Anspruch auf tarifliche Zusatzleistung gegen den Betriebserwerber - Inkrafttreten des Tarifvertrags nach Betriebsübergang
Gesetze: § 613a Abs 1 S 1 BGB, § 613a Abs 1 S 2 BGB, § 1 Abs 1 TVG, § 3 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 18/15 Ca 7138/08 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 14/17 Sa 1177/09 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten um eine tarifliche Zusatzzahlung.
2Die Klägerin, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, ist seit dem bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen, namentlich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses bei der N AG, beschäftigt.
Im Arbeitsvertrag vom heißt es ua.:
4Die Rechtsvorgängerin N AG war an die Tarifverträge für den Hessischen Einzelhandel gebunden.
5Am 14./ unterzeichneten ua. die N AG und die Gewerkschaft ver.di (Bundesvorstand) ein sog. Eckpunktepapier „Vereinbarung zur Sanierung und zur Beschäftigungssicherung für den K - Konzern“, das in einen „Tarifvertrag zur Sanierung und zur Beschäftigungssicherung“ (TV Sanierung) mit dem Datum des mündete, der am in Kraft trat und mit Ablauf des ohne Nachwirkung endete. Dieser sah für die Beschäftigten ua. die Aussetzung von Tariflohnerhöhungen sowie den Entfall des tariflichen Urlaubsgeldes und der tariflichen Sonderzuwendung für die Jahre 2005 bis 2007 vor. Gleichzeitig vereinbarten die Tarifvertragsparteien einen „Tarifvertrag über tarifliche Zusatzzahlung“ vom (TV Zusatzzahlung), in dem es - um auf Arbeitgeberseite nicht zur Bildung von Rückstellungen verpflichtet zu sein - in der Endfassung heißt: „tritt am in Kraft“.
In § 2 TV Zusatzzahlung ist unter der Überschrift „Zusatzzahlung“ geregelt:
7Der TV Sanierung wurde auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin angewandt. Mit Wirkung ab dem wurde der Bereich Logistik der N AG, in dem die Klägerin beschäftigt war, auf die Q GmbH übertragen. Mit weiterem Betriebsübergang wurde dieser Bereich mit Wirkung ab dem von der nicht tarifgebundenen Beklagten übernommen. In den Jahren 2005 bis 2007 erhielt die Klägerin weder von der Beklagten noch von deren Rechtsvorgängerinnen eine tarifliche Sonderzahlung. Die Zusatzzahlung nach dem TV Zusatzzahlung wurde von der Beklagten nicht gezahlt.
8Mit ihrer Klage beansprucht die Klägerin die tarifvertragliche Zusatzzahlung für das Jahr 2008. Der Anspruch ergebe sich aus § 2 TV Zusatzzahlung und die Beklagte sei als Rechtsnachfolgerin der N AG nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zur Erfüllung verpflichtet. Daran ändere die Regelung zum Inkrafttreten mit dem nichts. Bei verständiger Auslegung des TV Zusatzzahlung iVm. dem TV Sanierung sei der Anspruch bereits vor dem ersten Betriebsübergang rechtlich begründet worden. Beide Tarifverträge bildeten eine untrennbare Einheit.
Die Klägerin hat beantragt,
10Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der TV Zusatzzahlung sei nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformiert worden, weil er zum Zeitpunkt der Betriebsübergänge noch nicht in Kraft getreten sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin das Ziel der Klagestattgabe weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
12Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen.
13I. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den geltend gemachten Zahlungsbetrag.
141. Die Klageforderung steht der Klägerin nicht auf der Grundlage beiderseitiger Tarifgebundenheit zu. Die Beklagte ist nicht selbst Partei des TV Zusatzzahlung.
152. Ein Zahlungsanspruch folgt auch nicht aus § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. den Normen des TV Zusatzzahlung. Tritt ein Tarifvertrag nicht mit seinem Abschluss, sondern erst später in Kraft, ist für den Beginn der Tarifgeltung der Zeitpunkt des Inkrafttretens maßgebend. Zuvor gehört der tarifvertragliche Regelungsbestand nicht zu den Rechten und Pflichten aus dem im Zeitpunkt eines Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. Dies hat der Senat bereits entschieden und ausführlich begründet ( - Rn. 17 bis 34, NZA 2012, 923). Da im Streitfall keine Besonderheiten erkennbar sind, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung der genannten Entscheidung.
163. Ein Zahlungsanspruch folgt auch nicht aus der Bezugnahme auf die „Vorschriften der jeweils gültigen Tarifverträge“ im Arbeitsvertrag der Klägerin.
17Aus der dynamisch auszulegenden Bezugnahmeklausel (zu den Auslegungsmaßstäben eines Formularvertrages - Rn. 37 mwN, NZA 2012, 923; - 4 AZR 320/10 - Rn. 26 mwN, ZInsO 2012, 1895) unter § 6 des Arbeitsvertrages folgt der Zahlungsanspruch der Klägerin nicht. Eine dynamische Bezugnahme auf „die Vorschriften der jeweils gültigen Tarifverträge“ erfasst nicht Haustarifverträge eines anderen Unternehmens. Auch dies hat der Senat bereits entschieden und ausführlich begründet ( - Rn. 46 f., aaO; - 4 AZR 320/10 - Rn. 33 f., aaO). Da im Streitfall keine Besonderheiten erkennbar sind, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründungen der genannten Entscheidungen.
II. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.
Fundstelle(n):
OAAAE-28875