Keine Bindung des Gewerbesteuermessbescheids für den Gewerbesteuerbescheid der hebeberechtigten Gemeinde
Gesetze: AO § 127, AO § 18, AO § 22, GewStG § 14, GewStG § 16
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet, so dass sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist (z.B. , BFH/NV 2011, 280).
2 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund ist nur gegeben, wenn die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2010, 73, m.w.N.). Das ist hier der Fall.
3 In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass das Finanzamt in einem Gewerbesteuermessbescheid nicht mit bindender Wirkung für den Gewerbesteuerbescheid auch die hebeberechtigte Gemeinde bestimmt. Diese Bestimmung ist als materiell-rechtliche Voraussetzung vielmehr eigenständig beim Erlass des Gewerbesteuerbescheids zu prüfen, sofern sie nicht Gegenstand eines Zuteilungs- oder Zerlegungsbescheids nach § 190 bzw. § 185 der Abgabenordnung (AO) ist. Dementsprechend kann gemäß § 127 AO die Aufhebung eines Gewerbesteuermessbescheids nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung der Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist (vgl. , BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751). Demzufolge kam der BFH in seinem Urteil in BFHE 204, 283, BStBl II 2004, 751 zu dem Ergebnis, dass die Frage, ob die Klägerin jenes Verfahrens in den Streitjahren ihre Geschäftsleitungsbetriebsstätte statt in X in Y gehabt habe, nicht im Verfahren gegen den Gewerbesteuermessbescheid zu beantworten sei.
4 Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich, weshalb diese Rechtsprechungsgrundsätze nicht auch dann gelten, wenn, wie im Land Berlin, das Finanzamt nicht nur für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, sondern auch für die Festsetzung der Gewerbesteuer selbst zuständig ist. Denn auch in diesem Fall handelt es sich bei dem Gewerbesteuermessbescheid und dem Gewerbesteuerbescheid um zwei selbständige Verwaltungsakte. Die Bestimmung des Steuergläubigers, also der hebeberechtigten Gemeinde, als materiell-rechtliche Voraussetzung ist deshalb auch in diesem Fall eigenständig beim Erlass des Gewerbesteuerbescheids zu prüfen und ggf. in einem gegen diesen Bescheid gerichteten Rechtsbehelfsverfahren zu klären, sofern sie nicht Gegenstand eines Zuteilungsbescheids nach § 190 AO oder eines Zerlegungsbescheids nach § 185 AO ist. Dies übersieht die Klägerin, wenn sie davon ausgeht, dass in einem solchen Fall „infolge der Zuständigkeitsfestschreibung eine Prüfung der Steuergläubigereigenschaft infolge Handelndenidentität nicht mehr (gesondert) erfolgt”.
5 2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Von dem Rechtssatz, dass das Finanzamt bei Erlass eines Gewerbesteuermessbescheids nicht mit bindender Wirkung für den Gewerbesteuerbescheid auch über die Hebeberechtigung der Gemeinde entscheidet, ist das Finanzgericht (FG) in der angegriffenen Entscheidung nicht abgewichen. Einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führt (z.B. , BFH/NV 2011, 29, m.w.N.), hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
6 3. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
7 a) Bei der Rüge von Verfahrensmängeln ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2005, 712).
8 Das FG hat in dem angegriffenen Urteil nur über den geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 1994 und über den geänderten Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1994 entschieden, nicht aber auch über den geänderten Gewerbesteuerbescheid für 1994. Zwar führt das Urteil, dem protokollierten Antrag der Klägerin entsprechend, im Klageantrag auch den Gewerbesteuerbescheid auf. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich jedoch eindeutig, dass das FG nur über den Feststellungsbescheid und den Gewerbesteuermessbescheid entschieden hat und auch nur hierüber entscheiden wollte. Die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils enthalten Ausführungen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage jeweils nur hinsichtlich des Gewerbesteuermessbescheids und des Feststellungsbescheids, nicht auch hinsichtlich des Gewerbesteuerbescheids. Das FG ging ersichtlich davon aus, dass die Gewerbesteuer 1994 nicht Gegenstand des Klageverfahrens sei. So hatte es mit Schreiben vom . (u.a.) dem seinerzeitigen Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, es gehe davon aus, dass der Gewerbesteuerbescheid 1994 „kein eigenständiger Streitgegenstand ist, weil es sich insoweit um einen Folgebescheid des Gewerbesteuermessbescheids handelt” und daher die Löschung dieses Streitgegenstands im Rubrum veranlasst werde. Dementsprechend werden auch im Rubrum des angegriffenen Urteils als Streitgegenstand nur der Gewerbesteuermessbetrag und die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen des Streitjahres, nicht aber auch die Gewerbesteuer genannt. So hat auch der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) das Urteil verstanden, denn er geht in seiner Beschwerdeerwiderung davon aus, dass (neben dem Feststellungsbescheid) nur der Gewerbesteuermessbescheid Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Letztlich geht auch die Klägerin selbst davon aus, dass das FG in dem angegriffenen Urteil nicht über den Gewerbesteuerbescheid als selbständig angegriffenen Verwaltungsakt entschieden hat. Im Rahmen der Rüge der unterlassenen Beiladung der Gemeinden A und B führt sie zwar aus, dass „vorliegend…zugleich auch über den Gewerbesteuerbescheid entschieden und damit die alleinige Berechtigung des Beklagten im Erhebungszeitraum bestätigt” worden sei. Aus ihrer gesamten Beschwerdebegründung, insbesondere aus ihrem Vorbringen zur ihrer Ansicht nach gegebenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, ergibt sich jedoch, dass sie der Auffassung ist, dass jedenfalls in den Fällen, in denen —wie im Land Berlin— die Finanzämter auch für die Festsetzung der Gewerbesteuer zuständig sind, über die Frage der Hebeberechtigung der Gemeinde mit bindender Wirkung für den Gewerbesteuerbescheid bereits im Gewerbesteuermessbescheid entschieden werde. Hierfür spricht auch ihr Vorbringen, sie habe auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal deutlich klargestellt, dass für sie „die Frage der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten auch und gerade mit der Frage der Hebeberechtigung bzw. Steuergläubigereigenschaft verknüpf(t) bzw. dies denklogisch notwendigerweise einhergehe und nicht zu trennen sei”. Wäre sie davon ausgegangen, dass auch der Gewerbesteuerbescheid als der Bescheid, in dem über die Hebeberechtigung der Gemeinde entschieden wird, selbständiger Gegenstand des Verfahrens wäre, hätte es jedoch nahe gelegen, unter Hinweis auf ihren Klageantrag im Wege eines Antrags auf Urteilsergänzung nach § 109 Abs. 1 FGO geltend zu machen, dass über den Antrag auf Aufhebung des Gewerbesteueränderungsbescheids versehentlich nicht entschieden worden sei. Eine entsprechende Rüge lässt sich dem Vorbringen der Klägerin jedoch nicht entnehmen.
9 b) War Gegenstand des angegriffenen Urteils demnach (neben dem geänderten Feststellungsbescheid 1994) nur der geänderte Gewerbesteuermessbescheid 1994 und kam es nach der dargelegten Rechtsprechung für einen Erfolg der hiergegen gerichteten Klage auf Ort und Sitz der Geschäftsleitung der Klägerin bzw. auf die Hebeberechtigung des Landes Berlin nicht an, ist die Rüge der Klägerin, das FG habe gegen das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) und gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, bereits unzulässig. Denn es fehlt für die Zulässigkeit der Gehörsrüge an der Darlegung, dass das als übergangen gerügte Vorbringen zu Sitz und Ort der Geschäftsleitung bzw. zur Hebeberechtigung aus der maßgeblichen Sicht des FG entscheidungserheblich war, und für die Zulässigkeit der Sachaufklärungsrüge, dass sich dem FG weitere Ermittlungen zur Hebeberechtigung des Landes Berlin bzw. zu Sitz und Ort der Geschäftsleitung der Klägerin im Streitjahr 1994 aus der maßgeblichen Sicht des FG hätten aufdrängen müssen. Darüber hinaus hätte die ordnungsgemäße Darlegung eines Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht —woran es ebenfalls fehlt— auch Ausführungen dazu erfordert, welche Beweise das FG nicht erhoben hat und dass entweder die Nichterhebung angebotener Beweise von der —anwaltlich vertretenen— Klägerin in der mündlichen Verhandlung gerügt worden ist oder aber warum die Rüge nicht rechtzeitig erhoben werden konnte (z.B. , BFH/NV 2012, 697).
10 c) Ohne Erfolg rügt die Klägerin eine unterlassene Beiladung der Gemeinden A und B nach § 60 Abs. 3 FGO. Dabei kann dahinstehen, ob diese Gemeinden zu einem Verfahren gegen den geänderten Gewerbesteuerbescheid überhaupt notwendig beizuladen wären. Denn dieser Bescheid war, wie dargelegt, nicht Gegenstand des angegriffenen Urteils. Zum Verfahren gegen den geänderten Gewerbesteuermessbescheid waren die Gemeinden jedenfalls nicht notwendig beizuladen, da in diesem Verfahren nicht mit bindender Wirkung über die hebeberechtigte Gemeinde entschieden wird.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 512 Nr. 4
EStB 2013 S. 137 Nr. 4
HAAAE-30625