BGH Beschluss v. - 1 StR 456/12

Instanzenzug:

Gründe

1 Der Angeklagte ist wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer anderweitig rechtskräftig gewordenen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Zudem ist seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden.

2 Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der Unterbringung, bleibt im Übrigen aber gemäß § 349 Abs. 2 StPO erfolglos.

3 1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachte der Angeklagte mit seiner Freundin, deren Vater sowie dessen Lebensgefährtin, der später Geschädigten, den Abend des in der Wohnung des Vaters. Nachdem der Angeklagte von der Geschädigten wegen des Altersunterschieds zu seiner Freundin als Kinderschänder beschimpft worden war, verließ er in den frühen Morgenstunden mit seiner Freundin die Wohnung und begab sich durch das Treppenhaus auf den Heimweg. Jedoch setzte ihm die Geschädigte mit dem Bemerken "dem Bürscherl werde ich es zeigen" nach. Hierzu hatte sie Pfefferspray mitgenommen, das sie im Treppenhaus versprühte, wodurch aber der Angeklagte und seine Freundin nicht beeinträchtigt wurden, da sie sich schon weiter unten im Treppenhaus befanden. Der Angeklagte versuchte, eine von ihm mitgeführte Bierflasche zu zerschlagen, was ihm zunächst nicht gelang. Seine Freundin legte ihr Baby in den im Flur abgestellten Kinderwagen und verließ das Haus. Der Angeklagte blieb im Hausflur, wo es ihm nunmehr gelang, die Bierflasche abzuschlagen. Als die Geschädigte das Treppenhaus erreichte und sie dem Angeklagten gegenüberstand, rammte er ihr unvermittelt das Ende der Flasche gegen die Brust, wodurch diese mehrere Stich- und Schnittwunden erlitt. Dabei war der Angeklagte zwar alkoholbedingt enthemmt, jedoch nicht erheblich in seiner Schuldfähigkeit beeinträchtigt.

4 2.

Schuld- und Strafausspruch sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen dem Revisionsvortrag bestand nach dem rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalt kein Anlass, eine Putativnotwehr, einen Notwehrexzess oder gar einen Verbotsirrtum zu erörtern, auf deren Voraussetzungen sich auch der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt berufen hat.

5 3.

Jedoch wendet sich die Revision zu Recht gegen die Anordnung der Maßregel. Diese kann nicht bestehen bleiben.

6 Angesichts der landgerichtlichen Wertung, der Angeklagte sei nur leicht alkoholisiert gewesen und es habe sich um eine von der Provokation durch das spätere Opfer initiierte Spontantat gehandelt, versteht sich schon der symptomatische Zusammenhang zwischen der Tat und dem festgestellten Hang nicht von selbst (vgl. hierzu ).

7 Ungeachtet dessen ist aber jedenfalls die Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger, auf den Hang zurückgehender Taten durch den Angeklagten nicht belegt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die anzustellende Gefahrprognose ist derjenige der Hauptverhandlung (, NStZ-RR 2011, 77 mwN). Das Urteil enthält hierzu nur die formelhafte Ausführung, es bestehe aufgrund eines Hangs die "große Gefahr vergleichbarer und erheblicher Taten aus dem Bereich der Körperverletzung/gefährlichen Körperverletzung". Diese Überzeugung entbehrt einer Begründung, die indes erforderlich ist (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 1). Insbesondere angesichts des erheblichen Zeitraums von über viereinhalb Jahren zwischen der Anlasstat und der Hauptverhandlung versteht sich dies nicht von selbst. Vielmehr bestehen wegen des über Jahre währenden straflosen Verhaltens für den vor allem zwischen 2003 und 2007 straffällig gewordenen Angeklagten hieran durchgreifende Zweifel.

8 So ergibt sich aus den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen, dass der Angeklagte zuletzt am straffällig wurde, indem er eine Beleidigung beging. Die vorsätzliche Körperverletzung, wegen der er zu der hier einbezogenen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, hatte der Angeklagte wenige Tage vor dem verfahrensgegenständlichen Geschehen begangen. Die Vollstreckung der deswegen gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe war bis zur Einbeziehung in das hiesige Urteil zur Bewährung ausgesetzt. Außer der Beleidigung am ist der Angeklagte nach seinem Schlaganfall im Jahr 2008 nicht mehr straffällig geworden, obwohl er sich seit dem bis zur Inhaftierung in dieser Sache am auf freiem Fuß befand.

9 4.

Der Senat kann ausschließen, dass eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine vom Angeklagten ausgehende Gefahr im Sinne des § 64 StGB belegen und mithin die Anordnung der Unterbringung rechtfertigen. Denn die insoweit relevanten persönlichen Verhältnisse des Angeklagten teilt das Urteil vollständig mit. Der Senat erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall der Maßregel (vgl. mwN).

10 5.

Der Wegfall der Unterbringung in der Entziehungsanstalt gefährdet den für sich genommen rechtsfehlerfreien Strafausspruch nicht. Grundsätzlich besteht zwischen den Rechtsfolgen von Strafe und Maßregel keine Wechselwirkung (, BGHSt 38, 363, 365 mwN). Auch die Urteilsgründe ergeben keinerlei Anhaltspunkte für einen Einfluss der Anordnung der Unterbringung auf die Entscheidung über die Höhe der Strafe.

11 6.

Da die Revision hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs erfolglos bleibt, war für die Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO kein Raum.

Fundstelle(n):
XAAAE-22080