Urlaubsabgeltung im Baugewerbe - Passivlegitimation
Gesetze: § 8 BauRTV vom , § 13 VTV-Bau vom , § 14 VTV-Bau vom , § 1 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG, § 11 BUrlG, § 13 Abs 1 BUrlG, § 13 Abs 2 BUrlG
Instanzenzug: Az: 65 Ca 60260/10 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 24 Sa 2315/10 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger begehrt von dem Beklagten, der in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung organisierten Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK), die Zahlung weiterer Urlaubsabgeltung.
Der Kläger war vom bis zum bei der J GmbH, einem Bauunternehmen mit Sitz in Sachsen-Anhalt, als gewerblicher Arbeitnehmer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis fand der für allgemeinverbindlich erklärte Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom in der Fassung vom (BRTV aF) Anwendung. Die Arbeitsvertragsparteien hatten vereinbart, dass sich der Urlaubsanspruch „nach dem Bautarif und den gesetzlichen Bestimmungen“ richte. Zum Urlaub war im BRTV aF auszugsweise Folgendes geregelt:
Der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom in der Fassung vom (VTV aF), allgemeinverbindlich ab , sieht zur Urlaubsabgeltung vor:
Am vereinbarten die Tarifvertragsparteien einen Änderungstarifvertrag, der am in Kraft trat (BRTV nF). § 8 Nr. 5 BRTV wurde geändert und lautet nunmehr auszugsweise wie folgt:
5Der Kläger erkrankte am . Er war bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am und darüber hinaus bis mindestens April 2010 arbeitsunfähig krank. Er ist nicht mehr in der Lage, in seinem Beruf als Bauarbeiter tätig zu sein. In den Jahren 2008 und 2009 wurde dem Kläger kein Urlaub gewährt und keine Urlaubsvergütung gezahlt. Der Beklagte zahlte ausweislich des Arbeitnehmerkontoauszugs zum an den Kläger Urlaubsabgeltung iHv. 619,35 Euro.
6Der Kläger hat mit seiner dem Beklagten am zugestellten Klage die Auffassung vertreten, für das Jahr 2008 stünden ihm 30 und für das Jahr 2009 18 Arbeitstage bezahlter Erholungsurlaub zu. Diese seien wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung abzugelten. Nach Maßgabe seines Bruttolohns stehe ihm ein durchschnittlicher Urlaubsvergütungsanspruch pro Tag iHv. 104,62 Euro zu.
Der Kläger hat beantragt,
8Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die tarifvertraglichen Regelungen stünden mit dem Europarecht in Einklang. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch richte sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen ihn als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien. Als solche habe er nur beitragsgedeckte Urlaubsabgeltungsansprüche gemäß den Bautarifverträgen zu erfüllen. Dieser Pflicht sei er nachgekommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Gründe
10Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.
11I. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer weiteren, über den Betrag von 619,35 Euro hinausgehenden Urlaubsabgeltung bzw. Entschädigung. Der Beklagte ist insoweit nicht passivlegitimiert.
121. Der Beklagte hat den sich nach § 8 BRTV in der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2009 geltenden Fassung (BRTV aF) ergebenden Urlaubsabgeltungsanspruch erfüllt. Darüber besteht zwischen den Parteien kein Streit. Der BRTV in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom (BRTV nF) findet im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil er erst am in Kraft trat.
132. Dem Kläger steht kein weitergehender Zahlungsanspruch aufgrund anderer Rechtsgrundlagen gegen den Beklagten zu.
14a) Das Landesarbeitsgericht ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vom Kläger geltend gemachten Urlaubstage nach dem BRTV aF nicht entstanden sind. Nach § 8 Nr. 2.3 Satz 2 dritter Spiegelstrich BRTV aF werden zwar bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs solche Tage nicht berücksichtigt, für die der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer weder Arbeitsentgelt noch Krankengeld oder Verletztengeld erhalten hat. Ausweislich des in Kopie mit der Klageschrift zur Gerichtsakte gereichten Schreibens vom geht der Beklagte jedoch selbst davon aus, dass der Kläger nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums von April 2008 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Juli 2009 Krankengeld bezog. Abweichende Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Ob § 8 Nr. 2.3 Satz 2 dritter Spiegelstrich BRTV aF den Urlaubsanspruch bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern in zulässiger Weise beschränkte, muss der Senat vor diesem Hintergrund nicht entscheiden.
15b) Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten bestand für die Urlaubstage auch ein Vergütungsanspruch. Zwar sollten Zeiten unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit im Referenzzeitraum aufgrund der Streichung der Ausgleichsbeträge für Ausfallstunden ab dem (vgl. § 8 Nr. 5 BRTV aF) zu einer Verminderung der Urlaubsvergütung führen und somit sogar nur ein Anspruch auf unbezahlten Urlaub entstehen können. Diese Regelung steht jedoch im Widerspruch zu den Bestimmungen des BUrlG und ist - jedenfalls in Bezug auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch - insoweit unwirksam. Im Übrigen konterkariert sie die von den Tarifvertragsparteien selbst in § 8 Nr. 15.1 BRTV aF hervorgehobene Aufgabe des Beklagten, die Auszahlung der Urlaubsvergütung zu sichern. Ungeachtet der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, der nicht restriktiv ausgelegt werden darf ( und C-230/11 - [Heimann und Toltschin] Rn. 22 f. mwN, NZA 2012, 1273), ist weder die Verminderung, geschweige denn der völlige Ausschluss jeglicher Vergütung während des Erholungsurlaubs zur Erreichung des in § 13 Abs. 2 Satz 1 BUrlG genannten Ziels der Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs erforderlich. Sinn und Zweck der Tariföffnungsklauseln in § 13 BUrlG ist es nicht, Arbeitgeber von den mit dem bezahlten Erholungsurlaub bzw. der Urlaubsabgeltung verbundenen Kosten zum Nachteil der Arbeitnehmer zu entlasten.
16aa) Nach § 1 BUrlG haben Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Damit ist ihr Arbeitsentgelt nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. der Berechnungsvorschrift des § 11 Abs. 1 BUrlG während der Freistellung von der Arbeitspflicht als Urlaubsentgelt weiterzuzahlen ( - Rn. 32 mwN, BAGE 132, 247). Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG bleiben bei der Ermittlung des Geldfaktors Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Unverschuldete Arbeitsversäumnis iSd. Norm liegt ua. vor bei Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlungsanspruch (HWK/Schinz 5. Aufl. § 11 BUrlG Rn. 49; vgl. auch ErfK/Gallner 13. Aufl. § 11 BUrlG Rn. 25).
17bb) Von dieser Berechnungsmethode weicht der BRTV aF in mehrfacher Weise ab. Die Tarifbestimmungen erweitern oder verkürzen den Referenzzeitraum von 13 Wochen auf das Urlaubsjahr vor der Urlaubsgewährung. Ob der Referenzzeitraum verlängert oder verkürzt wird, hängt von der Lage des Urlaubs im Urlaubsjahr ab. Die Regelungen pauschalieren zudem das Urlaubsentgelt bei nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern anhand der Rechengröße von 11,4 % des Bruttolohns, den der Arbeitnehmer vor Urlaubsantritt im Urlaubsjahr zu beanspruchen hat (Gesamtbruttolohn im Urlaubsjahr x 11,4 % : Anzahl der erworbenen Urlaubstage x beanspruchte Urlaubstage; vgl. - Rn. 35, BAGE 132, 247). Außerdem sind Verdienstausfälle, die im Berechnungszeitraum aufgrund unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit eintreten, bei der Berechnung des Urlaubsentgelts anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
18cc) Jedenfalls soweit die Tarifbestimmungen § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG abbedingen, wonach Verdienstkürzungen im Berechnungszeitraum infolge von unverschuldeter Arbeitsversäumnis wegen Krankheit für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht bleiben, werden diese Regelungen weder von der allgemeinen Öffnungsklausel für Tarifverträge in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch von der speziellen Öffnungsklausel für das Baugewerbe in § 13 Abs. 2 BUrlG getragen.
19(1) Die allgemeine Tariföffnungsklausel deckt die tarifliche Berechnungsregelung nicht.
20(a) Nach § 13 Abs. 1 BUrlG dürfen die Tarifvertragsparteien nicht zulasten der Arbeitnehmer von § 1 BUrlG abweichen. Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. „Bezahlt“ iSv. § 1 BUrlG ist der Erholungsurlaub, wenn der Vergütungsanspruch unberührt bleibt, obwohl der Arbeitnehmer nicht arbeitet. Schon aus § 1 BUrlG ergibt sich die Pflicht, die Vergütung während des Urlaubs weiterzuzahlen. Dementsprechend bedeutet nach der Rechtsprechung des EuGH der Ausdruck „bezahlter Jahresurlaub” in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, dass das Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs im Sinne dieser Richtlinie weiterzugewähren ist. Der Arbeitnehmer muss für diese Ruhezeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten ( - [Williams ua.] Rn. 19, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 5; - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 58, Slg. 2009, I-179). Tarifverträge dürfen diese aus § 1 BUrlG folgende Entgeltfortzahlungspflicht nicht durch eine von § 11 Abs. 1 BUrlG abweichende Berechnung der weiterzuzahlenden Vergütung mindern. Die Tarifvertragsparteien können jedoch jede Berechnungsmethode wählen, die geeignet ist, ein Urlaubsentgelt sicherzustellen, wie es der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung voraussichtlich hätte erwarten können ( - Rn. 19, BAGE 135, 301; - 9 AZR 844/08 - Rn. 39 mwN, BAGE 132, 247). Bei der Prüfung der Frage, ob die Tarifvertragsparteien Regelungen getroffen haben, die sich im Rahmen des § 13 Abs. 1 BUrlG halten, ist abstrakt darauf abzustellen, ob die Gesamtheit der tariflichen Regelungen, die die Höhe des Urlaubsentgelts bestimmen (Zeit- und Geldfaktor), die aufgezeigten Grenzen überschreitet oder nicht. Nicht einzubeziehen in diesen abstrakten Günstigkeitsvergleich sind über das BUrlG hinaus gewährte zusätzliche Leistungen, wie zB ein zusätzliches Urlaubsgeld oder eine die Mindestdauer überschießende Anzahl von Urlaubstagen ( - Rn. 16, AP BUrlG § 11 Nr. 66 = EzA BUrlG § 13 Nr. 60).
21(b) Das strenge Referenzprinzip des § 8 Nr. 4.1 BRTV aF, nach dem Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung unbeschränkte Berücksichtigung finden, ist nicht geeignet, ein Urlaubsentgelt sicherzustellen, wie es der Arbeitnehmer bei Weiterarbeit ohne Freistellung voraussichtlich hätte erwarten können. Zum einen fehlt ein innerer Zusammenhang zwischen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung und der Vergütung geleisteter Arbeit. Die Höhe der Vergütung des Bauarbeiters für geleistete Arbeit ist nicht davon abhängig, ob und wie lange er zuvor arbeitsunfähig krank war. Zum anderen ist die Einbeziehung der Zeiten ohne Entgeltfortzahlung geeignet, ganz erhebliche Kürzungen der Urlaubsvergütung bis hin zu einer Urlaubsvergütung „Null“ zu begründen. Insofern besteht auch ein Unterschied zwischen Zeiten des Bezugs von Kurzarbeitergeld (vgl. dazu - Rn. 41, BAGE 132, 247, m. zust. Anm. Höpfner AP BUrlG § 11 Nr. 65, zu IV) und Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung. Während Krankheiten zu monate- oder gar jahrelanger Arbeitsunfähigkeit führen können, ist die Dauer der Zahlung von Kurzarbeitergeld gesetzlich begrenzt. Zudem kann Kurzarbeit auch im Rahmen einer verringerten Wochenarbeitszeit erbracht werden (vgl. - Rn. 13 mwN, aaO), während die Arbeitsunfähigkeit nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums typischerweise zum völligen Wegfall der Vergütung führt.
22(2) Die Abweichung des § 8 Nr. 4 BRTV aF von § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG ist auch nicht durch § 13 Abs. 2 BUrlG gedeckt. Wortlaut und Zusammenhang des § 13 Abs. 2 Satz 1 BUrlG sind darauf gerichtet, ua. im Baugewerbe auch § 1 BUrlG einer tariflichen Änderung zulasten des einzelnen Arbeitnehmers zugänglich zu machen, soweit dies zur Sicherung eines zusammenhängenden Jahresurlaubs für alle Arbeitnehmer erforderlich ist ( - Rn. 43, BAGE 132, 247). Ziel des beitragsfinanzierten Urlaubskassenverfahrens ist es, den Arbeitnehmern im Baugewerbe trotz der häufigen Fluktuation einen zusammenhängenden Jahresurlaub zu ermöglichen ( - zu I 4 b bb der Gründe, BAGE 95, 312). Zu prüfen ist, ob die tariflichen Regelungen inhaltlich sicherstellen, dass im Falle kurzer Arbeitsverhältnisse zusammenhängende Urlaubsansprüche gewährt werden können ( - zu A II 4 c der Gründe, BAGE 101, 357). Diese Voraussetzung muss auch für das Baugewerbe gegeben sein (AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. Bd. 2 § 13 BUrlG Rn. 37; aA Biedermann/Möller BRTV 8. Aufl. Vorbem. zu § 8). Das Baugewerbe ist nach § 13 Abs. 2 BUrlG nur insofern privilegiert, als vermutet wird, dass es sich um einen Wirtschaftszweig handelt, in dem als Folge häufigen Ortswechsels der von den Betrieben zu leistenden Arbeit Arbeitsverhältnisse von kürzerer Dauer als einem Jahr in erheblichem Umfang üblich sind. Die übrigen Tatbestandsmerkmale sind im Einzelfall zu prüfen.
23Die Verminderung der Urlaubsvergütung aufgrund vorangegangener Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung ist nicht erforderlich, um einen zusammenhängenden Jahresurlaub zu ermöglichen (vgl. Pötters/Stiebert ZESAR 2012, 169, 172; Temming jurisPR-ArbR 7/2012 Anm. 2). Zwar mag die tarifliche Regelung dazu beitragen, dass Arbeitgeber Arbeitsverhältnisse mit kranken Arbeitnehmern bestehen lassen. Der gesetzliche Schutz des einzelnen Arbeitsverhältnisses im Krankheitsfall wird jedoch durch das Kündigungsschutzgesetz gewährleistet. Im Übrigen dient das Urlaubskassenverfahren gerade dazu, einen zusammenhängenden Urlaubsanspruch trotz Fluktuation zu gewährleisten. Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gefährdet mithin nicht per se die Gewährung eines zusammenhängenden Urlaubs in der Zukunft. Darüber hinaus zeigte die frühere Ausgleichsregelung in § 8 Nr. 5 BRTV aF für Ausfallstunden vor dem , dass das Urlaubskassenverfahren Zeiträume des Krankengeldbezugs in die Urlaubsentgeltberechnung einbeziehen kann, ohne seine Funktionsfähigkeit zu verlieren (vgl. Temming aaO).
24c) Der BRTV aF enthält keine eigenständige Berechnungsvorschrift für die Höhe der Urlaubsabgeltung. Nach § 8 Nr. 6.1 BRTV aF richtet sich die Höhe der Urlaubsabgeltung nach der Höhe der Urlaubsvergütung. Soweit § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG für die Berechnung der Höhe der Urlaubsvergütung nicht wirksam abbedungen wurde und daher Verdienstkürzungen, die im Referenzzeitraum infolge unverschuldeter Arbeitsversäumnis eingetreten sind, außer Betracht zu bleiben haben, wirkt sich dies nach der Systematik des Tarifvertrags unmittelbar auf die Höhe der Urlaubsabgeltung aus.
25Im Übrigen wäre hinsichtlich des Bestehens einer Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien, die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs wesentlich einzuschränken oder gar gänzlich auszuschließen, die Rechtssprechung des EuGH zu beachten. Dieser hat entschieden, dass die finanzielle Vergütung, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, der aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben, in der Weise zu berechnen ist, dass der Arbeitnehmer so gestellt wird, als hätte er diesen Anspruch während der Dauer seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Folglich sei das gewöhnliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub maßgebend ( und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 61, Slg. 2009, I-179).
26d) Ein unter Berücksichtigung von § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG berechneter Abgeltungsanspruch, der über den bereits von dem Beklagten gezahlten Betrag hinausgeht, richtet sich jedoch entgegen der Rechtsansicht des Klägers gegen den letzten Arbeitgeber und nicht gegen den Beklagten. Dies ergibt die Auslegung des § 8 Nr. 6.2 BRTV aF. Die Regelung, dass sich der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen den Beklagten richtet, erfasst nur solche Abgeltungsansprüche, die nach den Vorschriften des BRTV aF berechnet und durch Arbeitgeberbeiträge an den Beklagten gedeckt sind. Für weitergehende Abgeltungsansprüche bleibt der Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruchsgegner.
27aa) Die Beschränkung der Übertragung der Abgeltungsverpflichtung vom Arbeitgeber auf den Beklagten ergibt sich unmittelbar aus § 8 Nr. 6.2 Satz 2 BRTV aF. Danach ist der Abgeltungsanspruch von dem Beklagten nur zu erfüllen, soweit Beiträge für die Urlaubsansprüche des jeweiligen Urlaubsjahres bereits geleistet worden sind oder bis zum Ablauf des Kalenderjahres nachentrichtet werden und nicht für die Erstattung der Urlaubsvergütungen verwendet worden oder zum Ausgleich für geleistete Erstattungen zu verwenden sind. Diese Beschränkung auf beitragsgedeckte Abgeltungsansprüche haben die Tarifvertragsparteien erst mit Wirkung zum - und damit für die streitgegenständlichen Ansprüche unanwendbar - durch den Änderungstarifvertrag vom durch die ausdrückliche Bestimmung in § 8 Nr. 5.3 BRTV nF aufgehoben. Der Beklagte hat sich bereits im Berufungsverfahren auf § 8 Nr. 6.2 Satz 2 BRTV aF berufen und auf die fehlende Beitragsdeckung hinsichtlich der vom Kläger erhobenen Ansprüche hingewiesen. Dem ist der Kläger zu keinem Zeitpunkt entgegengetreten.
28bb) Eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Urlaubsabgeltung, die sich nicht allein aus den Vorschriften des BRTV aF ergibt, widerspräche im Übrigen der Systematik der tariflichen Regelung. Nach § 8 Nr. 15.1 BRTV aF finanziert sich das Urlaubskassenverfahren nur aus Beiträgen der Arbeitgeber. Die Höhe der Beiträge, der Beitragseinzug sowie die Leistungen des Beklagten werden im VTV geregelt. Nach dem dort vorgesehenen Sozialkassenverfahren besteht hinsichtlich der Urlaubsabgeltung eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten im Wege der Erstattung an den Arbeitgeber (§ 13 VTV) bzw. im Wege der Auszahlung an den Arbeitnehmer (§ 14 VTV) nur, soweit auf die Abgeltung nach den tarifvertraglichen Bestimmungen ein Anspruch bestand. Um diesen Verpflichtungen nachkommen zu können, regelt § 6 VTV ein Meldeverfahren, nach dem der Arbeitgeber dem Beklagten monatlich ua. den beitragspflichtigen Bruttolohn und die diesem zugrunde liegenden lohnzahlungspflichtigen Stunden mitzuteilen hat. Eine Meldeverpflichtung hinsichtlich der Anzahl der Ausfallstunden wegen Arbeitsunfähigkeit ohne Lohnanspruch wurde erst mit dem Änderungstarifvertrag vom mit Wirkung zum eingeführt. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche der Jahre 2008 und 2009 verfügte der Beklagte mithin nicht über die notwendigen Informationen von der letzten Arbeitgeberin des Klägers, um den geltend gemachten Abgeltungsanspruch überhaupt erfüllen zu können.
29cc) Der Beschränkung der Zahlungsverpflichtung des Beklagten auf beitragsgedeckte Ansprüche stehen auch insoweit keine rechtlichen Bedenken entgegen als dadurch der Abgeltungsanspruch nicht insgesamt ausgeschlossen wird. Hat der Arbeitgeber keine Beiträge für die Urlaubsansprüche geleistet, hat nicht der Beklagte, sondern der Arbeitgeber die Urlaubsabgeltung zu zahlen. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes mit der Regelung in § 8 Nr. 6.2 Satz 1 BRTV aF die Zuständigkeit des Beklagten für die Zahlung der Urlaubsabgeltung nicht auf beitragsgedeckte Ansprüche beschränken wollten, sondern nach ihrem Willen nicht beitragsgedeckte Urlaubsansprüche auch gegenüber den Bauarbeitgebern ausgeschlossen sein sollten, wäre ein solcher Ausschluss des Abgeltungsanspruchs unwirksam.
30(1) Der Wortlaut des § 8 Nr. 6.2 BRTV aF ist nicht eindeutig. Die Bestimmung regelt nicht, gegen wen sich der Anspruch richtet, wenn er vom Beklagten mangels geleisteter Beiträge nicht zu erfüllen ist. Sie schließt es ihrem Wortlaut nach damit auch nicht aus, dass der Arbeitgeber die Urlaubsabgeltung zu zahlen hat, wenn er keine Beiträge an den Beklagten geleistet hat. § 8 Nr. 6.2 Satz 1 BRTV aF stellt eine Ausnahme zur gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 4 BUrlG dar, nach der der Arbeitgeber Schuldner des Abgeltungsanspruchs ist. Nach allgemeinen Grundsätzen müsste es im Falle des Nichteingreifens der Ausnahmeregelung bei dem Grundsatz der Schuldnerstellung des individuellen Arbeitgebers verbleiben. Auch gilt es, die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt ( - zu I 1 b aa der Gründe mwN, BAGE 111, 204). Danach erschiene es widersinnig, dem Arbeitgeber die Möglichkeit einzuräumen, sich durch hartnäckige Nichterfüllung seiner Beitragsverpflichtung der gesetzlichen Pflicht zur Urlaubsabgeltung endgültig entziehen zu können.
31(2) Jedenfalls wäre eine Tarifnorm, die Arbeitnehmer im Baugewerbe im Falle der unterlassenen Beitragszahlung ohne Schuldner lässt, unwirksam. Eine solche Norm würde im Ergebnis einen Ausschluss des Abgeltungsanspruchs darstellen, der jedenfalls bezüglich des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs unzulässig ist, wenn der Arbeitnehmer - wie im Entscheidungsfall der Kläger - aufgrund Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit den Erholungsurlaub nicht nehmen konnte. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG ist nach der Rechtsprechung des EuGH dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegensteht, nach denen für nicht genommenen Jahresurlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung gezahlt wird, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte ( und C-520/06 - [Schultz-Hoff ua.] Rn. 62, Slg. 2009, I-179). Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war schon vor der Entscheidung des Gerichtshofs davon ausgegangen, dass die Tarifvertragsparteien nicht die Regelungsbefugnis besitzen, die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs wesentlich einzuschränken oder gar gänzlich auszuschließen (vgl. - zu 3 a der Gründe mwN, BAGE 54, 184). Die Grundsätze der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts (vgl. - Rn. 11, NZA 2012, 1216) gebieten es, an dieser Rechtsprechung insoweit festzuhalten, als der Ausschluss des Abgeltungsanspruchs durch Tarifvertrag für unzulässig erachtet wurde.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 820 Nr. 14
BB 2014 S. 2037 Nr. 34
KAAAE-32539