„Gebremster Endspurt zum Ende der Legislaturperiode”
Gegen Ende der Legislaturperiode
und kurz vor Beginn eines Wahljahrs, das auch die Landtagswahlen in Niedersachsen im Januar 2013 und Hessen zum Jahresende umfasst, hätte man eigentlich vermutet, dass sich der Steuergesetzgeber eine größere Zurückhaltung auferlegt, denn Steuergesetzgebung bedeutet Belastung und Steuererhöhungen sind Gift fürs Gemüt der Wähler. Auch konnte man hören, dass legislatorische Entsagung möglicherweise einmal ein echter Beitrag zu durchgreifender Steuervereinfachung sein könnte. Nichts davon ist eingetreten. Der Bundestag hat eine erstaunliche Vielzahl an Steuergesetzen verabschiedet und dem Bundesrat zugeleitet, der den neuen Doppelbesteuerungsabkommen mit Liechtenstein, Luxemburg und den Niederlanden am zugestimmt hat und das Verkehrsteueränderungsgesetz, ein Einspruchsgesetz, passieren ließ. Den wesentlichen steuerlichen Änderungsvorhaben hat die Länderkammer jedoch ihre Zustimmung versagt. Letzte Chance ist dann die Anrufung des Vermittlungsausschusses, bei dem aber bereits schon zwei weitere steuerliche Zustimmungsgesetze anhängig sind: Nämlich die Gesetze zum Abbau der kalten Progression und zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden.
Diese Situation weckt Erinnerungen an den Oktober 1997, als der Bundesrat die schwarz-gelbe Steuerreform zu Fall brachte und danach auch die rot-grüne Koalition an die Regierung kam. Parallelen zur aktuellen Situation finden sich allerdings nur auf den ersten Blick und vielleicht auch für Hellseher. Die politische Ausgangssituation ist zwar ähnlich, der Gegenstand des Streits unterscheidet sich aber doch erheblich. Denn handelte es sich seinerzeit um eine umfassende Steuerreform, der das sog. Petersberger Modell zugrunde lag, geht es diesmal nur um einige Gesetze mit einer Vielzahl einzelner Regelungen, die weit entfernt sind von einer umfassenden Neugestaltung des Steuerrechts. Vorbehaltlich einer Einigung im Vermittlungsverfahren soll es endlich wieder einmal ein Jahressteuergesetz geben, dem als Artikelgesetz die Aufgabe zufällt, alle notwendigen und immer auch einige entbehrliche Gesetzesänderungen im Steuerrecht zu vermitteln. Notwendige Änderungen sind solche, die der Korrektur von Fehlentwicklungen dienen, wie der Schließung von Schlupflöchern (sog. Maßnahmen zur Sicherung des Steueraufkommens), der Umsetzung verfassungs- und europagerichtlicher Entscheidungen und der stets wiederkehrenden „Klarstellungen” in der Folge höchstrichterlicher Entscheidungen. All diese Aspekte finden sich auch im Entwurf des JStG 2013 wieder. Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung sollte endlich ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zur 17. Legislaturperiode eingelöst werden und – vielleicht nicht ganz so sachfremd – findet sich in demselben Gesetz auch die Neuregelung des Reisekostenrechts. Schließlich wurde das lange diskutierte Steuerabkommen mit der Schweiz zu Fall gebracht. Der Bundesfinanzminister meinte dazu, dass in 95 Prozent der Fälle „die Pauschbesteuerung höher als die Regelbesteuerung” sei (SZ v. 24./ S. 2). Eine Ermutigung zur Selbstanzeige also?
Spannend bleibt es, bis zum Ende.
Hans-Joachim Kanzler
Fundstelle(n):
NWB 2012 Seite 3905
QAAAE-23828