EuGH Urteil v. - C-562/11

Verhängung einer Verwaltungssanktion bei in nicht zutreffender Höhe beantragter Ausfuhrerstattung

Leitsatz

Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom und die Verordnung (EG) Nr. 495/97 der Kommission vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass vorbehaltlich der in dessen Unterabs. 3 vorgesehenen Befreiungen die in Unterabs. 1 Buchst. a genannte Verminderung u. a. dann vorzunehmen ist, wenn sich erweist, dass die Ware, für deren Ausfuhr eine Erstattung beantragt worden war, nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität war, und zwar ungeachtet des Umstands, dass der Ausführer in gutem Glauben war und Art und Herkunft der Ware zutreffend beschrieben hat.

Instanzenzug: ,

Entscheidungsgründe:

1Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABl. L 310, S. 57) und die Verordnung (EG) Nr. 495/97 der Kommission vom (ABl. L 77, S. 12) geänderten Fassung.

2Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Société d'Exportation de Produits Agricoles SA (SEPA) (im Folgenden: SEPA) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas wegen der Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion gegen SEPA aufgrund einer von dieser zu Unrecht beantragten Ausfuhrerstattung.

Rechtlicher Rahmen

3Die Verordnung Nr. 3665/87 wurde aufgehoben und ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 102, S. 11), die später ihrerseits durch die Verordnung (EG) Nr. 612/2009 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 186, S. 1) aufgehoben und ersetzt wurde. Im Ausgangsverfahren ist jedoch die Verordnung Nr. 3665/87 in geänderter Fassung anzuwenden.

4Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 in der durch die Verordnung Nr. 2945/94 geänderten Fassung bestimmte:

"Wird festgestellt, dass ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, so entspricht die für die betreffende Ausfuhr geschuldete Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, vermindert um einen Betrag in Höhe

a) des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung,

b) des doppelten Unterschieds zwischen der beantragten und der geltenden Erstattung, wenn der Ausführer vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat."

5In Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 2 hieß es: "Als beantragte Erstattung gilt der Betrag, der anhand der Angaben [des Antragstellers] berechnet wird."

6Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 sah vor:

"Die unter Buchstabe a) genannte Sanktion entfällt:

[a)] im Falle höherer Gewalt,

[b)] für Ausnahmefälle aufgrund von Umständen, für die der Ausführer nicht verantwortlich ist und die nach Entgegennahme der Ausfuhranmeldung oder des Zahlungsantrags durch die zuständigen Behörden eingetreten sind. Ein Ausnahmefall liegt nur vor, wenn der Ausführer die zuständigen Behörden unmittelbar nach dem Erkennen dieser Umstände ... darüber in Kenntnis setzt, es sei denn die zuständigen Behörden haben schon selbst festgestellt, dass der beantragte Erstattungsbetrag unrichtig war,

[c)] im Falle eines offensichtlichen, von der zuständigen Behörde im Zusammenhang mit der beantragten Erstattung anerkannten Irrtums,

..."

7Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 4 lautete:

"Ergibt sich aus der unter den Buchstaben a) oder b) genannten Verminderung ein Negativbetrag, so hat der Ausführer diesen Betrag zu zahlen."

8Durch die Verordnung Nr. 495/97, die am in Kraft trat, wurde Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 3665/87 wie folgt geändert:

"...

b) für Ausnahmefälle, in denen der Ausführer die zuständige Behörde unverzüglich, nachdem er festgestellt hat, dass er eine zu hohe Erstattung beantragt hat, von sich aus schriftlich unterrichtet, es sei denn, die zuständige Behörde hat dem Ausführer mitgeteilt, dass sie beabsichtigt, seinen Antrag zu prüfen, oder der Ausführer hat anderweitig von dieser Absicht Kenntnis erlangt oder die zuständige Behörde hat bereits festgestellt, dass die beantragte Erstattung nicht zutrifft".

9Art. 13 der Verordnung Nr. 3665/87 bestimmte:

"Eine Ausfuhrerstattung wird nicht gewährt, wenn die Erzeugnisse nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind; sind diese Erzeugnisse zur menschlichen Ernährung bestimmt, so darf ihre Verwendung zu diesem Zweck aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Zustands nicht ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt sein."

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10In der Zeit von Februar 1997 bis Januar 1998 reichte SEPA beim Zollamt Hallbergmoos Ausfuhranmeldungen für Rindfleischpartien ein. Den Ausfuhranmeldungen hatte sie Genusstauglichkeitsbescheinigungen der Veterinärbehörde beigefügt, aus denen sich ergab, dass das Fleisch aus deutschen Isolierschlachtbetrieben stammte, d. h. aus Schlachtbetrieben, in denen Tiere geschlachtet werden, die krank sind oder aus besonderem Anlass notgeschlachtet werden müssen.

11Das für die Verzollung dieser Waren zuständige Hauptzollamt Landshut leitete die Ausfuhranmeldungen an das Hauptzollamt Hamburg-Jonas weiter, das für die Gewährung und Zahlung der Ausfuhrerstattungen gemäß der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union zuständig war. Das Hauptzollamt Landshut leitete jedoch nicht in allen Fällen die Genusstauglichkeitsbescheinigungen, die SEPA ihren Ausfuhranmeldungen beigefügt hatte, an das Hauptzollamt Hamburg-Jonas weiter.

12Nachdem das Hauptzollamt Hamburg-Jonas SEPA zunächst Ausfuhrerstattungen in Höhe von insgesamt 1 633 436 DM gewährt und gezahlt hatte, forderte es diese mit Bescheiden vom 15. und mit der Begründung zurück, die Voraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität nach Art. 13 der Verordnung Nr. 3665/87 sei nicht erfüllt gewesen.

13Aufgrund eines behördlichen Erlasses vom 16. September 1997 hatte das Hauptzollamt Hamburg-Jonas nämlich die Auffassung vertreten, dass Fleisch aus Isolierschlachtbetrieben nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sei.

14SEPA setzte sich gegen die Rückforderung der Ausfuhrerstattungen gerichtlich zur Wehr. Sie machte geltend, dass die gesunde und handelsübliche Qualität der exportierten Fleischpartien außer Frage stehe, da die Isolierschlachtbetriebe über Bescheinigungen der Veterinärbehörde verfügten, nach denen das Fleisch zum menschlichen Verzehr geeignet sei, und im Übrigen Genusstauglichkeitsbescheinigungen zur Erfüllung der Zollformalitäten erstellt worden seien.

15Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs stellte der Gerichtshof fest, dass die Vermarktungsfähigkeit des Erzeugnisses "unter normalen Bedingungen" ein Merkmal darstellt, das notwendig mit dem Begriff "gesunde und handelsübliche Qualität" verbunden ist, so dass Fleisch wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, dessen Erzeugung, Verarbeitung und Vertrieb erheblich eingeschränkt sind, nicht als "unter normalen Bedingungen" vermarktungsfähig angesehen werden kann, auch wenn es die Genusstauglichkeitskriterien erfüllt und Gegenstand eines Handelsgeschäfts ist (Urteil vom , SEPA, C-409/03, Slg. 2005, I-4321, Randnrn. 26 und 30). Insbesondere auf dieses Urteil hin wurde die Klage von SEPA abgewiesen, womit die Rückforderung der Ausfuhrerstattungen bestandskräftig wurde.

16Nach dem Erlass der Rückforderungsbescheide vom 15. und hatte das Hauptzollamt Hamburg-Jonas daneben mit Bescheid vom die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 3665/87 in geänderter Fassung vorgesehene Sanktion gegen SEPA verhängt. Diese Sanktion belief sich auf 816 718 DM.

17SEPA legte gegen diesen Sanktionsbescheid Einspruch ein, dem das Hauptzollamt Hamburg-Jonas insoweit entsprach, als sich der Bescheid auf Fleischpartien bezog, für die das Hauptzollamt Landshut der weitergeleiteten Ausfuhranmeldung die Genusstauglichkeitsbescheinigung beigefügt hatte. Insoweit vertrat das Hauptzollamt Hamburg-Jonas die Auffassung, dass in Fällen, in denen es aus den ihm übersandten Unterlagen habe entnehmen können, dass das Fleisch aus Isolierschlachtbetrieben stamme, die Voraussetzungen für eine Anwendung von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a nicht erfüllt gewesen seien.

18Mit Änderungsbescheiden vom und vom setzte das Hauptzollamt Hamburg-Jonas daraufhin den ursprünglich festgesetzten Sanktionsbetrag um 62 723 Euro herab und wies den Einspruch von SEPA im Übrigen mit Bescheid vom zurück.

19Die von SEPA gegen diesen Bescheid beim Finanzgericht Hamburg erhobene Klage wurde mit Urteil vom abgewiesen. Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision ist gegenwärtig beim Bundesfinanzhof anhängig.

20Da der Bundesfinanzhof der Auffassung ist, dass für die Entscheidung des Rechtsstreits eine Auslegung des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 in geänderter Fassung erforderlich sei, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist eine Sanktion gegen einen Ausführer zu verhängen, der unter zutreffender Darstellung des für die Gewährung von Ausfuhrerstattung maßgeblichen Sachverhalts einen Erstattungsantrag stellt, obwohl für die betreffende Ausfuhr ein Erstattungsanspruch tatsächlich nicht besteht?

Zur Vorlagefrage

21Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 in geänderter Fassung dahin auszulegen ist, dass die in dessen Unterabs. 1 Buchst. a genannte Verminderung vorzunehmen ist, wenn ein Ausführer in gutem Glauben und mit einer genauen Beschreibung von Art und Herkunft der betreffenden Ware einen Erstattungsantrag für eine Ausfuhr gestellt hat, für die kein Erstattungsanspruch besteht.

22SEPA ist der Ansicht, dass diese Frage zu verneinen sei. Sie weist darauf hin, dass die betreffenden Rindfleischpartien in ihren Ausfuhranmeldungen als aus Isolierschlachtbetrieben stammend gekennzeichnet und mit Genusstauglichkeitsbescheinigungen versehen gewesen seien. Erst später, als sie vom Erlass der zuständigen deutschen Behörden, wonach Fleisch aus Isolierschlachtbetrieben nicht die Voraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität nach Art. 13 der Verordnung Nr. 3665/87 erfülle, Kenntnis erlangt habe und diese Einschätzung im Urteil SEPA bestätigt worden sei, habe sie wissen können, dass für die betreffenden Ausfuhren kein Erstattungsanspruch bestehe. Unter diesen Umständen sei es nicht gerechtfertigt, gegen sie die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung vorgesehene Sanktion zu verhängen.

23Die österreichische Regierung teilt diesen Standpunkt. Die Europäische Kommission vertritt hingegen die Auffassung, dass die Vorlagefrage zu bejahen sei.

24Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 in geänderter Fassung genannte Verminderung nicht nur dann vorzunehmen ist, wenn eine geringere als die vom Ausführer beantragte Ausfuhrerstattung geschuldet wird, sondern auch in den Fällen, in denen sich herausstellt, dass keine Erstattung geschuldet wird, ihr Betrag also gleich null ist (vgl. zu Art. 51 Abs. 1 der Verordnung Nr. 800/1999, dessen Wortlaut dem von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 entspricht, Urteile vom , Elfering Export, C-27/05, Slg. 2006, I-3681, Randnr. 27, und vom , AOB Reuter, C-143/07, Slg. 2008, I-3171, Randnr. 22). Die Verminderung führt in diesen Fällen zu einem Negativbetrag, den nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung Nr. 3665/87 der Ausführer zu zahlen hat.

25Sodann ist darauf hinzuweisen, dass dieser Mechanismus der Verminderung in der Verhängung einer Geldbuße besteht, die sich nach dem Betrag bemisst, den der Ausführer zu Unrecht erhalten hätte, wäre die beantragte Erstattung gewährt worden. Es handelt sich um eine Sanktion, die Bestandteil der Ausfuhrerstattungsregelung ist und keinen strafrechtlichen Charakter besitzt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Käserei Champignon Hofmeister, C-210/00, Slg. 2002, I-6453, Randnr. 43, AOB Reuter, Randnr. 18, und vom 5. Juni 2012, Bonda, C-489/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 30).

26Die Haftung, auf die diese Sanktion gestützt wird, hat im Wesentlichen objektiven Charakter. Folglich ist die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 3665/87 genannte Verminderung selbst dann vorzunehmen, wenn den Ausführer kein Verschulden trifft (Urteile AOB Reuter, Randnrn. 17 und 19, sowie vom , SGS Belgium u. a., C-367/09, Slg. 2010, I-10761, Randnr. 58).

27Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass in dem Fall, in dem die Ausfuhranmeldungen ursprünglich von den zuständigen Behörden angenommen worden waren und sich aufgrund von Feststellungen nach der Annahme erweist, dass für die betreffende Ausfuhr kein Erstattungsanspruch bestand, die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion grundsätzlich zu verhängen ist (Urteil AOB Reuter, Randnrn. 27 und 30).

28Aus dieser ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass die Argumentation von SEPA, die von der österreichischen Regierung geteilt wird und wonach die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion allein aufgrund des Umstands unanwendbar werde, dass der Ausführer in gutem Glauben gewesen sei und in seinen Ausfuhranmeldungen Art und Herkunft der betreffenden Waren genau beschrieben habe, nicht durchgreift. Denn im Unterschied zu Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 3665/87 ist Unterabs. 1 Buchst. a u. a. in den Fällen anwendbar, in denen der Ausführer unter Berufung auf Art und Herkunft der Waren davon ausgegangen ist und versichert hat, dass Letztere von gesunder und handelsüblicher Qualität seien, und in denen sich später erweist, dass diese Information falsch war (vgl. entsprechend Urteil SGS Belgium u. a., Randnrn. 57 bis 59).

29Hierzu hat der Gerichtshof bereits ausgeführt, dass selbst dann, wenn der Ausführer nicht ausdrücklich erklärt, dass die betreffende Ware von gesunder und handelsüblicher Qualität sei, sein Erstattungsantrag stets bedeutet, dass er stillschweigend versichert, diese Voraussetzung sei erfüllt (Urteil vom 1. Dezember 2005, Fleisch-Winter, C-309/04, Slg. 2005, I-10349, Randnr. 32). Stellt sich später heraus, dass diese im Erstattungsantrag enthaltene stillschweigende Erklärung falsch war, wird gegen den Ausführer die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion verhängt, es sei denn, es liegt einer der in Unterabs. 3 vorgesehenen Befreiungsgründe vor (Urteil Elfering Export, Randnr. 30).

30Aus alledem folgt, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, d. h. wenn sich trotz des guten Glaubens des Ausführers und der genauen Beschreibung von Art und Herkunft der Ware die dem Erstattungsantrag innewohnende Erklärung, die Ware sei von gesunder und handelsüblicher Qualität, als falsch erweist, die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a genannte Verminderung vorzunehmen ist, es sei denn, es liegt einer der in Unterabs. 3 angeführten Befreiungsgründe vor.

31Was diese Befreiungsgründe betrifft, hat sich SEPA auf das Vorliegen eines Falles höherer Gewalt im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 3665/87 und eines Ausnahmefalls im Sinne von Unterabs. 3 Buchst. b berufen.

32Im Bereich der Agrarverordnungen sind unter "höherer Gewalt" ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse zu verstehen, auf die der betroffene Wirtschaftsteilnehmer keinen Einfluss hatte und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (Urteil Käserei Champignon Hofmeister, Randnr. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33Entgegen dem Vorbringen von SEPA können aber weder der Erlass der zuständigen deutschen Behörden, wonach Fleisch aus Isolierschlachtbetrieben nicht die Voraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität erfülle, noch der Inhalt des auf gleicher Linie liegenden Urteils SEPA als ungewöhnlich und unvorhersehbar qualifiziert werden. Wie der Gerichtshof in den Randnrn. 29 und 30 des genannten Urteils festgestellt hat, ergab sich aus bereits vor den von SEPA vorgenommenen Ausfuhren in Kraft getretenen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, dass Fleisch aus Isolierschlachtbetrieben, auch wenn es die Genusstauglichkeitskriterien erfüllt, nur für den lokalen Markt zum menschlichen Verzehr freigegeben werden durfte, und auch dort nur dann, wenn bestimmte zusätzliche Bedingungen erfüllt waren.

34In Bezug auf die für "Ausnahmefälle" vorgesehene Befreiung ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 3665/87 in der Fassung der Verordnung Nr. 2945/94 als auch aus dem Wortlaut dieser Vorschrift in der Fassung der Verordnung Nr. 495/97, dass der Unionsgesetzgeber es den Ausführern, die zu Unrecht einen Erstattungsantrag eingereicht haben, ermöglichen wollte, der Sanktion nach Unterabs. 1 Buchst. a zu entgehen, wenn sie nach Einreichung ihres Antrags und sogar noch nach dessen Annahme feststellen, dass er unbegründet ist und davon unverzüglich die zuständigen Behörden in Kenntnis setzen.

35Im vorliegenden Fall hat SEPA vor dem Gerichtshof vorgetragen, dass sich die zuständigen deutschen Behörden, bevor der Erlass, demzufolge Fleisch aus Isolierschlachtbetrieben nicht die Voraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität erfülle, ergangen sei, auf die gegenteilige Annahme gestützt hätten, wonach Fleisch aus Isolierschlachtbetrieben alle Voraussetzungen erfüllt habe, um unter Gewährung von Ausfuhrerstattungen ausgeführt zu werden. Sie hat außerdem geltend gemacht, dass der genannte Erlass nicht veröffentlicht worden sei und dass sie, sobald sie von ihm Kenntnis erlangt habe, keine weiteren Anträge auf Ausfuhrerstattungen für diese Waren mehr gestellt habe.

36Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese Angaben zutreffen und ob nicht andere Gesichtspunkte ihrer Erheblichkeit entgegenstehen. Vorbehaltlich dieser Prüfung kann eine Gesamtheit besonderer Umstände wie der in der vorstehenden Randnummer genannten einem Ausnahmefall im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 3665/87 gleichgestellt werden.

37Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 in geänderter Fassung dahin auszulegen ist, dass vorbehaltlich der in dessen Unterabs. 3 vorgesehenen Befreiungen die in Unterabs. 1 Buchst. a genannte Verminderung u. a. dann vorzunehmen ist, wenn sich erweist, dass die Ware, für deren Ausfuhr eine Erstattung beantragt worden war, nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität war, und zwar ungeachtet des Umstands, dass der Ausführer in gutem Glauben war und Art und Herkunft der Ware zutreffend beschrieben hat.

Kosten

38Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom und die Verordnung (EG) Nr. 495/97 der Kommission vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass vorbehaltlich der in dessen Unterabs. 3 vorgesehenen Befreiungen die in Unterabs. 1 Buchst. a genannte Verminderung u. a. dann vorzunehmen ist, wenn sich erweist, dass die Ware, für deren Ausfuhr eine Erstattung beantragt worden war, nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität war, und zwar ungeachtet des Umstands, dass der Ausführer in gutem Glauben war und Art und Herkunft der Ware zutreffend beschrieben hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
KAAAE-27083