BAG Urteil v. - 6 AZR 392/11

Ausgleichszahlung gem. § 11 TV-Umgestaltung Bundeswehr nach Bewilligung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung

Gesetze: § 1 TVG, § 33 Abs 2 TVöD

Instanzenzug: ArbG Rheine Az: 1 Ca 38/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 2265/10 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über den Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach § 11 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr vom (TV UmBw) für die Zeit nach Bewilligung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung.

2Der 1950 geborene Kläger war seit 1975 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten, zuletzt im Fliegerhorst H, beschäftigt. Aufgrund vertraglicher Vereinbarung fand der Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder vom (MTArb) in seiner jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Seit dem unterfällt es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom (TVöD) in der für den Bund maßgeblichen Fassung.

Im Zusammenhang mit der Schließung des Fliegerhorstes H vereinbarten die Parteien mit Vertrag vom mit Wirkung ab dem die Anwendung der Härtefallregelung des § 11 TV UmBw. In der für die zwischen den Parteien streitigen Frage maßgeblichen Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom heißt es ua.:

4Die Ausgleichszahlung des Klägers betrug 1.919,66 Euro.

5Dem Kläger wurde auf seinen Antrag vom durch Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom rückwirkend zum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt, die für die Zeit vom bis zum befristet war und monatlich 988,42 Euro betrug. Zuvor war ihm mit Bescheid vom eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 494,22 Euro bewilligt worden. Er leitete beide Rentenbescheide der Beklagten zu. Diese teilte dem Kläger zunächst mit Schreiben vom unter Bezug auf den Bescheid vom mit, das Arbeitsverhältnis ruhe aufgrund der Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit ab dem . Für diese Zeit bestehe kein Anspruch auf die Ausgleichszahlung. In einem Schreiben vom , das dem Kläger am Samstag, dem , zugestellt worden ist, änderte die Beklagte ihre Rechtsauffassung. Aufgrund der Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer durch den Bescheid vom sei das Arbeitsverhältnis bereits mit Ablauf des beendet worden, weil der Kläger keinen Antrag nach § 33 Abs. 3 TVöD auf Weiterbeschäftigung gestellt habe. Das Schreiben vom sei gegenstandslos und werde aufgehoben. Die Parteien streiten in einem seit dem anhängigen Rechtsstreit, der nunmehr vor dem Landesarbeitsgericht Hamm unter dem Az. - 15 Sa 45/13 - geführt wird, über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum sowie die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ab dem monatliche Ausgleichszahlungen nach § 11 TV UmBw in Höhe von 1.919,66 Euro zu zahlen.

6Ausgangspunkt des vorliegenden, seit dem anhängigen Verfahrens ist die von der Beklagten im Schreiben vom vertretene Auffassung, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund des Bescheids vom gemäß § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD vom bis zum geruht, so dass seit dem kein Anspruch auf die Ausgleichszahlung bestanden habe. Der Kläger begehrt die Weiterzahlung der Ausgleichszahlung bis zum . Er hat die Auffassung vertreten, ein bereits ruhendes Arbeitsverhältnis könne nicht noch einmal ruhend gestellt werden. Die Regelung in § 17 Abs. 1 TV UmBw sei eine abschließende, § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD verdrängende Spezialregelung. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit eines Bezugs einer befristeten Erwerbsminderungsrente übersehen hätten.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

8Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung vorgetragen, aufgrund des Rentenbezugs des Klägers habe das Arbeitsverhältnis gemäß § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD im streitbefangenen Zeitraum geruht. Dieser neue Ruhensgrund habe § 11 TV UmBw ersetzt. Andernfalls werde der Kläger im Unterschied zu Arbeitnehmern, auf die die Härtefallregelung keine Anwendung finde, dadurch begünstigt, dass er sowohl die Erwerbsminderungsrente als auch die Ausgleichszahlung erhalte. Eine solche Doppelzahlung sei von den Tarifvertragsparteien nicht beabsichtigt gewesen. Voraussetzung für die Leistungen aus dem TV UmBw sei ein bestehendes und in Vollzug befindliches Arbeitsverhältnis. Daran fehle es im Falle des Klägers. Es liege eine unbewusste Regelungslücke vor. Diese sei dadurch zu schließen, dass die Ausgleichszahlung eingestellt werde, wenn eine Rente befristet wegen Erwerbsminderung bewilligt sei.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Im Revisionsverfahren hat sich die Beklagte in einem Teilvergleich verpflichtet, bei Obsiegen des Klägers im vorliegenden Verfahren diesem für die Zeit vom 10. bis eine Ausgleichszahlung nach § 11 TV UmBw zu zahlen, soweit das Arbeitsverhältnis in diesem Zeitraum nach einer rechtskräftigen Feststellung im Verfahren - 15 Sa 45/13 - des Landesarbeitsgerichts Hamm noch bestanden hat.

Gründe

10Die Revision ist begründet, soweit der Kläger die Zahlung der Ausgleichszahlung nach § 11 Abs. 2 TV UmBw bis zum begehrt. Dieser Anspruch ist durch die Bewilligung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom nicht entfallen. Ob dem Kläger die Ausgleichszahlung auch für die Zeit vom 10. bis zugestanden hat, hängt davon ab, ob in diesem Zeitraum noch ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat. Insoweit hat sich die Beklagte durch den am geschlossenen Teilvergleich verpflichtet, dem Kläger die Ausgleichszahlung zu gewähren, wenn der Bestand des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig festgestellt wird.

11A. Die Klage ist zulässig.

12I. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Klage der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit nicht entgegen. Gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist nur die später rechtshängig gemachte Klage unzulässig. Etwas anderes gilt nur, wenn beide Verfahren gleichzeitig rechtshängig gemacht werden. In einem solchen, hier nicht vorliegenden, Fall sind beide Klagen unzulässig ( - BAGE 83, 288).

13II. Die Feststellungsklage ist zulässig. Zwar ist zwischenzeitlich eine Bezifferung des Anspruchs für den gesamten streitbefangenen Zeitraum möglich. War eine Feststellungsklage im Zeitpunkt der Erhebung der Klage wie hier zulässig, muss der Kläger jedoch nicht nachträglich zur Leistungsklage übergehen, wenn dies im Lauf des Rechtsstreits möglich wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kläger vor Beendigung des ersten Rechtszugs zur Leistungsklage hätte übergehen können, ohne dass dadurch die Sachentscheidung verzögert worden wäre ( - mwN, BGHZ 164, 181). Das ist hier nicht der Fall.

14B. Der Senat kann den vorliegenden Rechtsstreit entscheiden. Zwar ist die noch in den Tatsacheninstanzen rechtshängige Frage, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund des Rentenbescheids vom , mit dem dem Kläger eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt worden ist, nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TVöD bereits mit dem beendet worden ist, vorgreiflich. Aus Rechtsgründen ist das Arbeitsverhältnis jedoch durch diesen Bescheid frühestens zum beendet worden. Der Senat hat deshalb davon abgesehen, den Rechtsstreit für die Zeit bis zum nach § 148 ZPO auszusetzen. Für den restlichen streitbefangenen Zeitraum bis zum haben die Parteien einen Unterwerfungsteilvergleich geschlossen.

15I. Mit einer Aussetzung nach § 148 ZPO sollen die doppelte Prüfung derselben Frage in mehreren Prozessen sowie einander widersprechende Entscheidungen verhindert und die Prozesswirtschaftlichkeit gefördert werden ( (A) - Rn. 9, BAGE 134, 307). Die Entscheidung über die Aussetzung hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Hierbei sind die Erfolgsaussicht der anderen Klage und die mit einer Aussetzung verbundene Verfahrensverzögerung gegeneinander abzuwägen ( - MDR 1992, 1083). Der Senat kann ohne weiteren Sachvortrag aufgrund des unstreitigen Sachverhalts auf der Grundlage gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung die Frage beantworten, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis der Parteien durch den Bescheid vom unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten frühestens beendet worden ist. Aufgrund dieser klaren Sach- und Rechtslage, angesichts derer die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen faktisch ausgeschlossen ist, überwiegt das Interesse des Klägers an einer baldigen Entscheidung über einen bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Anspruch auf die Ausgleichszahlung nach § 11 TV UmBw (vgl.  - zu B der Gründe, BAGE 98, 323; vgl. zum gegenteiligen Fall, in dem eine Sachentscheidung durch das Revisionsgericht nicht möglich ist, weil deren Voraussetzungen im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden können,  - zu II 4 der Gründe, BGHZ 97, 135).

16II. Auch wenn die Rechtsauffassung der Beklagten im Grundsatz zuträfe, wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit dem beendet worden. Danach endet in Fällen, in denen - wie hier - (die Rechtsauffassung der Beklagten als zutreffend unterstellt) die auflösende Bedingung vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 21 iVm. § 15 Abs. 2 TzBfG eingetreten ist, das Arbeitsverhältnis erst mit Ablauf dieser Frist ( - Rn. 26; - 7 AZR 402/10 - Rn. 27, AP TzBfG § 21 Nr. 9 = EzA TzBfG § 17 Nr. 14; - 7 AZR 704/09 - Rn. 18 ff., BAGE 137, 292; vgl. auch - 7 AZN 956/12 - NZA 2012, 1116). Das Arbeitsverhältnis der Parteien kann deshalb frühestens zwei Wochen nach Zugang des Schreibens vom beendet worden sein. Bis zu diesem Schreiben hat sich die Beklagte auf die ihrer Auffassung nach nunmehr maßgebliche auflösende Bedingung, nämlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 1 TVöD infolge des Bescheids vom , nicht berufen. Im Gegenteil hat sie dem Kläger mit Schreiben vom ausdrücklich mitgeteilt, das Arbeitsverhältnis ruhe aufgrund des Bescheids vom nach § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD. Das Schreiben vom ist dem Kläger am zugestellt worden. Selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Beklagten, wie sie sie in dem unter dem Az. - 15 Sa 45/13 - vor dem Landesarbeitsgericht Hamm geführten Verfahren - abweichend von ihrer im vorliegenden Rechtsstreit auch noch in der Verhandlung vor dem Senat am verteidigten Ansicht - vertritt, ist das Arbeitsverhältnis deshalb frühestens mit Ablauf des beendet worden.

17C. Die Klage ist weitgehend begründet. Der Kläger hat ungeachtet des Bezugs einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund des Bescheids vom Anspruch auf die Ausgleichszahlung für die Zeit vom zumindest bis zum .

18I. § 11 Abs. 9 Buchst. a und Buchst. b iVm. § 17 Abs. 1 Satz 2 TV UmBw sowie § 33 Abs. 2 TVöD regeln eindeutig und abschließend, welche Folgen die Bewilligung einer befristeten Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung für den Anspruch auf die Ausgleichszahlung hat. Insoweit fehlt es, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, bereits an einer Regelungslücke und damit am Ausgangspunkt aller weiteren rechtlichen Überlegungen des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten. Die Ausgleichszahlung ist nach diesen Vorschriften bei Bewilligung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung ungekürzt fortzuzahlen, weil das Arbeitsverhältnis durch eine solche Rente nicht iSv. § 11 Abs. 9 Buchst. a und Buchst. b iVm. § 17 Abs. 1 Satz 2 TV UmBw und § 33 Abs. 2 TVöD beendet wird. Die Ruhensregelung in § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD ersetzt auch nicht die speziellere Ruhensregelung des § 11 TV UmBw.

191. Die Tarifvertragsparteien haben in § 11 Abs. 9 Buchst. a TV UmBw geregelt, dass der Anspruch auf die Ausgleichszahlung entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis endet. Unter Buchst. b dieser Bestimmung verweisen sie auf § 17 TV UmBw. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 TV UmBw entfällt der Anspruch auf die Ausgleichszahlung wie jeder andere Anspruch aus Abschnitt I des Tarifvertrags ua. dann, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung endet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der TV UmBw selbst nicht festlegt, wann diese Voraussetzung erfüllt ist. Es hat ebenfalls zutreffend angenommen, dass die Tarifvertragsparteien durch die Formulierung in § 17 Abs. 1 Satz 2 TV UmBw gezeigt haben, dass sie insoweit auf § 33 Abs. 2 TVöD abstellen wollten, der die Rechtsfolgen der Bewilligung von Erwerbsminderungsrenten auf das Arbeitsverhältnis regelt und dabei zwischen befristeten und unbefristeten Erwerbsminderungsrenten differenziert: Satz 1 dieser Norm ordnet an, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Rentenbescheids, der die volle oder teilweise Erwerbsminderung unbefristet feststellt, endet. § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD bestimmen demgegenüber, dass das Arbeitsverhältnis nicht endet, sondern ruht, wenn eine Erwerbsminderungsrente nur befristet gewährt wird. § 33 Abs. 2 TVöD unterscheidet damit eindeutig zwischen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die nur eintritt, wenn durch einen Rentenbescheid die Erwerbsminderung unbefristet festgestellt wird, einerseits und einem bloßen Ruhen des Arbeitsverhältnisses, das Folge einer befristeten Erwerbsminderungsrente ist, andererseits.

202. Es fehlt an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Regelung in § 11 Abs. 9 Buchst. a und Buchst. b iVm. § 17 Abs. 1 Satz 2 TV UmBw den Fall der Bewilligung einer befristeten Erwerbsminderungsrente übersehen haben.

21a) Seit Inkrafttreten des § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom (RRErwerbG, BGBl. I S. 1827) am ist - wie bereits im Rentenreformgesetz 1999 vom (RRG 1999, BGBl. I S. 2998) vorgesehen - das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis von unbefristeten und befristeten Renten in sein Gegenteil verkehrt. In bewusster und gewollter Abkehr vom alten Recht werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI nF regelmäßig nur noch auf Zeit geleistet, während nach dem alten Recht die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Regelfall als unbefristete Rente gewährt wurde. Das Recht der Erwerbsminderungsrente ist zum damit komplett umgestaltet worden ( - BSGE 96, 147, 149).

22b) Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien gerade den bei Abschluss des TV UmBw am geltenden Regelfall der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die Rente auf Zeit, übersehen haben. Im Gegenteil sprechen Wortlaut und Systematik des TV UmBw iVm. § 33 Abs. 2 TVöD eindeutig dafür, dass die Tarifvertragsparteien in § 17 Abs. 1 Satz 2 TV UmBw die Folgen der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente für den Anspruch auf die Ausgleichszahlung bewusst und abschließend regeln wollten. Sie haben mit der Anordnung, dass dieser Anspruch bei Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente (nur) entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis endet, bestimmt, dass ausschließlich die Bewilligung einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente zum Verlust des Anspruchs führt. Nur eine solche Rente hat nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TVöD die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Daraus folgt, dass die Bewilligung einer befristeten Erwerbsminderungsrente als Regelfall des reformierten Rechts der Erwerbsminderungsrente, die gemäß § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD lediglich das Ruhen des Arbeitsverhältnisses zur Folge hat, den Anspruch auf die Ausgleichszahlung nach dem Willen der Tarifvertragsparteien unangetastet lässt. Zugleich ergibt sich daraus, dass § 11 Abs. 9 Buchst. b iVm. § 17 Abs. 1 Satz 2 TV UmBw hinsichtlich der Folgen, die die Bewilligung einer befristeten Erwerbsminderungsrente für die Ausgleichszahlung hat, lex specialis gegenüber der Ruhensregelung in § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD ist.

233. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sprechen Sinn und Zweck der Härtefallregelung nicht gegen, sondern für ein solches Verständnis der Tarifregelung.

24a) Die Ausgleichszahlung nach § 11 TV UmBw soll den Einkommensverlust ausgleichen, der dadurch eintritt, dass ein Beschäftigter durch die Umstrukturierung der Bundeswehr seinen konkreten Arbeitsplatz verloren hat und für ihn im Bereich der Bundeswehr auch keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit iSd. § 3 TV UmBw besteht. Für diese Beschäftigten sichert § 11 TV UmBw den Besitzstand ( - Rn. 17, AP TV UmBw § 6 Nr. 3). Dabei ist zum Ausgleich für den Ausschluss der betriebsbedingten Kündigung die Ausgleichszahlung gegenüber dem letzten tatsächlichen Einkommen abgesenkt ( - Rn. 20, ZTR 2009, 641).

25b) Aus diesem Zweck und der tariflichen Ausgestaltung der Ausgleichszahlung folgt, dass der Anspruch auf diese Zahlung entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts grundsätzlich nicht davon abhängt, ob der Beschäftigte seine Arbeitskraft während der Zeit, in der das Arbeitsverhältnis ruht, der Beklagten anbieten könnte. Dies wird daraus deutlich, dass gemäß § 11 Abs. 6 TV UmBw die Vorschriften über die Entgeltfortzahlung keine Anwendung finden. Auch der dauerhaft arbeitsunfähige Beschäftigte erhält also unabhängig davon, ob der gesetzliche bzw. tarifliche Zeitraum, in dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder Krankengeldzuschuss besteht, verstrichen ist, weiterhin die ungekürzte Ausgleichszahlung.

26c) Das Landesarbeitsgericht weist allerdings zutreffend darauf hin, dass einem Beschäftigten, der Erwerbsminderungsrente bezieht, von der Beklagten kein Angebot zur Reaktivierung iSv. § 11 Abs. 9 Buchst. c TV UmBw unterbreitet werden kann. Auch trifft seine Auffassung zu, dass in einem solchen Fall nicht mehr der Verlust des Arbeitsplatzes, sondern letztlich der Gesundheitszustand des Beschäftigten ursächlich dafür ist, dass dieser nicht mehr für die Beklagte tätig werden kann. Ausgehend von dem dargelegten Zweck der Ausgleichszahlung steht dies einer Weiterzahlung der Ausgleichszahlung für die Dauer der befristeten Rente wegen Erwerbsminderung jedoch nicht entgegen. Der der Zahlung zugrunde liegende Wegfall des Arbeitsplatzes besteht fort, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Auf die (ohnehin nur noch fiktive) Möglichkeit einer tatsächlichen Tätigkeit des Beschäftigten kommt es, wie ausgeführt, nicht an. Auch bei einem dauerhaft arbeitsunfähigen Beschäftigten ist sein Gesundheitszustand und nicht der zeitlich davor liegende Wegfall des Arbeitsplatzes letztursächlich dafür, dass er nicht beschäftigt werden kann. Gleichwohl erhält er die Ausgleichszahlung dauerhaft und ungekürzt bis zum vereinbarten Ende der Ruhensregelung oder bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus den in § 17 TV UmBw genannten Gründen. Es fehlt an jeglichem Anhaltspunkt im Wortlaut des Tarifvertrags dafür, dass die Tarifvertragsparteien zwischen dauerhaft arbeitsunfähigen Beschäftigten, die Erwerbsminderungsrente beziehen, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist, differenzieren wollten.

274. Die Tarifregelung führt bei dieser Auslegung auch nicht zu einer von den Tarifvertragsparteien nicht gewollten und von ihnen übersehenen Besserstellung von Beschäftigten wie dem Kläger gegenüber den Beschäftigten, die keine Härtefallvereinbarung getroffen haben und eine befristete Erwerbsminderungsrente beziehen. Zwar erhält der letztgenannte Personenkreis statt des bisher bezogenen Arbeitsentgelts nur die Erwerbsminderungsrente, solange das Arbeitsverhältnis nach § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD ruht. Demgegenüber beziehen die Beschäftigten in der Härtefallregelung nicht nur die befristete Rente wegen Erwerbsminderung, sondern aufgrund der tariflichen Ausgestaltung dieser Regelung in §§ 11, 17 TV UmBw zusätzlich noch die Ausgleichszahlung. Anders, als das Landesarbeitsgericht und die Beklagte annehmen, führt dies jedoch nicht zu einer von den Tarifvertragsparteien nicht beabsichtigten Übersicherung der Beschäftigten in der Härtefallregelung. Das Landesarbeitsgericht und die Beklagte beachten bei ihrer Argumentation die sozialversicherungsrechtlichen Anrechnungsvorschriften bei Hinzuverdienst, auf die die Beklagte erstinstanzlich noch selbst hingewiesen hat, nicht ausreichend.

a) Nach § 96a Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der bis zum geltenden Fassung wurde eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten war. Nach § 96a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI betrug die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe, wie sie dem Kläger mit Bescheid vom bewilligt worden war, 400,00 Euro. Arbeitsentgelt sind gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang damit erzielt werden. Unter diesen Begriff des Arbeitsentgelts fällt auch die Ausgleichszahlung nach § 11 TV UmBw. Wird die Hinzuverdienstgrenze überschritten, ist die Erwerbsminderungsrente nicht zu leisten. Dabei ist gestaffelt vorzugehen (vgl. KassKomm/Gürtner Bd. 2 Stand August 2008 § 96a SGB VI Rn. 14, 21):

29Dem Kläger war wegen des fortbestehenden Anspruchs auf die Ausgleichszahlung die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dieser Anrechnungsbestimmung nur zur Hälfte zu zahlen. Mit 1.919,66 Euro überschritt der Hinzuverdienst zwar die Grenze des § 96a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a SGB VI, die des Buchst. b dieser Bestimmung von 2.207,41 Euro war jedoch nicht erreicht. Dem Kläger waren als Erwerbsminderungsrente nicht 988,42 Euro, sondern nur 494,21 Euro auszuzahlen.

30b) Durch diese sich aus dem Gesetzestext nur begrenzt erschließende Anrechnungsregelung ist sichergestellt, dass die Rente wegen Erwerbsminderung ihre Lohnersatzfunktion behält und Doppelzahlungen, wie sie das Landesarbeitsgericht und die Beklagte annehmen, auch bei Fortbestand des Anspruchs auf die Ausgleichszahlung weitgehend vermieden werden. Damit ist gewährleistet, dass die Beschäftigten in der Zeit, in der das Arbeitsverhältnis wegen der Härtefallregelung ruht, auch während des Bezugs einer befristeten Rente wegen Erwerbsminderung kein Einkommen erzielen, das den Verdienst aus einer geringfügigen Beschäftigung, wie er nach § 11 Abs. 7 TV UmBw neben der Ausgleichszahlung zulässig ist, wesentlich übersteigt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Erwerbsminderungsrente auch auf Beiträgen des Beschäftigten beruht, liegt deshalb keine Übersicherung vor.

31II. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt würde, dass die Tarifvertragsparteien bei Vereinbarung des § 11 Abs. 9 Buchst. a und Buchst. b iVm. § 17 Abs. 1 TV UmBw die Fälle, in denen Beschäftigte eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung beziehen, nicht bedacht hätten, schiede eine ergänzende Auslegung dieser Regelungen aus. Eine solche Auslegung ist im Hinblick auf die von den Gerichten zu achtende Tarifautonomie nur möglich, wenn entweder eine tarifliche Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist oder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt. Ergeben sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien, können die Gerichte die Lücke schließen ( - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1a Nr. 10). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

321. Die tarifliche Regelung ist nicht nachträglich lückenhaft geworden. Gesetzliche oder tarifliche Änderungen, die den Tarifvertragsparteien bei Abschluss des TV UmBw und/oder bei späteren Änderungen unbekannt waren und die sie auch nicht absehen konnten (zu einer derartigen Konstellation siehe  - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 1a Nr. 10), sind nicht erfolgt. Die grundlegende Umgestaltung des Rechts der Erwerbsminderungsrente war, wie ausgeführt, bereits seit dem RRG 1999 vom absehbar und vor Inkrafttreten des TV UmBw vom Gesetzgeber mit § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI idF des RRErwerbG vom umgesetzt worden.

332. Selbst wenn bereits bei Abschluss des TV UmBw im Jahr 2001 eine unbewusste tarifliche Regelungslücke vorgelegen hätte, könnte diese nicht, wie vom Landesarbeitsgericht angenommen, durch die analoge Anwendung des § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD geschlossen werden. Die tarifliche Neuregelung wäre vielmehr den Tarifvertragsparteien vorbehalten.

34a) Fehlen im Tarifvertrag sichere Anhaltspunkte dafür, wie die Tarifvertragsparteien die Lücke gefüllt hätten, wenn sie diese bei Tarifabschluss bemerkt hätten, schließen die Arbeitsgerichte die Lücke aber dennoch, greifen sie unzulässig in die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien ein. Bestehen mehrere Möglichkeiten, die Lücke zu schließen, bleibt also den Tarifvertragsparteien ein Spielraum zur Lückenschließung, muss es ihnen wegen der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie überlassen bleiben, die von ihnen für angemessen gehaltene Regelung selbst zu finden ( - Rn. 30).

35b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fehlt es an hinreichend klaren Anhaltspunkten dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine Regelungslücke gerade durch die Anordnung der analogen Anwendung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nach § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD geschlossen hätten. Im Gegenteil ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die Tarifvertragsparteien die Lücke gefüllt hätten. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass mehrere Möglichkeiten zur Lückenschließung bestanden, ohne dass entsprechende Anhaltspunkte bestehen, welche dieser Möglichkeiten die Tarifvertragsparteien zur Lückenschließung verwendet hätten.

36aa) Zum einen hätten die Tarifvertragsparteien es bei einem ungekürzten Anspruch auf die Ausgleichszahlung auch bei Bezug einer befristeten Erwerbsminderungsrente belassen können. Eine solche, wie ausgeführt mit dem Zweck der Regelung zu vereinbarende, tarifliche Ausgestaltung des Anspruchs liegt nach der tariflichen Systematik sogar nahe.

37(1) Es ist nämlich rechtlich geboten, dass eine Rente wegen teilweiser Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht automatisch zu einer Beendigung oder einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt. Vielmehr muss der nur teilweise in seiner Erwerbsfähigkeit geminderte Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, auf Antrag nach seinem Leistungsvermögen auf einem freien, ihm zumutbaren Arbeitsplatz weiterbeschäftigt zu werden, sofern dies auch dem Arbeitgeber zumutbar ist (vgl.  - zu B I 4 der Gründe, BAGE 108, 77; - 7 AZR 118/01 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 102, 114). Die Tarifvertragsparteien des TVöD haben dieser Verpflichtung durch § 33 Abs. 3 TVöD Rechnung getragen. Die Härtefallregelung des § 11 TV UmBw ist aber bewusst als ultima-ratio-Regelung ausgestaltet. Sie kann nur vereinbart werden, wenn es keinerlei Beschäftigungsmöglichkeit nach § 3 TV UmBw mehr gibt (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Januar 2006 Teil VI Begleitmaßnahmen Umgestaltung Bundeswehr Erl. 13.1; Weiß TV UmBw [2012] Seite 52). Eine Möglichkeit zu einer Beschäftigung nach § 33 Abs. 3 TVöD bestünde damit im Anwendungsbereich der Härtefallregelung des TV UmBw im Regelfall nicht. Bei Bewilligung einer unbefristeten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung liefe § 33 Abs. 3 TVöD damit leer. Gleichwohl wäre bei einer uneingeschränkten Anwendung des § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TVöD auf diesen Fall - bzw. bei der Anordnung der Einstellung der Ausgleichszahlung in solchen Fällen - der Beschäftigte allein auf seine Erwerbsminderungsrente verwiesen, ohne die Möglichkeit anderweitigen Erwerbs bei der Beklagten zu haben. Dies gölte selbst dann, wenn es sich um eine Kleinstrente handelte, die den Beschäftigten nicht in der mit § 11 TV UmBw bezweckten Weise sozial absicherte.

38(2) Es spricht nichts dafür, dass die Tarifvertragsparteien in einer solchen Weise den sozialen Schutzgedanken des § 11 TV UmBw missachtet hätten. Vielmehr erscheint es möglich, dass die Tarifvertragsparteien bei befristeten Erwerbsminderungsrenten nicht nur wegen teilweiser, sondern auch wegen voller Erwerbsminderung den Anspruch auf die Ausgleichszahlung ungekürzt hätten bestehen lassen.

39bb) Jedenfalls wäre es vor dem soeben dargelegten Hintergrund nicht auszuschließen, dass die Tarifvertragsparteien zumindest bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht den vollständigen Ausschluss der Ausgleichszahlung angeordnet hätten.

40cc) Schließlich hätten die Tarifvertragsparteien die Anrechnung der Erwerbsminderungsrente in der tatsächlich ausgezahlten Höhe auf die Ausgleichszahlung anordnen können. Das vermiede die vom Landesarbeitsgericht und von der Beklagten befürchtete Übersicherung und trüge zugleich dem Besitzstandsschutzgedanken des TV UmBw Rechnung.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 98 ZPO. Selbst dann, wenn der Kläger hinsichtlich des noch offenen Teils des ursprünglichen Streits der Parteien in vollem Umfang unterliegen würde, läge der Gesamtumfang seines Unterliegens unter 10 %. In einem solchen Fall ist die Zuvielforderung noch verhältnismäßig geringfügig iSd. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, so dass die Gegenseite die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (st. Rspr. seit  - Rn. 26, AP TV-L § 16 Nr. 1 = EzTöD 200 TV-L § 16 Stufenzuordnung Nr. 6).

Fundstelle(n):
BB 2013 S. 1204 Nr. 20
RAAAE-32541