat entschieden (a.a.O. S. 52 ff. bzw. S. 37 ff.), dass eine aus Art. 12 Abs. 1 GG ableitbare Schutzpflicht des universitären Normgebers in Gestalt einer Verpflichtung zur Anpassung der normativen Ausgestaltung eines Berufsbildes an Veränderungen der Berufswelt allenfalls dann in Betracht zu ziehen ist, wenn das Unterbleiben entsprechender Änderungen oder Ergänzungen die Wahl bzw. die Ausübung des Berufs unverhältnismäßig erschweren würde. Dies hat der Senat vor allem, aber der Sache nach nicht ausschließlich für die sog. Altfälle verneint. In Entsprechung dazu hat der Senat eine Ungleichbehandlung der Betroffenen insbesondere gegenüber Hochschulabsolventen in anderen Studiengängen, denen satzungsgemäß ein Diplom verliehen wird, gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG als gerechtfertigt angesehen.
9Der Senat hat ausgeführt, nach dem herkömmlichen Bild des "Volljuristen" gebe es keinen Bedarf, auf das Bestehen der Ersten juristischen Staatsprüfung und damit den Abschluss eines juristischen Studiums durch Verleihung eines akademischen Titels wie den eines Diploms besonders hinzuweisen. Erwägungen, die auf die Annahme hinausliefen, das Berufsbild des Juristen habe sich dergestalt weiterentwickelt, dass die Verleihung eines Diplomgrades nach Bestehen der Ersten juristischen Staatsprüfung denjenigen Absolventen, die als Juristen in der Wirtschaft tätig sein wollten, einen schnelleren und chancenreicheren Zugang zum Arbeitsmarkt als auf herkömmlichem Weg erlaube, komme jedenfalls für sog. Altfälle, in denen die erste Staatsprüfung schon mehrere Jahre zurückliege, kein wesentliches Gewicht zu. Auch der weitere Aspekt, potentielle Arbeitgeber könnten eine Vorauswahl zwischen Arbeitsplatzbewerbern anhand eines verliehenen Diplomtitels treffen, büße im Hinblick auf Personen, die bereits beruflich tätig gewesen seien oder hätten sein können, an Bedeutung ein. Selbst wenn schließlich der Diplomtitel in der Wirtschaft grundsätzlich auch im Hinblick auf sog. Altfälle gefragt sein sollte, besage dies nicht, dass die Aufnahme des Berufs als Jurist in der Wirtschaft nach erfolgreicher erster Staatsprüfung durch das Fehlen einer Diplomierung spürbar beeinträchtigt werde.
10Jedenfalls die letztgenannte Erwägung hat der Senat demnach ersichtlich nicht auf sog. Altfälle beschränkt. Er hat durch sie vielmehr ohne eine derartige Einschränkung zum Ausdruck gebracht, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung das über die bestandene Erste juristische Staatsprüfung erteilte Zeugnis die von den Absolventen erbrachten Leistungen in hinreichender Weise bescheinigte, ein zusätzlicher Hochschulgrad keine rechtliche Berufszugangsvoraussetzung darstellte und insgesamt kein Anspruch der Betroffenen auf eine möglichst griffige Berufsbezeichnung bestand.
113. Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen kommt es zum einen für den von dem Kläger benannten bundesrechtlichen Bezug der Beschwerde nicht entscheidend darauf an, ob sich seine Situation mit dem Begriff des sog. Altfalls erfassen lässt, oder ob dies auf Grund des Umstandes ausgeschlossen ist, dass er sein Begehren auf Verleihung des Titels eines Diplom-Juristen in engem zeitlichen Zusammenhang mit der bestandskräftigen Entscheidung über das Nichtbestehen der Zweiten juristischen Staatsprüfung geäußert hat.
12Zum anderen setzt eine Zulassung der Grundsatzrevision in der gegebenen Konstellation voraus, dass mit der Nichtzulassungsbeschwerde neue Gesichtspunkte vorgetragen werden, die die aufgeworfene Rechtsfrage trotz der vorliegenden Rechtsprechung als klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden erscheinen lassen (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 7 B 54.60 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 2, vom - BVerwG 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 306 S. 224 und vom - BVerwG 9 B 60.08 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 57 Rn. 5). Hieran fehlt es.
13Der Verwaltungsgerichtshof hat beachtliche Veränderungen in rechtlicher Hinsicht in nicht zu beanstandender Weise verneint (UA S. 11 f., 14 ff.). Der von dem Kläger begehrte akademische Grad stellt weiterhin kein nach Art. 12 Abs. 1 GG relevantes rechtliches Erfordernis für den Zugang zum Arbeitsmarkt dar. Ferner begründet der Umstand, dass mittlerweile ein Teil der baden-württembergischen Hochschulen die von der Beklagten nicht vorgesehene Verleihung eines akademischen Grades nach Ablegung der Ersten juristischen Prüfung vornimmt, schon deshalb keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, weil dieser die Träger öffentlicher Gewalt allein in ihrem konkreten Zuständigkeitsbereich bindet ( BVerwG 6 C 16.08 - BVerwGE 134, 1 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 165 Rn. 40).
14Auch in tatsächlicher Hinsicht haben sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Änderungen ergeben, die den Schluss rechtfertigen könnten, dem Kläger werde durch den Umstand, dass die Beklagte nach Bestehen der Ersten juristischen Prüfung keinen Hochschulgrad verleiht, die Berufsausübung unverhältnismäßig und gleichheitswidrig erschwert. Der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 14) hat im Gegenteil durch Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts (UA S. 10 ff.) festgestellt, dass der Kläger das Bestehen der Ersten juristischen Prüfung mit dem hierüber erteilten Zeugnis für erstrebte unselbständige oder selbständige berufliche Tätigkeiten unproblematisch nachweisen könne, dass potentiellen Arbeitgebern die Bedeutung dieses Zeugnisses hinreichend bekannt sei und sie deshalb keine Vorauswahl anhand eines Diploms träfen, dass das Fehlen eines solchen Grades trotz der Graduierungspraxis anderer juristischer Fakultäten in den maßgeblichen Kreisen (noch) nicht erklärungsbedürftig sei, dass ein Hochschulgrad die im Hinblick auf "Volljuristen" bestehende Konkurrenzsituation ohnehin nicht entschärfen könne und dass eine solche Konkurrenzsituation in Bezug auf Absolventen juristischer Fachhochschulausbildungen nur partiell bestehe.
15Der Kläger hat die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, sondern ihnen lediglich seine eigene Einschätzung entgegengesetzt, das Berufsbild des Juristen habe sich in der seit dem Urteil des Senats vom vergangenen Zeit in der Wirklichkeit stark verändert. Dies ist für eine Darlegung der - erneuten - Klärungsbedürftigkeit der von dem Kläger aufgeworfenen Frage selbst dann unzureichend, wenn man eine Bindung des Senats an die Feststellungen des Berufungsgerichts nach § 137 Abs. 2 VwGO unter Verweis darauf verneinen wollte, dass es sich bei den betreffenden Umständen um sog. "legal facts" handele, die der Senat im Falle der Zulassung der Revision selbst aufklären dürfte (vgl. BVerwG 6 C 8.02 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 89 S. 24). Denn auch für sog. "legal facts" gilt, dass dann, wenn Tatsachen, die vorliegen müssten, damit die mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage sich in einem Revisionsverfahren stellen könnte, von der Vorinstanz nicht festgestellt worden sind, die Revision im Hinblick auf diese Frage nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden kann. Für die Zulassung der Revision muss die Klärungsfähigkeit der gestellten Frage feststehen, weil die Revision nach ihrem Sinn und Zweck nicht mit dem Ziel zugelassen werden kann, im Revisionsverfahren erst die Grundlage zu erarbeiten, auf der sich eine grundsätzlich bedeutsame und klärungsbedürftige Frage vielleicht stellen könnte (vgl. dazu: BVerwG 6 B 37.10 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 173 Rn. 11).
Fundstelle(n):
QAAAE-32832