Entscheidung nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens
Gesetze: FGO § 104 Abs. 2, FGO § 116 Abs. 6
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) waren mit Einkommensteuerbescheid vom durch den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) im Schätzungswege zur Einkommensteuer 2003 veranlagt worden, da sie eine Einkommensteuererklärung nicht abgegeben hatten. Im Klageverfahren reichten sie diese am beim Finanzgericht (FG) ein und ergänzten sie mit Schreiben vom .
2 In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter, zu der die ordnungsgemäß geladenen Kläger nicht erschienen waren, erklärte sich das FA mit der Berücksichtigung der in der Steuererklärung und dem erläuternden Schreiben der Kläger aufgezeigten Einkünfte und geltend gemachten Sonderausgaben in Grundzügen einverstanden. Es stellte allerdings den Antrag, die Klage insoweit abzuweisen, als die Kläger den Ansatz geringerer Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers als 11.657 €, einen höheren Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin als ./. 8.523 € sowie die Berücksichtigung von Weiterbildungskosten in Höhe von 215 € begehrten. In der mündlichen Verhandlung erging sodann der Beschluss, dass eine Entscheidung den Beteiligten zugestellt werde. Am hinterlegte der Einzelrichter bei der Geschäftsstelle den Tenor, dass die Klage abgewiesen werde.
3 Mit Schreiben vom teilte das FA mit, dass es seinen Antrag abändere und nun nur noch einen Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von ./. 6.947 € sowie beschränkt abziehbare Sonderausgaben in Höhe von 5.229 € berücksichtigen werde. Den insoweit unter dem Datum des erlassenen Änderungsbescheid übersandte das FA bereits am dem FG. Am übersandte das FA einen weiteren Änderungsbescheid, der unter dem Datum des erlassen wurde. Dieser wies einen Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Klägers von ./. 6.707 € aus, allerdings beschränkt abziehbare Sonderausgaben in Höhe von 5.469 €. Beide Änderungsbescheide setzten die Einkommensteuer mit 3.036 € fest. Das vollständige Urteil ging am bei der Geschäftsstelle ein. In den Entscheidungsgründen verwies das FG nur auf den Änderungsbescheid vom . Die Anträge der Beteiligten wurden vom FG sinngemäß wiedergegeben, wobei es davon ausging, dass das FA nunmehr beantragt habe, die Klage als unbegründet abzuweisen.
4 Die Kläger machen im Rahmen ihrer Nichtzulassungsbeschwerde Verfahrensmängel u.a. geltend, dass im Urteil auf den Änderungsbescheid vom eingegangen werde, obwohl über den ursprünglichen Streitgegenstand bereits in der Sitzung vom entschieden worden sei.
5 Das FA tritt der Nichtzulassungsbeschwerde entgegen und verweist insbesondere auf § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) analog, wonach eine Revisionszulassung aus prozessökonomischen Gründen nicht geboten sei, wenn das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis zutreffend sei. Das FA habe in der mündlichen Verhandlung zugesagt, einen Änderungsbescheid zu erlassen.
6 II. Die Beschwerde der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
7 1. Nach § 116 Abs. 6 FGO kann der Bundesfinanzhof (BFH) das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegen. Ein Verfahrensfehler im Sinne der letztgenannten Vorschrift liegt vor, wenn die Entscheidung des FG nicht mehr dem Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung der Richter entspricht. Dies ist hier der Fall.
8 a) Aus § 104 Abs. 2 Halbsatz 2 FGO ergibt sich, dass das Urteil vor Ablauf der in dieser Vorschrift genannten Frist von zwei Wochen beschlossen worden sein muss. Eine verspätete Beschlussfassung hat zur Folge, dass die mündliche Verhandlung und Beratung nachgeholt werden müssen (Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 104 FGO Rz 35, m.w.N.). Nichts anderes kann gelten, wenn das beschlossene Urteil auf einem noch zu erlassenden Änderungsbescheid beruht und deshalb der Urteilstenor nur in Verbindung mit diesem Änderungsbescheid in sinnvoller Weise verstanden werden kann. Dann fällt das Gericht sein Urteil nicht mehr aufgrund der mündlichen Verhandlung, sondern erst nach Erlass dieses Änderungsbescheides. Der notwendige Zusammenhang zur mündlichen Verhandlung entfällt.
9 b) Im vorliegenden Fall kann der übermittelte Tenor weder dem Entscheidungsinhalt noch dem Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung des Einzelrichters entsprechen. Zum Zeitpunkt der Übergabe des Tenors an die Geschäftsstelle war ein Änderungsbescheid des FA weder angekündigt noch erlassen. Ausgehend vom Antrag des FA in der mündlichen Verhandlung war die Klage zumindest als teilweise erfolgreich anzusehen und folglich im Tenor nicht in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen.
10 Die spätere Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2003 durch die nachfolgenden zwei Änderungsbescheide, die Wiedergabe eines vermuteten, jedoch nicht gestellten Antrags des FA im Tatbestand des Urteils, der vom tatsächlich in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag erheblich abwich, und das fehlende Eingehen auf diese Änderungen, die nicht dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung entsprechen, machen deutlich, dass im vorliegenden Einzelfall kein Urteil gefällt worden sein kann, das noch im notwendigen Zusammenhang mit der durchgeführten mündlichen Verhandlung steht. Vielmehr hat der Einzelrichter den Erlass des Änderungsbescheides abwarten und den Urteilstenor an diesen Bescheid angleichen wollen. Ein solches Vorgehen kann nicht mehr mit dem Zeitpunkt der Entscheidung zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Zusammenhang stehen.
11 c) Die nach der mündlichen Verhandlung ergangenen Änderungsbescheide setzen auch nicht nur die Zusage des FA in der mündlichen Verhandlung um. Vielmehr werden in beiden Bescheiden jeweils der Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Klägers wie auch die beschränkt abziehbaren Sonderausgaben im Vergleich zur Zusage des FA zu Lasten der Kläger geändert.
12 d) Da die Einkommensteuerfestsetzung auch aufgrund des letzten Änderungsbescheides vom nicht dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung entspricht, ist —anders als das FA meint— vorliegend kein Fall einer analogen Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO gegeben.
13 2. Weil das Urteil bereits aufgrund dieses Verfahrensmangels keinen Bestand haben kann, bedarf es keines Eingehens auf das weitere Vorbringen der Kläger. Nur rein vorsorglich weist der Senat die Kläger darauf hin, dass Verfahrensmängel weder aufgrund der langen Verfahrensdauer (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom X B 90/08, BFH/NV 2009, 1135) noch aufgrund der Durchführung einer mündlichen Verhandlung trotz vorherigen Verzichts der Beteiligten (vgl. insoweit , BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556) erkennbar sind.
14 3. Der Senat hält es für angezeigt, gemäß § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren.
15 4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO, der auch für den Beschluss nach § 116 Abs. 6 FGO gilt, ab (vgl. , BFH/NV 2001, 808).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 747 Nr. 5
SAAAE-32276