Beihilfeanspruch für OGS-Anbauflächen; unterbliebener Antrag; Berichtigung offensichtlicher Irrtümer; Verschulden
Gesetze: Art 19 EGV 796/2004, Art 21 EGV 1122/2009
Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 10 LB 96/10 Urteil
Gründe
I.
1Die Beteiligten streiten über Genehmigungen, Zahlungsansprüche auch für Flächen aktivieren zu können, die zum Anbau von Obst, Gemüse und anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln genutzt werden (OGS-Genehmigungen).
2Der Kläger beantragte am die Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie die Betriebsprämie 2005. Das in dem Antragsformular vorgesehene Feld zur Beantragung von OGS-Genehmigungen wurde nicht angekreuzt. Der beigefügte Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis 2005 wies eine Fläche von insgesamt 45,58 ha mit dem Code 612 (Sonstige Speisekartoffeln) zur Aktivierung von Zahlungsansprüchen aus. Mit Bescheid vom setzte die Beklagte Zahlungsansprüche fest, ohne diese mit OGS-Genehmigungen zu verbinden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Oberverwaltungsgericht abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrten OGS-Genehmigungen, weil er diese nicht beantragt habe, was auch nicht wegen eines offensichtlichen Irrtums berichtigt werden könne.
II.
3Die auf alle Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
41. Die Sache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
5Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, so ist dies in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise darzulegen. Das setzt die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Eine solche Rechtsfrage hat der Kläger nicht aufgeworfen.
6a) Die Frage,
ob nationalstaatlich im Unionsrecht nicht vorgesehene Antragserfordernisse normiert werden dürfen,
ist in dieser allgemeinen Formulierung nicht klärungsbedürftig. Ihre Beantwortung hängt davon ab, inwieweit das jeweils anzuwendende Unionsrecht hierzu abschließende Regelungen trifft. Für das hier einschlägige Unionsrecht ist die Frage, wie zu zeigen sein wird, nicht entscheidungserheblich. Aus demselben Grund rechtfertigen die im gleichen Zusammenhang stehenden Fragen,
ob die grundsätzlich notwendige einheitliche Anwendung von Unionsrecht nationalstaatliche Antragserschwernisse überhaupt zulässt und ob die Abweichung bei der Festsetzung von Zahlungsansprüchen, die grundsätzlich für den Zeitraum 2005 bis 2013 Bedeutung gehabt hätten, verhältnismäßig ist,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Mit ihnen wird eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht herausgearbeitet. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein eigenes Antragserfordernis in den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts vorgeben werde oder darin jedenfalls angelegt sei und damit einer ebensolchen mitgliedstaatlichen Regelung nicht entgegenstehe. Bereits daran geht die Fragestellung des Klägers vorbei. Im Übrigen ist nicht klärungsbedürftig, dass Mitgliedstaaten in Regelungsbereichen, die ihnen Raum für eine weitere Ausgestaltung lassen, prinzipiell unterschiedliche Regelungen treffen können. Gleiches gilt für die Frage,
inwieweit ein Mitgliedstaat im Rahmen der Erstzuteilung von Zahlungsansprüchen sowie im Rahmen des InVeKoS ein im Unionsrecht nicht vorgesehenes Antragserfordernis nationalstaatlich normieren kann.
7Soweit der Kläger im Übrigen mit seinen Fragen auf den Rechtssatz zielt, dass die Erteilung von OGS-Genehmigungen eines eigenen Antrags bedurfte, betrifft dies ausgelaufenes Recht. Darauf hat der Kläger selbst hingewiesen. Die Regelung, Zahlungsansprüche nicht ohne Genehmigung für Flächen aktivieren zu können, die zum Anbau von Obst, Gemüse und anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln genutzt werden (Art. 51 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 der Verordnung <EG> des Rates Nr. 1782/2003 vom , ABl Nr. L 270 S. 1), entfiel in Deutschland bereits mit der Neufassung des Art. 51 VO (EG) Nr. 1782/2003 durch Art. 52 Nr. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1182/2007 des Rates vom (ABl Nr. L 273 S. 1). In Folge dieser Rechtsänderung wurde § 14 InVeKoSV, wonach OGS-Genehmigungen im Antrag auf Festsetzung der Zahlungsansprüche zu beantragen waren, aufgehoben (Art. 2 Nr. 10 der Verordnung zur Änderung der Betriebsprämiendurchführungsverordnung, der InVeKoS-Verordnung, der Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung und der Seefischereiverordnung vom , BGBl I S. 801). Schließlich wurde auch Art. 60 VO (EG) Nr. 1782/2003 mit seinen Regelungen zur Genehmigung bestimmter Nutzungen durch Art. 146 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates vom (ABl Nr. L 30 S. 16) ersatzlos aufgehoben.
8Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Rechtsfragen, die sich auf auslaufendes, ausgelaufenes oder nur übergangsweise geltendes Recht beziehen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, da § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine richtungweisende Klärung für die Zukunft herbeiführen soll. Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Fragen sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist und dies substantiiert dargelegt wird (Beschlüsse vom - BVerwG 9 B 83.94 - DVBl 1995, 568, vom - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9, vom - BVerwG 2 B 64.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 21, vom - BVerwG 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 und vom - BVerwG 6 B 70.05 - juris Rn. 6, je m.w.N.). Daran fehlt es hier.
9Die vier als noch mindestens anhängig genannten Fälle können eine grundsätzliche Bedeutung der Frage nicht rechtfertigen. Gleiches gilt für die Vorarbeiten der Kommission für die Fortentwicklung der gemeinsamen Agrarpolitik. Abgesehen davon, dass sich aus den in Bezug genommen Regelungen der Verordnungsvorschläge der Kommission eine gleichgelagerte Fragestellung nicht erkennen lässt, handelt es sich nicht um bereits existentes Recht.
10b) Darüber hinaus sieht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin, dass im Zuge eines Revisionsverfahrens "Fragen des Anwendungsbereichs und dem Ausschluss wegen Gutgläubigkeit" der Berichtigung offensichtlicher Irrtümer geklärt werden könnten. Unabhängig davon, dass damit keine bestimmte Frage formuliert ist, rechtfertigt der in diesem Zusammenhang der Suche nach geltend gemachtem Klärungsbedarf die Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht.
11aa) Die Beantwortung der sinngemäß aufgeworfenen Frage,
ob ein Antrag im Wege der Berichtigung offensichtlicher Irrtümer nachgeholt werden kann,
bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, denn die Antwort ergibt sich unzweifelhaft und ohne Weiteres mit Hilfe der üblichen Regeln der Auslegung aus dem einschlägigen Verordnungsrecht (vgl. dazu BVerwG 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> = Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 228 S. 13; , C.I.L.F.I.T. - Slg. 1982 IV-3415 Rn. 12 ff.).
12Nach Art. 19 der Verordnung (EG) der Kommission Nr. 796/2004 vom (ABl Nr. L 141 S. 18), der inhaltlich unverändert von Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom (ABl Nr. L 316 S. 65) abgelöst wurde, kann ein Beihilfeantrag nach seiner Einreichung jederzeit berichtigt werden, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkennt. Gegenstand der Berichtigung und damit dessen notwendige Voraussetzung ist nach dem klaren Wortlaut ein Antrag. Er ist Ausgangspunkt für die Feststellung des Irrtums, der sich aus dem Zusammenhang der in ihm enthaltenen Erklärungen oder den mit ihm in Verbindung stehenden objektiven Umständen als offensichtlich darstellen muss. Entsprechend sah auch die Ursprungsvorschrift der ersten Durchführungsverordnung zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem vor, dass "ein Beihilfeantrag" nach Ablauf der Einreichungsfrist "geändert" werden kann, wenn ein von der Behörde anerkannter offensichtlicher Fehler vorliegt (Art. 4 Abs. 2 Buchst. a VO <EWG> Nr. 3887/1992 der Kommission vom , ABl Nr. L 391 S. 36). Dieser Ansatz blieb unverändert. Vor diesem Hintergrund ist offensichtlich, dass ein unterbliebener Antrag nicht im Wege der Berichtigung offensichtlicher Irrtümer nachgeholt werden kann. Dass aber der Kläger keinen Antrag gestellt hat, hat das Oberverwaltungsgericht bindend festgestellt und wird mit der Beschwerde nicht angegriffen. Soweit sich der Kläger im Übrigen auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs beruft (Beschluss vom - 19 ZB 08.3085 -, juris), verkennt er, dass diese nur die Berichtigung der Benennung des Betriebsinhabers in einem Antrag betrifft.
13bb) Die darüber hinaus sinngemäß gestellte Frage,
ob ein offensichtlicher Irrtum ausscheidet, wenn er auf grober Fahrlässigkeit beruht,
vermag die Zulassung der Revision schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil das Oberverwaltungsgericht die Anwendung der Vorschrift über die Berichtigung offensichtlicher Irrtümer selbständig tragend bereits mangels eines der Berichtigung zugänglichen Antrags ausgeschlossen hat. Dem hat der Kläger - wie ausgeführt - keine durchgreifenden Rügen entgegengesetzt. Ist die angefochtene Entscheidung aber selbständig tragend auf mehrere Begründungen gestützt, so ist die Revision nur dann zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder der verschiedenen Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 m.w.N.).
142. Die Revision ist auch nicht wegen Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) von dem Urteil des Senats vom - BVerwG 3 C 15.08 - (Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 10 S. 10) zuzulassen. Das Oberverwaltungsgericht formuliert in seinem Urteil keinen seine Entscheidung tragenden Rechtssatz, der einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht.
15a) Der Kläger meint, das Bundesverwaltungsgericht habe in dem entschiedenen Fall anders als das Oberverwaltungsgericht einen offensichtlichen Irrtum anerkannt, obwohl für die dort irrtümlich nicht benannte Fläche kein Antrag gestellt worden sei, und hat hieraus abgeleitet, der unterbliebene Antrag falle nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in den Anwendungsbereich des offensichtlichen Irrtums. Das trifft nicht zu.
16Unabhängig davon, ob ein die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragender abstrakter Rechtssatz herausgearbeitet und damit die geltend gemachte Divergenz hinreichend dargelegt ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), liegt eine Abweichung nicht vor, denn das Bundesverwaltungsgericht hat in dem in Bezug genommenen Fall lediglich einen gestellten Antrag berichtigt, der durch eine fehlerhafte Flurstücknummer eine andere Fläche bezeichnete, als die offensichtlich gemeinte (a.a.O. Rn. 17 ff.).
17b) Der Kläger sieht eine weitere Abweichung darin, dass das Oberverwaltungsgericht einen Irrtum mangels Gutgläubigkeit bei bewusster und grober Fahrlässigkeit allein nach einem Verschuldensmaßstab verneine, während das Bundesverwaltungsgericht die Prüfung der Gutgläubigkeit streng von der Frage der Fahrlässigkeit unterscheide. Abgesehen davon, dass damit widersprechende, ihre Entscheidungen jeweils tragende abstrakte Rechtssätze nicht herausgearbeitet sind, ist die in der Sache geltend gemachte Divergenz nicht erkennbar.
18Das Oberverwaltungsgericht hat den auch vom Bundesverwaltungsgericht für erforderlich gehaltenen guten Glauben mit der Begründung verneint, dass der Kläger die ihm obliegende Sorgfalt grob fahrlässig verletzt habe. Dies folgt dem Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, dass es an der für den guten Glauben notwendigen Redlichkeit dann in der Regel fehle, wenn die zu beachtende Sorgfalt in grob fahrlässiger Weise verletzt werde. Dieser die Entscheidung tragende Rechtssatz steht schon deshalb nicht im Widerspruch zu der herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weil dort im Zusammenhang mit einer in Rede stehenden leichten Fahrlässigkeit lediglich die Aussage getroffen ist, dass eine umfassende Schuldlosigkeit nicht verlangt werden kann.
193. Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die Entscheidung dem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), weil es keine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV eingeholt und die Revision nicht zugelassen habe, begründet keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Verpflichtung, eine Frage zur Auslegung des Unionsrechts dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Entscheidung im Sinne des Art. 267 AEUV nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann. Die - hier statthafte - Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist jedoch ein Rechtsmittel in diesem Sinne, weshalb eine Verpflichtung zur Einholung einer Vorabentscheidung nicht bestand (stRspr, Beschlüsse vom - BVerwG 10 B 21.04 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 8 S. 20 f. m.w.N., vom - BVerwG 7 B 22.10 -, vom - BVerwG 3 B 19.11 - ZfSch 2012, 597 und vom - BVerwG 3 B 81.11 - NL-BzAR 2012, 165).
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Danach ist der Streitwert vorliegend mit dem Wert der Zahlungsansprüche anzusetzen, auf die sich die begehrten OGS-Genehmigungen beziehen. Denn die OGS-Genehmigungen entscheiden hier darüber, ob und inwieweit für die im Jahr 2005 zum Anbau von Speisekartoffeln genutzte und beantragte 45,58 ha große Fläche eine Betriebsprämie gewährt werden kann. Er errechnet sich aus der Hektarzahl, für die OGS-Genehmigungen begehrt werden (42,62 ha, verringert um die mit dem Faktor 0,8083 angegebene Plafondkürzung), die mit dem Wert der korrespondierenden Zahlungsansprüche (255,12 €/ha) zu vervielfachen ist. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene und vom Oberverwaltungsgericht übernommene Verminderung um ein Viertel ist nicht gerechtfertigt (vgl. dazu auch BVerwG 3 B 52.08 - Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 7 S. 7 f.). Die Befugnis zur Änderung der vorinstanzlichen Wertfestsetzungen ergibt sich aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Fundstelle(n):
TAAAE-32202