Instanzenzug: Az: 22 Ca 19938/05 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 11 Sa 465/09 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger auch für die Beschäftigungszeit vom bis zum eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben hat.
2Der 1955 geborene Kläger war vom bis zum bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten beschäftigt. Zunächst war er für die F AG tätig. Diese hatte ihm eine Versorgungszusage über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gemäß der Satzung und den Richtlinien des Unterstützungsvereins der Firma F vom (im Folgenden: Satzung 1962 und Richtlinien 1962) erteilt. Nach der Satzung 1962 und den Richtlinien 1962 war ein Rechtsanspruch auf Versorgungsleistungen ausgeschlossen.
§§ 2, 6 und 11 der Satzung 1962 lauten:
§ 11 der Satzung 1962 idF vom lautet:
Die §§ 3 und 4 der Richtlinien 1962 haben folgenden Wortlaut:
Am schlossen die F AG und der Gesamtbetriebsrat die Betriebsvereinbarung „Unterstützungsverein der F - Änderung der Satzung und Richtlinien“ (im Folgenden: GBV 1978) ab. In der GBV 1978 heißt es ua.:
7Diese Änderungen wurden mit der Neufassung der Satzung und der Richtlinien vom (im Folgenden: RL 1978) umgesetzt und den Mitarbeitern durch ein Rundschreiben des Vorstandes des Unterstützungsvereins der F vom im Anschluss an eine Mitgliederversammlung und Betriebsversammlung bekannt gegeben. Am vereinbarten der Vorstand der F AG und der Gesamtbetriebsrat im „1. Nachtrag zur Betriebsvereinbarung vom “ eine Änderung der Nr. 6 GBV 1978 (Übergangsregelung).
8Mit einem an den Gesamtbetriebsrat der F AG, den Sprecherausschuss der leitenden Angestellten der F AG, den Vorstand des Unterstützungsvereins der F und alle Arbeitnehmer der F AG gerichteten Schreiben vom kündigte die F AG „die Betriebsvereinbarung vom sowie 1. Nachtrag vom “ sowie die „Satzung und Richtlinien für die Gewährung laufender Unterstützungen des Unterstützungsvereins der F“ zum . Zugleich widerrief sie die „zugesagten Leistungen für alle zukunftsbedingten Zuwächse“ nach dem „dem Grunde und der Höhe nach, da die Geschäftsgrundlage für weitere Leistungszuwächse weggefallen“ sei.
Im Schreiben vom heißt es weiter:
10Dieses Schreiben wurde nicht an die einzelnen Mitarbeiter übersandt. Unter den Parteien ist streitig, ob das Schreiben am „Schwarzen Brett“ im Unternehmen der F AG ausgehängt wurde.
Der Gesamtbetriebsrat widersprach mit Schreiben vom der Kündigung und dem Widerruf. Mit Schreiben vom wandte er sich erneut an die Arbeitgeberin. Dieses Schreiben hat folgenden Inhalt:
12Im Jahr 1993 fusionierte die F AG mit der M AG zur D AG.
Am fand eine Mitgliederversammlung des Unterstützungsvereins der F in der Kantine der F AG statt. In der Niederschrift über die Mitgliederversammlung heißt es ua.:
14Die Tagesordnung der Mitgliederversammlung war - entgegen den Angaben in der Niederschrift über die Mitgliederversammlung - den einzelnen Mitgliedern nicht persönlich übersandt worden.
15Mit Beschluss vom stellte das Arbeitsgericht München in dem Verfahren - 7 BV 100/93 - rechtskräftig fest, dass die Betriebsvereinbarung vom mit der hierzu vereinbarten Änderung durch den 1. Nachtrag vom aufgrund der vereinbarten Nachwirkung über den hinaus fortgilt. Unter II. 3. der Gründe hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass „über die zwischen den Beteiligten streitige Frage, inwieweit der Widerruf der zugesagten Rentenleistungen für alle zukunftsbedingten Zuwächse wirksam ist“, nicht zu entscheiden war. Zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung oder zu einem Einigungsstellenverfahren kam es nicht.
16Am wurde nach Ablehnung eines von der D AG beantragten Vergleichsverfahrens das Anschlusskonkursverfahren über deren Vermögen eröffnet. Am ging das Arbeitsverhältnis des Klägers infolge eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die neu gegründete D GmbH über. Aus dieser entstanden im Jahr 1997 durch Spaltung die D P GmbH und die D G GmbH. Bei dieser war der Kläger zuletzt beschäftigt. Die D G GmbH ist inzwischen durch Umwandlung erloschen. Rechtsnachfolgerin ist die D P GmbH, die nunmehrige Beklagte.
17Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft auch für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am erworben. Die F AG habe die Versorgungszusage nicht wirksam widerrufen. Das Widerrufs-/Kündigungsschreiben sei ihm nicht zugegangen. Es sei den Arbeitnehmern weder zugeschickt noch durch einen Aushang bekannt gemacht worden. Die von der Beklagten angeführten Indiztatsachen rechtfertigten nicht den Schluss auf eine Bekanntgabe des Widerrufs der Versorgungszusage. Der Widerruf sei auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der D AG habe festgestanden, dass die Sanierungsbemühungen gescheitert seien. Hierdurch sei das Widerrufsrecht entfallen. Im Übrigen bestünden seine Betriebsrentenansprüche bereits deshalb ungekürzt fort, weil die GBV 1978 sowohl wegen der unter Nr. 9 getroffenen Vereinbarung als auch kraft Gesetzes nachwirke.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
19Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Teilwiderruf der Versorgungszusage sei wirksam. Bei der vorliegenden Unterstützungskassenversorgung habe für den Widerruf ein Schreiben an den Betriebsrat genügt. Auf die tatsächliche Kenntniserlangung der einzelnen Versorgungsberechtigten komme es nicht an. Jedenfalls reiche eine im Unternehmen übliche Bekanntgabe des Widerrufs und die Möglichkeit der Kenntnisnahme aus. Der Kläger habe von dem Widerrufsschreiben vom Kenntnis nehmen können. Das Widerrufsschreiben sei zwar nicht an die Arbeitnehmer persönlich übersandt worden, jedoch am „Schwarzen Brett“ ausgehängt worden. Zwar könne sie einen unmittelbaren Nachweis für einen Aushang des Schreibens nicht führen, als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Versorgungsschuldnerin verfüge sie nicht über die Unterlagen; zudem sei es zu einem Wasserschaden im Archiv der F AG gekommen; die Tatsache, dass das Widerrufsschreiben vom am „Schwarzen Brett“ ausgehängt worden sei, ergebe sich jedoch aus einer Reihe von Indizien:
20Schreiben, die an alle Mitarbeiter gerichtet gewesen seien, seien generell von der Personalabteilung am „Schwarzen Brett“ ausgehängt worden. Der Personalleiter habe hiermit einen Mitarbeiter der Personalabteilung beauftragt. Wenn ein vom Vorstand unterzeichnetes Schreiben an alle Mitarbeiter gerichtet gewesen sei, sei auf diese Weise der Aushang organisatorisch sichergestellt worden. Der damalige Personalleiter der F AG könne sich zwar nicht konkret daran erinnern, welcher Aushang am „Schwarzen Brett“ zu welchem Zeitpunkt erfolgt sei. Er sei sich jedoch sicher, dass durch die Organisation seiner Abteilung gewährleistet gewesen sei, dass ein Schreiben des Vorstandes, das an alle Mitarbeiter gerichtet gewesen sei, auch ordnungsgemäß ausgehängt wurde.
21Das Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom , dessen Aushang dieser angekündigt habe, dokumentiere eine Unsicherheit in der Belegschaft wegen des Widerrufs der Versorgungszusage. Eine Verunsicherung der Belegschaft ohne Kenntnis der Position der F AG sei nicht denkbar. Damit belege bereits dieses Schreiben, dass der Widerruf der Altersversorgung im Unternehmen allgemein bekannt gewesen sei. Dies wiederum lasse nur den Schluss zu, dass eine allgemeine Bekanntgabe des Teilwiderrufs durch die F AG stattgefunden habe.
22Es komme hinzu, dass der Betriebsrat auf den regelmäßig einzuberufenden Betriebsversammlungen über die bedeutende Frage des Schicksals der betrieblichen Altersversorgung habe berichten müssen. Dieses Thema sei deshalb zwangsläufig Gegenstand von Betriebsversammlungen gewesen. Auch sei davon auszugehen, dass der Betriebsrat in diesem Zusammenhang über das Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht München berichtet habe.
23Zudem belege das Protokoll vom über die Mitgliederversammlung der Unterstützungskasse vom , dass der Vorstandsvorsitzende M die Schließung des Versorgungswerks zum mit der wirtschaftlichen Lage des Trägerunternehmens begründet habe. Aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung ergebe sich auch, dass die Tagesordnung allen Mitgliedern rechtzeitig persönlich bekannt gemacht worden sei. Die Tagesordnung sei zwar den Mitgliedern nicht persönlich übersandt worden, jedoch zusammen mit der Einladung am „Schwarzen Brett“ ausgehängt worden. Da der Kläger Mitglied der Unterstützungskasse gewesen sei, habe er die Gelegenheit gehabt, sich auf der Mitgliederversammlung der Unterstützungskasse entsprechend zu informieren.
24Ein weiteres Indiz dafür, dass die Widerrufserklärung vom im Unternehmen allgemein bekannt gewesen sei, folge aus dem Umstand, dass ausgeschiedene Mitarbeiter eine Bescheinigung über ihre unverfallbaren Anwartschaften erhalten hätten unter Hinweis darauf, dass das Versorgungswerk „bekanntlich geschlossen worden“ sei. Keiner der Mitarbeiter, die ein solches Schreiben erhalten hätten, habe hiergegen rechtliche Schritte eingeleitet.
25Die Voraussetzungen für den Widerruf lägen vor. Die F AG habe sich zum Zeitpunkt des Widerrufs in einer sehr bedrängten wirtschaftlichen Situation befunden. Sie habe triftige Gründe für einen Eingriff in die erdiente Dynamik und die noch nicht erdienten, dienstzeitabhängigen Zuwächse gehabt.
26Der Widerruf der Versorgungszusage habe nicht dem Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats unterlegen. Die F AG habe alle Leistungen widerrufen, die nicht insolvenzgesichert gewesen seien und damit den gesetzlichen Höchstrahmen ausgeschöpft. Darüber hinaus habe es nichts zu verteilen gegeben. Die Klageforderung könne nicht auf eine Nachwirkung der GBV 1978 gestützt werden. Sie habe die Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung nicht normativ geregelt. Die Bedeutung der GBV 1978 erschöpfe sich in der Zustimmung des Gesamtbetriebsrats zu der beabsichtigten Änderung der Richtlinien. Sie enthalte lediglich schuldrechtliche Verpflichtungen und besage auch nur, dass Änderungen der Richtlinien nicht durch eine Regelungsabrede getroffen werden könnten, sondern des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung bedürften. Die Betriebsvereinbarung enthalte keine die Mitbestimmung erweiternde Regelung, sondern setze ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats voraus. Sie lasse das Recht der Beklagten unangetastet, bei vollständiger Reduzierung des Gesamtvolumens die Leistungen mitbestimmungsfrei zu widerrufen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten hat das - 3 AZR 384/07 - AP BetrAVG § 9 Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47) das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom (- 11 Sa 465/09 -) die Berufung der Beklagten erneut zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
28Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat auch für die Beschäftigungszeit vom bis zum eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben.
29A. Im vorliegenden Revisionsverfahren war nur noch zu klären, ob die Beklagte die ihr zustehende individualrechtliche Befugnis zum Teilwiderruf der Unterstützungskassenversorgung ordnungsgemäß ausgeübt hat und, sofern dies der Fall sein sollte, ob hinreichende Gründe für den Teilwiderruf des Versorgungsversprechens vorgelegen haben. Alle anderen die Wirksamkeit des Teilwiderrufs betreffenden Fragen hat der Senat durch Urteil vom (- 3 AZR 384/07 - AP BetrAVG § 9 Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47), mit welchem das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde, bereits entschieden. Danach ist der Kläger Inhaber des Teils des Versorgungsanspruchs geblieben, den er in der Zeit vom bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Ablauf des erworben hat. Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der D AG muss für den nach Konkurseröffnung erdienten und nicht vom Insolvenzschutz erfassten Teil des Versorgungsanspruchs einstehen, sofern die F AG die Unterstützungskassenversorgung nicht wirksam widerrufen hat. Nur auf diesen Teil bezieht sich die Feststellungsklage ( - Rn. 19, aaO). Dem Widerruf steht die GBV 1978 nicht entgegen. Diese hat mit normativer Wirkung lediglich punktuell den Inhalt der durch die Unterstützungskasse abzuwickelnden betrieblichen Altersversorgung geändert, allerdings nicht das Recht des Arbeitgebers beseitigt, die zugesagte Unterstützungskassenversorgung unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit zu widerrufen ( - Rn. 22 ff., aaO). Die F AG benötigte für den mit der Teilkündigung der GBV 1978 sowie des 1. Nachtrags vom verbundenen Teilwiderruf der Versorgungszusage nicht die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats. Ebenso wenig ist eine den Widerruf ausschließende gesetzliche Nachwirkung der GBV 1978 eingetreten. Auch die in Nr. 10 der GBV 1978 vereinbarte Nachwirkung steht dem individualrechtlichen Widerruf nicht entgegen ( - Rn. 26 ff., aaO).
30B. Der Kläger hat auch für die Beschäftigungszeit vom bis zum eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft nach den RL 1978 iVm. der GBV 1978 erworben. Die F AG hat die dem Kläger erteilte Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den RL 1978 nicht wirksam widerrufen.
31I. Die F AG hat mit Schreiben vom die dem Kläger zugesagten Unterstützungskassenleistungen nicht vollständig, sondern nur zum Teil widerrufen. Sie hat die „zugesagten Leistungen für alle zukunftsbedingten Zuwächse“ nach dem dem Grunde und der Höhe nach widerrufen und zugleich darauf hingewiesen, dass zwar alle Zuwächse aufgrund von Betriebszugehörigkeitszeiten und Lohn- und Gehaltsveränderungen nach dem der zu diesem Zeitpunkt unverfallbaren Versorgungsanwartschaften verfallen, der erreichte Besitzstand der unverfallbaren Versorgungsanwartschaften aus den bis zum zurückgelegten Betriebszugehörigkeitszeiten jedoch nach den zu der Zeit gültigen Versorgungsrichtlinien in analoger Anwendung von § 2 BetrAVG erhalten bleibe. Da die Anwartschaft des Klägers am bereits unverfallbar war, führte der Widerruf der Versorgungsleistungen in seinem Fall nicht zu einem Eingriff in den erdienten Teilbetrag, sondern nur zu einem Eingriff in die erdiente Dynamik und die noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse.
32II. Die F AG hat die zugesagte Unterstützungskassenversorgung nicht wirksam widerrufen. Sie hat ihre individualrechtliche Befugnis zum Teilwiderruf der Unterstützungskassenversorgung nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Der Kläger hatte nicht die Möglichkeit der Kenntnisnahme der von der F AG abgegebenen Teilwiderrufserklärung.
331. Entgegen der Rechtsansicht des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei dem Teilwiderruf der Versorgungszusage durch die F AG nicht um die Geltendmachung des Rechtsmissbrauchseinwands, auf den nicht in jedem Fall die Regeln für empfangsbedürftige Willenserklärungen anzuwenden sind (gegen eine Anwendbarkeit der Regeln für empfangsbedürftige Willenserklärungen auf den Widerruf wegen Treuebruchs vgl. - zu II 1 der Gründe, AP BetrAVG § 7 Widerruf Nr. 22; für eine Anwendbarkeit der Regeln für empfangsbedürftige Willenserklärungen auf den Widerruf wegen wirtschaftlicher Notlage vgl. - zu II 1 a der Gründe), sondern um eine rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung. Die F AG hat ihren Widerruf weder auf einen Treuebruch des Klägers noch auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gestützt, die unabhängig von der Erklärung eines Widerrufs ein Recht auf Anpassung der Versorgungszusage geben würde. Die F AG hat vielmehr vom dem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht, das ihr aufgrund des in der Satzung und den Richtlinien der Unterstützungskasse enthaltenen Ausschlusses des Rechtsanspruchs auf Leistungen der Unterstützungskasse nach ständiger, durch das Bundesverfassungsgericht gebilligter Rechtsprechung des Senats zusteht (vgl. - Rn. 30, AP BetrAVG § 9 Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47).
342. Rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärungen bedürfen nach § 130 BGB des Zugangs. Nach § 130 Abs. 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene empfangsbedürftige Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht. Zugegangen ist eine Willenserklärung nach dieser Bestimmung dann, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen ( - zu III 1 der Gründe, AP BGB § 130 Nr. 18 = EzA BGB § 130 Nr. 24). Allerdings war die F AG nicht verpflichtet, den Teilwiderruf der Unterstützungskassenversorgung dem Kläger persönlich mitzuteilen. Der Teilwiderruf der zugesagten Unterstützungskassenleistung musste dem Kläger demnach nicht persönlich zugehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats reicht es im Fall der Änderung von Versorgungsrichtlinien einer Unterstützungskasse aus, wenn diese Änderungen durch den Versorgungsschuldner im Betrieb oder Unternehmen allgemein bekannt gemacht werden. Es genügt, dass der betroffene Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, von der Änderung Kenntnis zu nehmen. Eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich (vgl. - zu II 3 der Gründe, BAGE 75, 196). An die Verlautbarung des Teilwiderrufs einer Unterstützungskassenversorgung sind keine höheren Anforderungen zu stellen ( - Rn. 41, AP BetrAVG § 9 Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 47).
353. Danach hat die F AG die dem Kläger zugesagte Unterstützungskassenversorgung nicht wirksam widerrufen.
36a) Unter den Parteien ist unstreitig, dass das Widerrufsschreiben vom entgegen seiner Adressierung nicht an die einzelnen Mitarbeiter persönlich zugestellt wurde. Ein Zugang nach § 130 Abs. 1 BGB liegt demnach nicht vor.
37b) Die Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass die F AG den Teilwiderruf der Unterstützungskassenversorgung in allgemeiner Form im Unternehmen oder Betrieb in einer Weise bekannt gemacht hat, dass die betroffenen Arbeitnehmer - mithin auch der Kläger - die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatten. Insbesondere hat die Beklagte nicht den Nachweis erbracht, dass die F AG die Widerrufserklärung vom am „Schwarzen Brett“ ausgehängt hatte.
38aa) Die Beklagte hat insoweit selbst eingeräumt, sie könne einen unmittelbaren Nachweis für einen Aushang des Schreibens nicht führen. Als Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Versorgungsschuldnerin verfüge sie nicht über die Unterlagen; zudem sei es zu einem Wasserschaden im Archiv der F AG gekommen, weshalb Unterlagen, die einen Aushang des Schreibens belegen könnten, auch nicht mehr auffindbar seien.
39bb) Das Landesarbeitsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die von der Beklagten für den behaupteten Aushang des Schreibens vom am „Schwarzen Brett“ vorgetragenen Indiztatsachen weder im Einzelnen noch bei einer Gesamtbetrachtung eine hinreichende Beweiskraft für den Schluss auf die Haupttatsache haben.
40(1) Der Tatrichter ist bei einem auf Indizien gestützten Beweis grundsätzlich frei in der Beurteilung, welche Beweiskraft er den Indizien im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst und stellt die den Indizien zukommenden Wahrscheinlichkeitsgrade und somit die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen fest. Er unterliegt dabei - abgesehen von den allgemeinen Beweisverwertungsverboten - keinen rechtlichen Einschränkungen für die Berücksichtigung von Tatsachen, die eine häufigere Wahrscheinlichkeit für die eigentlich zu beweisende Haupttatsache aufweisen und damit eine Indizwirkung entfalten können ( - zu II 1 b cc (3) (3.1) der Gründe, NJW 2004, 3423). Revisionsrechtlich ist seine Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO nur darauf überprüfbar, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist, ob sie gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände widerspruchsfrei beachtet worden sind ( - aaO; - Rn. 26, AP AGG § 3 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7).
41(2) Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil.
42(a) Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht angenommen hat, aufgrund der von der Beklagten behaupteten Übung, Schreiben, die an alle Mitarbeiter gerichtet gewesen seien, seien stets von der Personalabteilung am „Schwarzen Brett“ ausgehängt worden, könne nicht darauf geschlossen werden, dass auch das Widerrufsschreiben vom am „Schwarzen Brett“ ausgehängt wurde. Es ist ohne Weiteres denkbar, dass eine übliche Handhabung im Einzelfall unterbleibt.
43(b) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem Schreiben des Gesamtbetriebsrats vom weder im Hinblick auf den von der Beklagten behaupteten Aushang des Widerrufsschreibens vom noch im Hinblick auf eine allgemeine Bekanntmachung des Widerrufsschreibens im Unternehmen oder Betrieb der F AG in sonstiger Weise die notwendige Beweiskraft zuerkannt hat. Dass in der Belegschaft eine Verunsicherung bestanden hat, belegt - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat - nämlich nicht, dass der Teilwiderruf der Unterstützungskassenversorgung von der Beklagten allgemein verlautbart worden war. Das Landesarbeitsgericht weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass die Verunsicherung innerhalb der Belegschaft insofern nachvollziehbar erscheine, als bekannt gewesen sein dürfte, dass der Betriebsrat bzw. der Gesamtbetriebsrat sich mit dem Arbeitgeber in einer Diskussion über kollektive Änderungen im Versorgungswerk befunden hat und die Arbeitnehmer deshalb über den Umfang etwaiger Änderungen im Unklaren waren.
44(c) Ebenso wenig begegnet es revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht den turnusmäßig durchgeführten Betriebsversammlungen, selbst wenn die Unterstützungskassenversorgung dort thematisiert worden sein sollte, keine Indizwirkung für den Schluss auf eine allgemeine Bekanntgabe des Teilwiderrufs der Unterstützungskassenversorgung durch die F AG beigemessen hat. Zum einen hat die Beklagte nicht behauptet, dass das Widerrufsschreiben vom ausdrücklich Gegenstand der Präsentation und Erörterung im Rahmen von Betriebsversammlungen gewesen sei. Zum anderen verkennt die Beklagte, dass es nicht Sache des Betriebsrats war, den Teilwiderruf der Unterstützungskassenversorgung durch die F AG gegenüber den Mitarbeitern zu verlautbaren. Die Bekanntmachung des Teilwiderrufs oblag allein der F AG. Der Betriebsrat war weder Bote noch Vertreter der F AG. Wenn der Widerruf der Versorgungsleistungen Gesprächsgegenstand von Betriebsversammlungen gewesen sein sollte, so könnte hieraus allenfalls der Schluss gezogen werden, dass die Mitarbeiter im Nachhinein von dritter Stelle von einer Schließung des Versorgungswerks, einer Kündigung der GBV 1978 durch die F AG und einem Widerruf der Versorgungsleistungen erfahren haben; einen Schluss darauf, dass der Teilwiderruf den Arbeitnehmern bereits zuvor von der F AG in einer Art und Weise bekannt gemacht worden war, die den Mitarbeitern die Möglichkeit der Kenntnisnahme des genauen Inhalts der Widerrufserklärung eröffnete, erlauben etwaige Gespräche und Diskussionen über einen Widerruf auf Betriebsversammlungen nicht.
45(d) Daran ändert auch das vor dem Arbeitsgericht München durchgeführte Beschlussverfahren nichts. Selbst wenn den Mitarbeitern bekannt gewesen sein sollte, dass der Gesamtbetriebsrat ein derartiges Verfahren einleiten wollte und im Jahr 1993 eingeleitet hat mit dem Ziel, nicht nur die Kündigung der GBV 1978, sondern auch den im Schreiben vom ausgesprochenen Widerruf der Versorgungsleistungen zu bekämpfen, so folgt daraus - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - nicht, dass die F AG den individualrechtlichen Widerruf in einer Weise verlautbart hatte, dass die betroffenen Arbeitnehmer hiervon konkret Kenntnis nehmen konnten. Es ist vielmehr denkbar, dass die Mitarbeiter erst im Zusammenhang mit dem Beschlussverfahren von einem Widerruf der Versorgungsleistungen durch die F AG - in welchem Umfang auch immer - erfahren haben.
46(e) Es ist auch nicht zu bestanden, dass das Landesarbeitsgericht den Geschehnissen auf der Mitgliederversammlung der Unterstützungskasse am keine hinreichende Beweiskraft im Hinblick auf eine zuvor erfolgte allgemeine Bekanntgabe der Widerrufserklärung im Unternehmen bzw. Betrieb der F AG beigemessen hat. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht maßgeblich darauf abgestellt, dass durch das Protokoll der Mitgliederversammlung schon nicht hinreichend belegt werde, ob und in welchem Umfang das Widerrufsschreiben vom überhaupt Gegenstand der Erörterung war oder ob lediglich der gegenüber dem Gesamtbetriebsrat erfolgte Widerruf, mit dem der Umfang der Kündigung der GBV 1978 konkretisiert wurde, näher begründet wurde. Für Letzteres spricht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dass nach dem vorgelegten Protokoll der damalige Betriebsratsvorsitzende R lediglich „zur Schließung des Versorgungswerkes“ eine abweichende Rechtsansicht mitgeteilt und darauf hingewiesen hatte, dass beim Arbeitsgericht München deswegen ein Beschlussverfahren eingeleitet worden sei.
47(f) Ferner begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht auch den Umstand für unerheblich gehalten hat, dass ausgeschiedene Mitarbeiter, denen eine Bescheinigung über ihre unverfallbaren Anwartschaften unter Hinweis darauf erteilt worden war, das Versorgungswerk sei „bekanntlich geschlossen worden“, hiergegen keine rechtlichen Schritte unternommen hatten. Zum einen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf abgestellt, dass der Hinweis „dass das Versorgungswerk bekanntlich geschlossen worden“ sei, von den Betroffenen ohne Weiteres dahin verstanden werden konnte, dass sie hiervon nicht betroffen waren, weil die Schließung des Versorgungswerks nur für nach dem eintretende Mitarbeiter Bedeutung haben sollte. Zum anderen kann aus dem Umstand, dass ein ausgeschiedener Arbeitnehmer sich gegen die Feststellung einer geringeren als der von ihm erworbenen unverfallbaren Anwartschaft nicht zur Wehr gesetzt hat, nicht geschlossen werden, er und auch andere Beschäftigte hätten bereits zuvor vom Teilwiderruf der Versorgungszusage Kenntnis gehabt. Davon abgesehen kann ein Untätigbleiben dieser vormaligen Arbeitnehmer der F AG seinen Grund auch darin haben, dass der Gesamtbetriebsrat es übernommen hatte, durch Verhandlungen mit der Arbeitgeberin und ggf. Einleitung eines Beschlussverfahrens eine wirksame Schließung des Versorgungswerks und die Kürzung der Versorgungsleistungen zu verhindern.
48(g) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, lassen die von der Beklagten vorgetragenen Indiztatsachen auch in ihrer Gesamtheit nicht mit hinreichender Gewissheit darauf schließen, dass das Schreiben vom am „Schwarzen Brett“ ausgehängt wurde. Ganz überwiegend konnte die Beklagte mit diesen Indiztatsachen nur belegen, dass die Mitarbeiter zeitlich nachfolgend - im Wesentlichen von dritter Seite - über eine Schließung des Versorgungswerks, die Kündigung der GBV 1978 und einen wie auch immer gearteten Widerruf der Versorgungsleistungen durch die F AG informiert wurden; eine solche nachträgliche Information besagt aber nichts darüber, ob der Teilwiderruf der Unterstützungskassenleistungen von der F AG tatsächlich im Unternehmen allgemein bekannt gemacht worden war.
49cc) Eine ordnungsgemäße allgemeine Bekanntgabe des Teilwiderrufs der Unterstützungskassenleistungen ist auch nicht auf der Mitgliederversammlung der Unterstützungskasse am erfolgt. Es kann offenbleiben, ob zu der Mitgliederversammlung unter Angabe des Tagesordnungspunktes „Schließung des Versorgungswerkes zum “ durch Aushang am „Schwarzen Brett“ eingeladen wurde. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob Herr M namens der F AG auf der Mitgliederversammlung den Teilwiderruf der Unterstützungskassenleistung erklärt hat. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre der Teilwiderruf der Unterstützungskassenversorgung nicht wirksam.
50Erklärt der Arbeitgeber den Widerruf oder den Teilwiderruf einer Unterstützungskassenleistung nicht persönlich gegenüber jedem betroffenen Arbeitnehmer, sondern wählt er den Weg der allgemeinen Bekanntgabe im Unternehmen oder Betrieb, so muss er sicherstellen, dass die betroffenen Arbeitnehmer ohne Weiteres, dh. unmittelbar die Möglichkeit der Kenntnisnahme haben. Er muss demnach seine Widerrufserklärung dort anbringen, wo die Arbeitnehmer üblicherweise mit entsprechenden Erklärungen des Arbeitgebers rechnen müssen. Diese Voraussetzungen erfüllt die Mitgliederversammlung der Unterstützungskasse der F AG nicht. Die Mitglieder der Unterstützungskasse mussten nicht damit rechnen, dass die F AG auf einer Mitgliederversammlung der Unterstützungskasse einen (Teil-)Widerruf der Unterstützungskassenversorgung erklären würde.
51Nach § 6 Abs. 1 der Satzung der Unterstützungskasse ist die Aufgabe der Mitgliederversammlung die Wahl der von ihr zu bestimmenden Ausschussmitglieder, der Widerruf der Wahl und die Entlastung des Vorstandes und des Ausschusses. Darüber hinaus ist nach § 6 Abs. 2 der Satzung eine Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn besondere Gründe im Interesse des Vereins dies erfordern. Zu diesen besonderen Gründen im Interesse des Vereins gehörte es nicht, der F AG die Möglichkeit zu geben, im Rahmen einer Mitgliederversammlung einen (Teil-)Widerruf der Leistungen der Unterstützungskasse zu erklären.
52Dies gilt auch dann, wenn die Mitglieder unter Angabe des Tagesordnungspunktes „Schließung des Versorgungswerkes zum “ zur Mitgliederversammlung eingeladen worden sein sollten. Zum einen konnten sie diesen Tagesordnungspunkt so verstehen, dass es lediglich um die Schließung des Versorgungswerks für ab dem neu eintretende Mitarbeiter ging; zum anderen mussten sie auch nicht damit rechnen, dass die F AG auf der Mitgliederversammlung einen Widerruf oder Teilwiderruf der Versorgungszusage erklären würde. Insoweit konnten sie darauf vertrauen, dass wesentliche Änderungen ihrer Versorgungsbedingungen - ebenso wie eine Änderung der Richtlinien (vgl. § 11 Nr. 3 der Satzung 1962 idF vom ) - durch Aushang oder Rundschreiben bekannt gegeben würden.
53Dem steht das Urteil des Senats vom (- 3 AZR 221/91 - zu B I der Gründe, BAGE 70, 26) nicht entgegen. Zwar kann danach nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch die Unterstützungskasse selbst die Leistungen widerrufen; auch wird ein Widerruf seitens der Unterstützungskasse dem Arbeitgeber zugerechnet. Vorliegend hat die Unterstützungskasse jedoch unstreitig keinen Widerruf erklärt, sondern allein die F AG.
54III. Mangels wirksamen Widerrufs der Leistungen durch die F AG hat der Kläger auch für die Beschäftigungszeit vom bis zum eine unverfallbare Anwartschaft auf Versorgungsleistungen nach der Satzung und den RL 1978 sowie der GBV 1978 und dem Nachtrag zur Betriebsvereinbarung vom erworben. Insoweit war der Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils aus Gründen der Klarstellung neu zu fassen.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstelle(n):
IAAAE-28877