Anspruch auf Zeitgutschrift bei Feiertagsarbeit nach dem MTV Groß- und Außenhandel BY - Tarifauslegung - Ersatzruhetag
Gesetze: § 1 Abs 1 TVG, § 11 Abs 3 S 2 ArbZG, § 2 Abs 1 EntgFG
Instanzenzug: ArbG Bayreuth Az: 2 Ca 251/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 1 Sa 550/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers.
Der Kläger ist seit 1989 bei der Beklagten als Angestellter im Verkauf beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels vom (im Folgenden: MTV) Anwendung. Dessen § 9 lautet auszugsweise:
3Der Kläger arbeitete am , der im Freistaat Bayern ein gesetzlicher Feiertag ist, von 12:00 bis 16:00 Uhr. Im Arbeitszeitkonto des Klägers hielt die Beklagte für diesen Tag bei einer Sollzeit von acht Stunden eine „gewichtete Zeit“ von 14 Stunden fest, schrieb ihm also sechs Stunden gut.
4Mit Schreiben vom baten der Kläger und drei weitere Beschäftigte für die am geleistete Arbeit unter Berufung auf § 11 Abs. 3 ArbZG um die Gutschrift von vier weiteren Stunden auf ihren Arbeitszeitkonten. Das lehnte die Beklagte ab.
5Mit der am eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, nach § 9 Nr. 8 und Nr. 10 MTV stehe ihm für die Feiertagsarbeit ein Zuschlag von 150 % zu, der nicht dazu verwendet werden dürfe, die geleistete Arbeit selbst zu vergüten. Er wäre sonst gegenüber Arbeitnehmern, die nicht an einem Feiertag arbeiteten und gleichwohl Feiertagsvergütung erhielten, benachteiligt. Er könne deshalb für den neben der Erfassung der „regulären“ acht Stunden die Gutschrift der vier geleisteten Stunden sowie von sechs Stunden Freizeitausgleich nach § 9 Nr. 8 und Nr. 10 MTV beanspruchen.
Der Kläger hat beantragt,
7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, den Anspruch auf tariflichen Feiertagszuschlag mit der Gutschrift von sechs Stunden erfüllt zu haben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
9Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
10I. Die Klage ist mit der gebotenen Auslegung des Leistungsantrags zulässig.
111. Der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können. Allerdings ist dafür grundsätzlich eine Konkretisierung des Leistungsbegehrens dahingehend erforderlich, an welcher Stelle des Arbeitszeitkontos die Gutschrift erfolgen soll ( - Rn. 11, BAGE 136, 152; - 5 AZR 676/11 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 7 - jeweils mwN).
122. Diesem Erfordernis entspricht der Wortlaut des Antrags nicht. Doch steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die Beklagte für den Kläger ein Arbeitszeitkonto führt, auf dem in der Spalte „gewichtete Zeiten“ auch Zeitzuschläge aufgenommen werden. Nach dem gesamten Klagevorbringen geht es dem Kläger darum, für die Feiertagsarbeit am auf dem Arbeitszeitkonto weitere vier Stunden in der Spalte „gewichtete Zeiten“ verbucht und damit den Saldo (Spalte „Diff.“) entsprechend erhöht zu erhalten. In dieser Auslegung ist das Leistungsbegehren des Klägers hinreichend bestimmt.
13II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Zeitgutschrift von vier Stunden für die am geleistete Feiertagsarbeit.
141. Der Kläger hat mit dem Gehalt für Januar 2010 unstreitig auch den vergütet erhalten. Rechtsgrundlage hierfür war für die Feiertagsarbeit von vier Stunden § 611 Abs. 1 BGB, für die wegen des Feiertags ausgefallenen vier Stunden § 2 Abs. 1 EFZG.
15Daneben kann der Kläger nach § 9 Nr. 8 Satz 3 iVm. Nr. 10 MTV für die Feiertagsarbeit einen (Zeit-)Zuschlag von 150 % beanspruchen. Insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit. Diesen Anspruch hat die Beklagte erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Für vier Stunden Feiertagsarbeit beträgt der Zuschlag nach § 9 Nr. 8 Satz 3 iVm. Nr. 10 MTV sechs Stunden. Diese hat die Beklagte unstreitig auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers gutgeschrieben.
162. Dass der tarifliche Feiertagszuschlag - so die Revision - nicht für den Ausgleich des „Verlustes“ der Entgeltzahlung an Feiertagen „verbraucht“ werden dürfte, ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Tarifnorm noch dem tariflichen Gesamtzusammenhang.
17a) Nach dem Wortlaut des § 9 Nr. 8 Satz 3 MTV wird Arbeit an gesetzlichen Feiertagen mit einem Zuschlag vergütet. Auch die anderen Zuschlagstatbestände des § 9 knüpfen an „Arbeit“ an - nämlich an Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonntagsarbeit - und machen damit deutlich, dass die Zuschlagspflicht, wenn schon nicht tatsächlich geleistete Arbeit, so zumindest eine Arbeitspflicht an den betreffenden Tagen bzw. Tageszeiten voraussetzt. Das bestätigt § 15 Nr. 2 MTV, der bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur Mehrarbeitszuschläge von dem trotz Wegfall der Arbeitspflicht fortzuzahlenden Arbeitsentgelt ausnimmt (vgl. zur Fortzahlung von Feiertagszuschlägen im Krankheitsfall, - zu II 4 b der Gründe, AP EntgeltFG § 4 Nr. 68 = EzA EntgeltfortzG § 4 Tarifvertrag Nr. 52). Eine entsprechende Regelung zur Entgeltfortzahlung an Feiertagen enthält der MTV nicht. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, die Tarifvertragsparteien hätten auch die Nichtarbeit wegen eines Feiertags zuschlagspflichtig machen und über § 2 Abs. 1 EFZG hinaus den tariflichen Feiertagszuschlag in die Entgeltzahlung an Feiertagen einbeziehen wollen.
18b) Darüber hinaus spricht die Höhe des tariflichen Zuschlags für Arbeit an Feiertagen sogar dafür, dass die Tarifvertragsparteien den „Verlust“ der Entgeltzahlung an Feiertagen „eingerechnet“ haben. Anderenfalls wäre, gemessen an dem Zweck, durch einen Zuschlag die Lästigkeit von Arbeit an den für die Mehrheit der Arbeitnehmer - immer noch - arbeitsfreien Sonn- und Feiertagen auszugleichen (und für den Arbeitgeber zu verteuern), nicht recht verständlich, warum die Tarifvertragsparteien für Arbeit an einem Wochenfeiertag einen Zuschlag von 150 %, für die Arbeit an einem Sonntag aber nur einen solchen von 50 % gewähren. Ein anderer Differenzierungsgrund als die Berücksichtigung des Umstands, dass der Feiertagsarbeit leistende Arbeitnehmer auch ohne Feiertagsarbeit nach § 2 Abs. 1 EFZG die auf den Feiertag entfallende Vergütung erhalten hätte, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht aufgezeigt.
19Im Übrigen leidet die Argumentation des Klägers an der Vorstellung, Entgeltfortzahlung am Feiertag stünde auch dem Arbeitnehmer zu, der an einem gesetzlichen Feiertag arbeitet. Dem ist nicht so. Anspruch auf Entgeltzahlung nach § 2 Abs. 1 EFZG hat nur derjenige Arbeitnehmer, bei dem Arbeitszeit an einem gesetzlichen Feiertag ausfällt (so - zum Feiertagslohnzahlungsgesetz - schon - zu 2 der Gründe, AP FeiertagslohnzahlungsG § 1 Nr. 17; im Übrigen allgemeine Ansicht, vgl. nur - zu II 1 a der Gründe, BAGE 100, 124; ErfK/Dörner 12. Aufl. § 2 EFZG Rn. 7; HWK/Schliemann 5. Aufl. § 2 EFZG Rn. 13; Schmitt EFZG 7. Aufl. § 2 Rn. 34 - jeweils mwN). Ohne die Regelung des § 9 Nr 8 Satz 3 MTV hätte der Kläger für die geleistete Feiertagsarbeit nur Vergütung nach § 611 Abs. 1 BGB erhalten ohne Rücksicht darauf, dass er - wäre er nicht zur Arbeit herangezogen worden - nach § 2 Abs. 1 EFZG Entgeltzahlung in gleicher Höhe bekommen hätte.
203. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass es der Sache nach dem Kläger, wie das Geltendmachungsschreiben vom zeigt, um einen in Form einer Zeitgutschrift bezahlten Ersatzruhetag für die Feiertagsarbeit geht. Ein solcher Anspruch ergibt sich aber weder aus dem Arbeitszeitgesetz noch dem MTV.
21a) Der Ersatzruhetag iSd. § 11 Abs. 3 Satz 2 ArbZG ist nicht notwendigerweise ein zusätzlicher bezahlter freier Tag. Der Arbeitnehmer muss lediglich im Ausgleichszeitraum für den gearbeiteten Wochenfeiertag einen Ersatzruhetag, also einen Tag ohne Arbeit, erhalten. Das kann auch ein ohnehin arbeitsfreier Werktag sein, eine bezahlte Freistellung an einem Beschäftigungstag verlangt das Gesetz nicht ( - zu II 1 a der Gründe mwN, BAGE 100, 124; - 6 AZR 497/05 - AP ArbZG § 11 Nr. 3 = EzA ArbZG § 12 Nr. 1; - 6 AZR 55/06 - AP MTArb § 15 Nr. 1; ebenso die ganz herrschende Auffassung im Schrifttum, vgl. nur ErfK/Wank 12. Aufl. § 11 ArbZG Rn. 3; HWK/Schliemann 5. Aufl. § 2 EFZG Rn. 13; Anzinger/Koberski ArbZG 3. Aufl. § 11 Rn. 30 f.; aA Buschmann/Ulber 7. Aufl. § 11 Rn. 6a). Dass er einen solchen Ersatzruhetag nicht innerhalb des Ausgleichszeitraums erhalten hätte, hat der Kläger nicht behauptet. Im Übrigen würde es sein Klagebegehren auch nicht tragen.
22b) Der MTV enthält weder eine Regelung noch Anhaltspunkte dafür, dass die an einem Wochenfeiertag geleistete Arbeit neben dem - in Freizeit abgeltbaren - Feiertagszuschlag nach § 9 Nr. 8 Satz 3 MTV zusätzlich und über § 11 Abs. 3 Satz 2 ArbZG hinausgehend mit einem bezahlten Ersatzruhetag ausgeglichen werden soll. Das Fehlen eines entsprechenden Normsetzungswillens lässt zudem die ausdrückliche und abschließende Regelung der Tatbestände einer bezahlten Freistellung in § 14 Nr. 2 MTV deutlich erkennen.
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
DB 2013 S. 640 Nr. 12
TAAAE-23331