Gründe
1Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Antragstellers nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 3 ZPO als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zuständig. Denn das Oberverwaltungsgericht ist beschlussunfähig geworden, da der Antragsteller sämtliche Richterinnen und Richter des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat.
2Das Verfahren nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 3 ZPO bezweckt, die Beschlussunfähigkeit des für die Entscheidung über die Befangenheitsgesuche an sich zuständigen Gerichts zu überwinden. Diese Zweckbestimmung ermächtigt das übergeordnete Gericht, nur über so viele Ablehnungsgesuche zu befinden, wie es erforderlich ist, die Beschlussfähigkeit des Ausgangsgerichts wiederherzustellen ( BVerwG 2 AV 3.12 - [...] Rn. 2 m.w.N.). Gemäß § 9 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 12 Abs. 2 des Gesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom zur Ausführung des Gerichtsstrukturgesetzes (GVOBl M-V 1992, 314) sind Beschlüsse außerhalb der mündlichen Verhandlung, so auch Entscheidungen über einen Befangenheitsantrag, von drei Berufsrichtern zu treffen. Dementsprechend kann sich der Senat in dem Verfahren 2 K 9/12 des Oberverwaltungsgerichts auf die ablehnende Entscheidung über die Befangenheitsgesuche gegen drei Richter beschränken. Die Entscheidung, über welche Ablehnungsgesuche befunden wird, steht in seinem Ermessen (Beschluss vom a.a.O.).
3Der Senat entscheidet über die Ablehnungsgesuche gegen den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht T., die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht V. und W.. Diese Gesuche sind unbegründet. Bei der gebotenen vernünftigen Würdigung sämtlicher Umstände ist ein objektiver Grund, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richterinnen und Richter zu rechtfertigen (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO), nicht ersichtlich. Ein solcher ergibt sich weder aus dem Umstand, dass die Richterinnen und Richter des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern der Dienstaufsicht der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts unterliegen (1.), noch in Bezug auf den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht T. daraus, dass dieser mit der Vertretung der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts in Angelegenheiten der Gerichtsverwaltung betraut ist (2.).
41.
Dass die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts die Dienstaufsicht über die Richterinnen und Richter des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern ausübt, vermag weder für sich noch im Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Klageverfahren betrachtet Zweifel an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter zu rechtfertigen.
5Es kann bei verständiger Würdigung die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen, dass die Klage gegen das Land und damit gegen die Anstellungskörperschaft der abgelehnten Richterinnen und Richter gerichtet ist. Die Verwaltungsgerichte sind vielfach mit der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten befasst, an denen die Anstellungskörperschaft der Richterinnen und Richter als Beklagte beteiligt ist. Hieraus lässt sich bei wertender Betrachtung eine Besorgnis der Befangenheit nicht begründen (Beschluss vom -BVerwG 2 AV 4.03 - [...] Rn. 6).
6Dass das beklagte Land keine Veranlassung gesehen hat, von dem Vorbehalt einer Übernahme beziehungsweise abweichenden Übertragung der Aufgabe der Vertretung des Landes nach A. Abschnitt 7 Absatz 1 Satz 1 des Erlasses des Justizministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom über die Vertretung des Landes Mecklenburg-Vorpommern und seiner Behörden im Geschäftsbereich des Justizministeriums - Vertretungserlass Justizministerium -III 310/1200-66 SH - ABl MV S. 54) Gebrauch zu machen und die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts daher verpflichtet ist, das Land in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit gemäß Buchstabe A. Abschnitt 1 Nr. 1 des Vertretungserlasses Justizministerium zu vertreten, ist ebenfalls nicht geeignet, Misstrauen in die Unparteilichkeit der zur Entscheidung berufenen Richterinnen und Richter zu begründen. Sämtlichen Beteiligten ist ebenso wie den zur Streitentscheidung berufenen Richterinnen und Richtern klar, dass die Präsidentin in dieser Funktion weder als Dienstvorgesetzte noch als Richterin, sondern als Behördenleiterin und Prozessvertreterin tätig wird und dabei eine Behandlung durch das Gericht hinzunehmen hat wie jeder andere Prozessvertreter auch ( BVerwG 2 AV 1.03, 2 AV 2.03 und 2 AV. 3.03 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 63 S. 4 f.).
7Zwar übt die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts die Dienstaufsicht über die bei dem Oberverwaltungsgericht tätigen Richterinnen und Richter aus. Diese Dienstaufsicht (vgl. § 38 Abs. 1 VwGO) erstreckt sich jedoch allein auf die äußere Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben. Sie erfasst nicht die Ausübung der den Richtern in voller Unabhängigkeit anvertrauten rechtsprechenden Gewalt (§ 26 Abs. 1 DRiG). Der Präsidentin ist es verwehrt, unmittelbar oder mittelbar auf die Entscheidung der Richter Einfluss zu nehmen. Im Falle einer Zuwiderhandlung müsste sie sich selbst vor der Dienstaufsicht des Justizministeriums und dem Richterdienstgericht verantworten. Eine im Hinblick auf "unliebsame Entscheidungen" erstellte negative Beurteilung hielte einer gerichtlichen Kontrolle nicht stand. Daher ist die Besorgnis unbegründet, die Richterinnen und Richter des Oberverwaltungsgerichts könnten schon wegen der der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts eröffneten Möglichkeit, ihr berufliches Fortkommen im Falle einer ihr nicht genehmen Entscheidung zu fördern oder zu blockieren, nicht frei entscheiden (Beschlüsse vom a.a.O. S. 4 und vom a.a.O. Rn. 7 f.).
82.
Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden Richters am Oberverwaltungsgericht T. können sich zudem nicht daraus ergeben, dass dieser mit der Vertretung der Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts im Falle ihrer Verhinderung und der Verhinderung ihres ständigen Vertreters betraut ist. Ausweislich seiner dienstlichen Äußerung vom hat der Vorsitzende Richter am Oberverwaltungsgericht T. die Gerichtspräsidentin in ihrer Funktion als Vertreterin des beklagten Landes nicht vertreten. Die entsprechende dienstliche Stellungnahme ist dem Antragsteller zur Kenntnis gebracht worden. Die bloße Tatsache, dass er die Präsidentin in ihren Verwaltungsaufgaben vertritt, ist in Ermangelung einer konkreten Befassung oder Mitwirkung nicht geeignet, Misstrauen an der Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters am Oberverwaltungsgericht T. zu wecken.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
RAAAE-27931