Entscheidung über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist: Zuständiges Gericht bei Antragstellung nach Zurückweisung der Berufung als unbegründet und Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz
Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat grundsätzlich das Berufungsgericht zu entscheiden. Das gilt auch dann, wenn die Berufung schon als unbegründet zurückgewiesen und der Antrag nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt worden ist.
Gesetze: § 237 ZPO, § 520 ZPO, § 522 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 32 U 1162/12vorgehend LG München II Az: 11 O 4372/11
Gründe
I.
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom abgewiesen. Dieses Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt worden. Mit einem am beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Berufung eingelegt. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom hat er beantragt, die Berufungsbegründungsfrist bis zum zu verlängern. Durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist per Fax am bei Gericht eingegangen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss vom gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und diese fristgerecht begründet. Auf gerichtlichen Hinweis, dass nach Aktenlage die Berufungsbegründungsfrist versäumt sei, hat der Kläger sowohl beim Oberlandesgericht als auch beim Bundesgerichtshof Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, die Fristversäumung beruhe auf einem Büroversehen einer Büromitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten. Der Senatsvorsitzende des Berufungsgerichts hat den Parteien durch Verfügung vom mitgeteilt, dass eine Entscheidung über die Wiedereinsetzung "derzeit nicht erfolgen" könne; durch eine Wiedereinsetzung käme der hier verfahrensbeendende Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht in Wegfall, da er auf einer anderen Grundlage beruhe als auf einer Fristversäumung. Im Hinblick auf diese Verfügung bittet der Kläger den Bundesgerichtshof, über sein Wiedereinsetzungsgesuch zu befinden.
II.
21. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat gemäß § 237 ZPO das Gericht zu entscheiden, dem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht, bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist also das Berufungsgericht. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn über den Wiedereinsetzungsantrag nach Beendigung der betreffenden Instanz zu entscheiden ist (vgl. , BGHZ 101, 134, 141; Beschluss vom - IVb ZB 825/81, VersR 1982, 95, 96), mithin auch in dem Fall, dass das Berufungsverfahren abgeschlossen ist. Etwas anders gilt - aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit - zwar dann, wenn nach dem Akteninhalt Wiedereinsetzung ohne Weiteres zu gewähren ist. In einem solchen Fall ist das mit der Sache befasste Revisionsgericht ausnahmsweise befugt, selbst zu entscheiden und dem für den Berufungsrechtszug gestellten Wiedereinsetzungsantrag stattzugeben (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZB 22/92, VersR 1993, 500, 501 mwN; , NJW 1996, 2581; BeckOK ZPO/Wendtland, § 237 Rn. 6 [Stand: ]; HK-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 237 Rn. 3 mwN). Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend aber nicht gegeben.
32. Der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist steht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entgegen, dass die Berufung inzwischen als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Da die Zulässigkeit der Berufung eine Prozessvoraussetzung ist, von der das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung, mithin auch das Verfahren der Revisionsinstanz, in seiner Rechtswirksamkeit abhängt, ist sie vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (, BGHZ 4, 389, 395; vom - IVb ZR 625/80, VersR 1982, 187, 188 und vom - III ZR 338/09, NJW 2011, 926 Rn. 7 mwN). Sollte dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt werden, wäre seine Berufung zulässig. Über die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisenden Beschluss wäre sachlich zu entscheiden. Hätte der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg, wäre die Berufung unzulässig und das landgerichtliche Urteil wäre rechtskräftig. In diesem Fall wäre das Revisionsgericht gehindert, über die Nichtzulassungsbeschwerde in der Sache zu entscheiden. Die Nichtzulassungsbeschwerde müsste vielmehr mit der Maßgabe zurückgewiesen werden, dass die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts als unzulässig verworfen wird.
Galke Zoll Diederichsen
Pauge von Pentz
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2013 S. 8 Nr. 12
NJW-RR 2013 S. 702 Nr. 11
UAAAE-31623