(Vorübergehende Überlassung von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes an private Einsatzbetriebe - Betriebsangehörigkeit nach § 5 Abs 1 S 3 BetrVG - Betriebsgröße gemäß § 38 Abs 1 S 1 BetrVG)
Gesetze: § 5 Abs 1 S 3 BetrVG, § 38 Abs 1 S 1 BetrVG
Instanzenzug: Az: 3 BV 9/10 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Köln Az: 8 TaBV 43/10 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten über die Anzahl der von ihrer beruflichen Tätigkeit mindestens freizustellenden Betriebsratsmitglieder.
Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ein IT-Dienstleistungsunternehmen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie beschäftigt in der Regel ca. 450 Arbeitnehmer, mit denen sie einen Arbeitsvertrag geschlossen hat. Daneben setzt sie regelmäßig 60 bis 70 Arbeitnehmer verschiedener Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) ein, die ihr von diesen zur Dienstleistung überlassen sind. Dem Einsatz dieser sog. DLÜ-Mitarbeiter liegen zwischen der Arbeitgeberin (Dienstleistungsnehmer) und der jeweiligen AOK (Dienstleistungsgeber) geschlossene Dienstleistungsüberlassungsverträge zugrunde, die sich nach einem standardisierten Vertragsmuster richten (Muster-DLÜ-Vertrag). Dieses lautet auszugsweise:
3Die DLÜ-Mitarbeiter werden der Arbeitgeberin grundsätzlich befristet überlassen, sind aber zum Teil mehrere Jahre und teilweise auch als Führungskräfte eingesetzt. Sie nehmen an Betriebsversammlungen teil und sind im betrieblichen Organigramm - insbesondere bei der Auflistung von nummerierten sog. Poolteams im sog. Kompetenz-Pool - wie die „eigenen“ Arbeitnehmer der Arbeitgeberin als „Teamleiter/-in“ und „Mitarbeiter/-in“ namentlich aufgeführt. Nach zur Akte gereichten Ausdrucken von Offerten der Arbeitgeberin wurden von ihr bestimmte Stellen „zeitlich begrenzt“ oder auch „unbefristet“ für die „Mitarbeit … im Rahmen der Dienstüberlassung“ ausgeschrieben.
4Der zu 1. beteiligte Antragsteller ist der bei der Arbeitgeberin in B gebildete, aus elf Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Ein Betriebsratsmitglied ist von seiner beruflichen Tätigkeit vollzeitig freigestellt. Aus Anlass des am in Kraft getretenen § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG beanspruchte der Betriebsrat die Freistellung eines weiteren Mitglieds, was die Arbeitgeberin ablehnte.
5In dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, die DLÜ-Mitarbeiter seien bei betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen, die auf die Betriebsgröße abstellten, als Arbeitnehmer der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG seien daher mindestens zwei Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit vollzeitig freizustellen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
7Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt und gemeint, die DLÜ-Mitarbeiter seien keine Arbeitnehmer iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Diese Vorschrift erfasse nur auf Dauer und ohne Rückkehroption eingesetzte Personen, die wie ihre „eigenen“ Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation eingegliedert seien. Dies treffe für die DLÜ-Mitarbeiter nicht zu. Ein weites Verständnis von § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG sei mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, weil damit bei den organisatorischen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes zur Arbeitsleistung überlassene Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes gegenüber Leiharbeitnehmern in nicht gerechtfertigter Weise bessergestellt würden.
8Das Arbeitsgericht hat die Verpflichtung der Arbeitgeberin festgestellt, ein weiteres vom Betriebsrat zu wählendes Betriebsratsmitglied von der beruflichen Tätigkeit freizustellen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin das Ziel der Antragsabweisung weiter. Der Betriebsrat beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
9B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den dem Antrag stattgebenden Beschluss des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.
10I. Der Antrag ist zulässig.
111. Wie seine gebotene Auslegung ergibt, ist der Antrag nicht als Leistungsantrag zu verstehen.
12a) Dem Wortlaut nach ist der Antrag zwar auf die Verurteilung der Arbeitgeberin gerichtet, „nach Wahl des Betriebsrats ein weiteres Betriebsratsmitglied freizustellen“. Mit diesem Inhalt wäre der Antrag aber nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er würde von der Arbeitgeberin die Vornahme einer Handlung verlangen, ohne dass für sie mangels namentlicher Benennung (§ 38 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) erkennbar wäre, welches Betriebsratsmitglied sie freistellen soll. Bei einem auf § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG gestützten Verpflichtungsbegehren ist die namentliche Benennung des freizustellenden Betriebsratsmitglieds nicht verzichtbar. Erst nach erfolgter Wahl kann die Freistellung des Gewählten durch den Arbeitgeber verlangt werden (vgl. - Rn. 12 mwN, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 77 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 7).
13b) Aus der Antragsbegründung folgt jedoch, dass die Beteiligten allein über den Umfang - die „richtige“ Anzahl - der (Voll-)Freistellungen iSv. § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG streiten. Das Begehren des Betriebsrats ist mithin auf die Feststellung gerichtet, dass nach der Freistellungsstaffel des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mindestens zwei seiner Mitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen sind (ähnlich - zu B I der Gründe, BAGE 83, 234). Dieses bereits vom Arbeitsgericht vertretene Verständnis hat der Betriebsrat bestätigt, indem er im zweiten Rechtszug die Zurückweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin beantragt hat.
142. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Streit über den Umfang der Mindestfreistellungen betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis der Betriebsparteien im Sinn einer durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandenen rechtlichen Beziehung. Der Betriebsrat hat aufgrund der gegenteiligen Rechtsauffassung der Arbeitgeberin ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, dass die Voraussetzungen für die (Voll-)Freistellungen zweier seiner Mitglieder vorliegen.
15II. Der Antrag hat in der Sache Erfolg. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind in Betrieben mit in der Regel 501 bis 900 Arbeitnehmern mindestens zwei Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Das folgt zwar nicht aus der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Hauptbegründung, nach der die DLÜ-Mitarbeiter bei der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer iSv. § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu berücksichtigen seien, weil sie bereits aufgrund ihrer Aufgabenstellung und unabhängig von der Leitungsmacht der Arbeitgeberin betriebsverfassungsrechtlich zu deren Arbeitnehmern zählten. Jedoch erweist sich die beschwerdegerichtliche Hilfserwägung, dass die DLÜ-Mitarbeiter der Leitungsmacht der Arbeitgeberin unterfallen und deshalb zu den Arbeitnehmern ihres Betriebs zählen, im Ergebnis als richtig.
161. Die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern ist nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG von der Betriebsgröße abhängig. Maßgeblich hierfür ist die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer (vgl. - zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 108, 185).
17Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinn des Betriebsverfassungsgesetzes Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gelten als Arbeitnehmer ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.
18Die in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG genannten Beschäftigten sind bei den organisatorischen Schwellenwerten des Betriebsverfassungsgesetzes - so auch bei § 38 BetrVG - zu berücksichtigen ( - Rn. 16 mwN; ausf. - 7 ABR 65/10 - Rn. 17 ff., AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 77 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 7). Dies ergibt eine am Wortlaut, an der Systematik und an Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG orientierte Auslegung, für die ebenso das teleologische Verständnis der in den organisatorischen Bestimmungen festgelegten Schwellenwerte streitet. Die Entstehungsgeschichte von § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG stützt dieses Auslegungsergebnis, gegen das keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen ( - Rn. 21 ff., aaO). Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin gebietet die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der Leiharbeitnehmer bei der für die Betriebsratsgröße maßgeblichen Belegschaftsstärke grundsätzlich nicht „mitzählten“ (vgl. hierzu [noch vor Inkrafttreten des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG] - BAGE 110, 27 und - 7 ABR 3/03 - BAGE 108, 185), kein Verständnis von § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG dahingehend, dass auch die dort genannten Arbeitnehmer bei der Belegschaftsstärke des § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht berücksichtigt werden dürften ( - Rn. 30, aaO).
192. Hiernach sind die bei der Arbeitgeberin regelmäßig eingesetzten 60 bis 70 DLÜ-Mitarbeiter bei der Anwendung von § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu berücksichtigen. Diese Mitarbeiter gelten nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG als Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. In deren Betrieb sind somit einschließlich der ca. 450 „eigenen“ Arbeitnehmer in der Regel zwischen 501 und 900 Arbeitnehmer beschäftigt.
20a) Die DLÜ-Mitarbeiter sind Arbeitnehmer des „öffentlichen Dienstes“ iSd. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Sie stehen in einem Arbeitsverhältnis zu der jeweiligen AOK (vgl. § 3 Satz 3 Halbs. 1 Muster-DLÜ-Vertrag). Die AOK sind nach § 4 SGB V, § 29 SGB IV als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes.
21b) Die Arbeitgeberin ist als GmbH ein „privatrechtlich organisiertes Unternehmen“ iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.
22c) Die DLÜ-Mitarbeiter sind im Betrieb der Arbeitgeberin „tätig“ iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.
23aa) Indem § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG es für die Einordnung der in dieser Bestimmung genannten Beschäftigten in den Betrieb ausreichen lässt, dass sie dort „tätig sind“, knüpft er an einen tatsächlichen Umstand an. Entscheidend ist die Betriebsangehörigkeit ( - Rn. 31 und - 7 ABR 34/11 - Rn. 35). Betriebsangehörig sind - da es auf ein individualrechtliches Beschäftigungsverhältnis zum Inhaber oder Träger des Einsatzbetriebs nicht ankommt - alle Beschäftigten, die nach den allgemeinen in der Betriebsverfassung geltenden Grundsätzen in die Betriebsorganisation eingegliedert sind (zu diesen Grundsätzen - zu B I 2 a der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 9 Nr. 8 = EzA BetrVG 2001 § 9 Nr. 3). Eingegliedert ist, wer eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet, die der Arbeitgeber organisiert (vgl. - zu B 1 der Gründe; zu § 99 BetrVG vgl. zB - 7 ABR 1/09 - Rn. 13 mwN, BAGE 135, 26). Der Beschäftigte muss so in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert sein, dass der Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz nach Zeit und Ort trifft. Der Betriebsinhaber muss diese Arbeitgeberfunktion wenigstens im Sinn einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung teilweise ausüben (zu § 99 BetrVG vgl. - zu B I der Gründe, EzA BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 10). Es kommt darauf an, inwieweit dem Inhaber oder Träger des Einsatzbetriebs Weisungsbefugnisse zustehen und er in diesem Sinn eine betriebsverfassungsrechtlich relevante (und sei es partielle) Arbeitgeberstellung einnimmt (vgl. auch - Rn. 33 mwN).
24bb) Das Landesarbeitsgericht ist nach diesen Grundsätzen rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die DLÜ-Mitarbeiter würden bereits aufgrund ihrer „Aufgabenstellung“ und „von der Leitungsmacht der Arbeitgeberin unabhängig“ als deren Arbeitnehmer gelten. Seine hilfsweise Annahme, die DLÜ-Mitarbeiter unterfielen der Leitungsmacht der Arbeitgeberin und seien deshalb bei ihr „tätig“ iSd. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, erweist sich aber als zutreffend. Die DLÜ-Mitarbeiter sind in die Betriebsorganisation der Arbeitgeberin eingegliedert. Diese Beurteilung kann der Senat aufgrund des festgestellten Sachverhalts selbst treffen.
25(1) Die Bestimmungen im Muster-DLÜ-Vertrag sprechen für ein Tätigsein der DLÜ-Mitarbeiter im Betrieb der Arbeitgeberin. Zwar obliegt gemäß § 4 Satz 1 Muster-DLÜ-Vertrag das nach § 4 Satz 4 Muster-DLÜ-Vertrag an den Regelungen im Betriebsablauf und in der Arbeitsorganisation der Arbeitgeberin orientierte Direktionsrecht gegenüber dem DLÜ-Mitarbeiter weiterhin der jeweiligen AOK. Ausdrücklich hiervon ausgenommen ist jedoch die der Arbeitgeberin obliegende „fachliche Steuerung“, also das damit korrespondierende Direktionsrecht (vgl. § 4 Satz 2 Muster-DLÜ-Vertrag und die Parenthese in § 4 Satz 1 Muster-DLÜ-Vertrag [„vorbehaltlich“]). Auch ist ein Weisungsrecht der Arbeitgeberin „in dringenden Fällen und bei unabweisbarem Bedarf“ eröffnet (§ 4 Satz 7 Muster-DLÜ-Vertrag). Die DLÜ-Mitarbeiter unterliegen dem Arbeitszeitregime des Einsatzbetriebs (§ 7 Sätze 1 bis 4 Muster-DLÜ-Vertrag; vgl. auch § 8 Satz 2 Muster-DLÜ-Vertrag). Für die Mehrarbeit sowie deren Ausgleich durch Freizeit, für Überstunden und für Dienstreisen/Dienstgänge gelten die bei der Arbeitgeberin bestehenden Regelungen (§ 7 Satz 5 und § 8 Muster-DLÜ-Vertrag). Dienstreisen ordnet die Arbeitgeberin an (§ 7 Satz 11 Muster-DLÜ-Vertrag). Die DLÜ-Mitarbeiter haben bei „Krankmeldung“ auch die Arbeitgeberin zu informieren (§ 7 Satz 7 Muster-DLÜ-Vertrag) und mit dieser die zeitliche Lage und Dauer ihres Urlaubs abzustimmen (§ 7 Satz 10 Muster-DLÜ-Vertrag). Mit einem Bonus abzugeltende Leistungen und Aufwände der DLÜ-Mitarbeiter werden unter Hinzuziehung einer Führungskraft der Arbeitgeberin festgelegt (§ 6 Muster-DLÜ-Vertrag). In der Gesamtschau übt die Arbeitgeberin damit schon nach den vertraglichen Bedingungen der Dienstüberlassung gegenüber den DLÜ-Mitarbeitern wesentliche Arbeitgeberbefugnisse aus. Sie hat im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung durch die DLÜ-Mitarbeiter zumindest teilweise die Personalhoheit und besitzt die für eine weisungsabhängige Tätigkeit typische Befugnis zur Entscheidung auch über Zeit und Ort der Tätigkeit.
26(2) Im Übrigen berücksichtigt die Arbeitgeberin nach den zur Akte gereichten Stellenangeboten, die eine „Mitarbeit … im Rahmen der Dienstüberlassung“ offerieren, die DLÜ-Mitarbeiter offensichtlich bei ihren Ressourcenplanungen. Auch dies spricht eher dafür, dass die DLÜ-Mitarbeiter ihre Dienstleistungen im Rahmen der von der Arbeitgeberin bestimmten Arbeitsorganisation erbringen. Vor allem aber zeigt der betriebliche Organisationsplan, nach dem die DLÜ-Mitarbeiter ohne Unterschied zu den „eigenen“ Arbeitnehmern der Arbeitgeberin als „Mitarbeiter/-in“ diversen Poolteams zugewiesen sind, deren Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Einsatzbetriebs. Die Arbeitgeberin setzt die DLÜ-Mitarbeiter im Ergebnis wie ihre „eigenen“ Mitarbeiter zur Verwirklichung des betrieblichen Arbeitszwecks ein.
27d) Der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG steht nicht entgegen, dass die Überlassung der DLÜ-Mitarbeiter nicht auf Dauer erfolgt, sondern - nach dem Vortrag der Arbeitgeberin - nur vorübergehend und projektbezogen sowie nach § 3 Satz 2 Muster-DLÜ-Vertrag für die Dauer des Vertrags über die Dienstleistungsüberlassung.
28aa) Auch wenn die Personalgestellung im öffentlichen Dienst strukturell - anders als die Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - nicht vorübergehend angelegt ist (vgl. - Rn. 30, AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 77 = EzA BetrVG 2001 § 5 Nr. 7), setzt § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht notwendig einen dauerhaften oder auch nur langfristigen Einsatz der in Privatbetrieben tätigen Beschäftigten voraus.
29(1) Die temporäre Personalgestellung ist im öffentlichen Dienst nicht ausgeschlossen (vgl. etwa die Zuweisung iSd. § 4 Abs. 2 TVöD nebst Protokollerklärung hierzu, also die vorübergehende Beschäftigung bei einem dem Allgemeinen Teil des TVöD nicht unterfallenden Dritten im In- und Ausland unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses). Voraussetzung des Tätigseins nach § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist (nur), dass die dort genannten Personengruppen in den Betrieb eingegliedert sind. Die tatsächliche Einsatzdauer ist ebenso wenig ausschlaggebend wie eine zeitliche Begrenzung des der Personalgestellung oder -überlassung zugrunde liegenden Vertrags (zu Letzterem vgl. - Rn. 32; kritisch zB Kreutz/Raab GK-BetrVG 9. Aufl. § 7 Rn. 49).
30(2) Dies entspricht der vom Gesetzgeber zu § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG verlautbarten Intention, nach der die in privaten Einrichtungen beschäftigten Personengruppen der Betriebsverfassung ua. mit der Begründung unterstellt werden sollten, „dies entspreche den in den Spezialgesetzen, zB im Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz, dazu getroffenen Regelungen“ (vgl. BT-Drucks. 16/11608 S. 21). Die spezialgesetzlichen Regelungen treffen eine betriebsverfassungsrechtliche Geltungsanordnung nicht nur dann, wenn Beschäftigte dauerhaft oder zumindest längerfristig in einem Betrieb eines privatrechtlichen Unternehmens eingesetzt sind: So gilt etwa das Kooperationsgesetz der Bundeswehr (BwKoopG) nach seinem § 1 für Beamtinnen, Beamte, Soldatinnen, Soldaten, Angestellte, Arbeiterinnen und Arbeiter des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, „soweit und solange“ ihnen unter Beibehaltung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zum Bund eine Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, mit dem die Bundeswehr eine Kooperation eingegangen ist. Diese Beschäftigten gelten nach § 6 Abs. 1 BwKoopG ua. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Kooperationsbetriebs.
31(3) Im Übrigen kommt es bei den betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsvorschriften ohnehin allein auf die Zahl der „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmer an (vgl. zu § 38 BetrVG - zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 108, 185). Für § 38 BetrVG ist die im Zeitpunkt der Freistellungswahl allgemein für den Betrieb kennzeichnende Arbeitnehmerzahl entscheidend; kurzfristige Schwankungen im Personalbestand bleiben unberücksichtigt (vgl. - zu I 1 der Gründe, BAGE 63, 1).
bb) Hiernach gelten die DLÜ-Mitarbeiter ungeachtet ihres befristeten Einsatzes als Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Dass es sich bei ihnen um „in der Regel“ Beschäftigte iSv. § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG handelt, hat die Arbeitgeberin zuletzt ausdrücklich bestätigt.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 691 Nr. 12
WAAAE-31563