NWB Nr. 10 vom Seite 649

„EU-rechtskonform und verfassungsgemäß”

Reinhild Foitzik | Verantw. Redakteurin | nwb-redaktion@nwb.de

Der Umsatzschlüssel, der Flächenschlüssel und die Mindestbesteuerung

Werden Grundstücke gemischt genutzt, also sowohl für Zwecke, die den Vorsteuerabzug zulassen, als auch für solche, die diesen ausschließen, müssen die Vorsteuerbeträge aufgeteilt werden. Als Aufteilungsmaßstab kommt das Verhältnis von steuerfrei zu steuerpflichtig vermieteten Flächen in Betracht (Flächenschlüssel), nach der Rechtsprechung des BFH aber auch die für Steuerpflichtige oft günstigere Höhe der Mietumsätze (Umsatzschlüssel). Seit 2004 darf allerdings – so der im Steueränderungsgesetz 2003 Ausdruck gefundene Wille des Gesetzgebers – eine Aufteilung nach dem Umsatzschlüssel nur noch dann erfolgen, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Da bei Gebäuden eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel stets eine wirtschaftliche Zurechnung ermöglicht, schließt die Gesetzesänderung eine Anwendung des Umsatzschlüssels praktisch aus. Und das ist, wie der EuGH erst kürzlich entschieden hat, aus EU-rechtlicher Sicht grundsätzlich völlig in Ordnung. Die Mitgliedstaaten dürfen bei der Vorsteueraufteilung vorrangig einen anderen Aufteilungsmaßstab als den Umsatzschlüssel vorgeben. Einzige Voraussetzung: dieser muss zu „präziseren” Ergebnissen führen. Doch ist das beim Flächenschlüssel wirklich der Fall? Dieser Frage geht Schneider auf Seite 708 nach.

Ebenfalls seit 2004 hat der Gesetzgeber die unbeschränkte Verrechnung von Verlusten bei der Einkommen- und Gewerbesteuer durch die Einführung einer Mindestbesteuerung eingeschränkt. Danach darf in Jahren mit Gewinnen über 1 Mio. € der darüber hinausgehende Gewinn nur bis zu 60 % um verbleibende Verlustvorträge gekürzt werden. Ziel dieser Mindestbesteuerung ist eine zeitliche Streckung der Verlustverrechnung. Ein endgültiger Ausschluss war nicht beabsichtigt. Genau dazu kann es aber kommen, insbesondere in Liquidationsfällen. Trotzdem hält der IV. Senat des BFH die Begrenzung der Verlustverrechnung bei der Gewerbesteuer für verfassungsgemäß. Begründung: Bei der Gewerbesteuer sei ohnehin systembedingt kein umfassender Verlustausgleich möglich und in besonderen Härtefällen gäbe es ja Billigkeitsmaßnahmen. Ob der I. Senat des BFH das genauso sieht, ist offen. In dem noch anhängigen Verfahren I R 59/12 wird er Gelegenheit haben, sich zu positionieren. Boller/Franke raten daher auf Seite 668, in entsprechenden Fällen Einspruch einzulegen.

Als „offen” lässt sich derzeit auch die aktuelle Lage an der „steuerlichen Gesetzgebungsfront” bezeichnen (s. hierzu Hechtner, S. 663). Lediglich die Gesetze zum Abbau der kalten Progression sowie zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts haben es bisher ins Bundesgesetzblatt geschafft (BGBl 2013 I S. 283 und 285). Gute Chancen, vom Bundesrat am , also nach Drucklegung dieser Ausgabe, verabschiedet zu werden, hat das Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts. Die dort vorgesehenen Änderungen im BGB zum Haftungs- und Vergütungsrecht für Vereine und Stiftungen stellt Frings auf Seite 693 vor.

Beste Grüße

Reinhild Foitzik

Fundstelle(n):
NWB 2013 Seite 649
NWB JAAAE-30685