BFH Beschluss v. - VIII B 51/11

Objektive Beweislast bei Werbungskostenüberschuss aus Kapitalvermögen; Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs wegen eines in der mündlichen Verhandlung verweigerten Schriftsatznachlasses

Gesetze: EStG § 17, EStG § 20, FGO § 68, FGO § 115 Abs. 2, FGO § 116 Abs. 3 Satz 3, GG Art. 103, EStG § 2 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt mit dem Beratungsschwerpunkt Mergers and Acquisitions.

2 In den Jahren ab 1998 erwarb er Aktien mehrerer Gesellschaften, in einem Fall auch Wandelanleihen. Im Rahmen der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den und den begehrte er die Berücksichtigung von Zinsaufwendungen im Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung der Aktienerwerbe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

3 Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) versagte die Anerkennung des Werbungskostenabzugs im Rahmen der Verlustabzugsfeststellung wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

4 Mit seiner Beschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie Verfahrensfehler als Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.

5 II. Der Senat kann in der Sache entscheiden. Zwar hat das FA während des Beschwerdeverfahrens am Änderungsbescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs erlassen, die jeweils analog § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden sind (, BFH/NV 2005, 1832). Die Sache ist aber nicht entsprechend § 127 FGO zurückzuverweisen, da der zwischen den Beteiligten bestehende Streit über die Änderungen offenbar aus zwei Bescheiden über einheitliche und gesonderte Feststellungen für eine Anwaltssozietät und einer Gemeinschaft herrührt, über die im Verfahren über die Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs als Folgebescheide nicht zu befinden ist (vgl. § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung).

6 Die Beschwerde ist nicht begründet.

7 1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht (sog. Klärungsbedürftigkeit) und die im angestrebten Revisionsverfahren gegen das angefochtene Urteil geklärt werden kann (sog. Klärungsfähigkeit; vgl. dazu , BFH/NV 2007, 1675, m.w.N.).

8 a) Die Frage, wer die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht bzw. der Überschusserzielungsabsicht trägt, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie durch die Rechtsprechung des BFH geklärt ist. Danach liegt die Feststellungslast für die steuerbefreienden oder -mindernden Tatsachen beim Steuerschuldner (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 96 Rz 51, m.w.N.). Dies gilt auch für das subjektive Tatbestandsmerkmal der Einkünfteerzielungsabsicht, wenn dieses Voraussetzung für die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit geltend gemachter Verluste ist (s. , BFHE 197, 287, BStBl II 2002, 861; vom X R 55/01, BFH/NV 2005, 517).

9 b) Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Darlegung der Überschusserzielungsabsicht zu stellen sind, hat der Kläger die Ausführungen des Finanzgerichts (FG) als „überzogen” kritisiert, aber keine Frage formuliert, die im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Revisionsverfahren klärungsfähig wäre. Der Einwand des Klägers, es könne nicht richtig sein, dass jeder Privatinvestor vor Eingehung eines Investments einen externen Gutachter bestellen müsse, der über die Wahrscheinlichkeit von zukünftigen Dividendenzahlungen befinde, ist schon deshalb nicht im Sinne einer klärungsbedürftigen Frage auszulegen, weil das FG seiner Entscheidung keinen entsprechenden entscheidungserheblichen Rechtssatz zugrunde gelegt hat. Es hat die Äußerung von Analysten zu Ertragserwartungen im Zeitpunkt der Aktienerwerbe nur als ein mögliches Beispiel aufgeführt, anhand dessen sich die ansonsten nicht objektivierte Behauptung des Klägers, mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt zu haben, überprüfen ließe.

10 c) In den Ausführungen im Begründungsschriftsatz des Klägers vom (zu 3., 4. und 5.) geht es —entgegen der Äußerung des Klägers— nicht um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, sondern um Kritik an der Tatsachenwürdigung durch das FG. Mit Einwendungen gegen die Sachverhalts- oder die Beweiswürdigung des FG und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen wird aber kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht, sondern falsche materielle Rechtsanwendung, die grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom VIII B 260/02, BFH/NV 2003, 1336; vom IX B 119/02, BFH/NV 2003, 1289).

11 Das gilt folglich auch für weitere Einwände, mit denen der Kläger eine falsche Sachentscheidung rügt. Für einen besonders schwerwiegenden, objektiv willkürlich erscheinenden Rechtsanwendungsfehler, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO die Revision eröffnen könnte (vgl. , BFH/NV 2004, 166), bietet die Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.

12 2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

13 a) Entgegen der Auffassung des Klägers weicht das angefochtene Urteil nicht von den Entscheidungen ab, die er in seinem zweiten, fünfseitigen Begründungsschriftsatz vom aufgeführt hat (u.a. , BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596; vom X R 33/90, BFHE 169, 357, BStBl II 1993, 292; vom VIII R 68/93, BFHE 178, 160, BStBl II 1995, 722) und die sich mit der Gewinnerzielungsabsicht bei fremdfinanzierten Beteiligungen an Kapitalgesellschaften befassen, deren Wertsteigerungen nach Maßgabe des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbar sind. Das FG hat insoweit ausdrücklich festgestellt, dass der Kläger seine Behauptungen, an verschiedenen Gesellschaften (X AG, Y AG, Z AG) i.S. des § 17 EStG wesentlich bzw. maßgeblich beteiligt gewesen zu sein, nicht belegt habe.

14 b) Im Übrigen fehlt es schon an einer hinreichenden Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), weil der Kläger insoweit keine Divergenzentscheidung(en) benannt hat (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 41, m.w.N.). Den vom Kläger angeführten Rechtssatz, dass für die Frage der Überschusserzielungsabsicht auf den Zeitpunkt der Investitionsentscheidung abzustellen ist, hat das FG seinem Urteil ausdrücklich zugrunde gelegt (s. dort unter II.4. der Entscheidungsgründe). Mit dem sinngemäßen Vorbringen, das FG habe einen von der Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatz im Ergebnis falsch auf den konkreten Streitfall angewendet, wird lediglich ein Subsumtionsfehler gerügt, mit dem der Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht schlüssig dargetan wird, denn die Rechtseinheit wird nicht schon durch eine rechtsfehlerhafte Entscheidung im Einzelfall gefährdet, sondern nur durch die Nichtübereinstimmung verschiedener Entscheidungen im Grundsätzlichen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55, § 116 Rz 42, jeweils m.w.N.).

15 3. Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind nicht ersichtlich.

16 a) Das FG musste den Beweisanträgen des Klägers nicht entsprechen, weil diese aus den zutreffenden Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (dort unter III.) zu unbestimmt waren und zudem das FG die allgemein gehaltene Tatsachenbehauptung, die als Zeugen benannten Personen hätten mehrfach Dividendenzahlungen in Aussicht gestellt, als wahr unterstellt hat.

17 b) Das FG hat den Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Der Kläger war nicht gehindert, in der mündlichen Verhandlung zu dem tatsächlichen Vorbringen des FG Stellung zu nehmen. Grundsätzlich wird dem Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch genügt, dass das Gericht eine mündliche Verhandlung anberaumt, dort die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte erörtert und die Gelegenheit zur Stellungnahme gibt (vgl. , BFH/NV 2005, 1364, m.w.N.), wie dies im Streitfall geschehen ist. Die vom Kläger erhobene Rüge, ihm sei angesichts neuen Tatsachenvortrags durch das FG in der mündlichen Verhandlung zu Unrecht die Gewährung eines Schriftsatznachlasses verweigert worden, ist nicht ordnungsgemäß erhoben und deshalb unbeachtlich. Denn der Kläger hat keine substantiierten Ausführungen dazu gemacht, was er in einem weiteren Schriftsatz zusätzlich vorgetragen hätte und inwieweit dieser Vortrag zu einer für ihn günstigeren Entscheidung des FG hätte führen können (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 190/09, BFH/NV 2011, 291, 292, Rz 16; vom III S 4/11 (PKH), BFH/NV 2011, 1717).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 1780 Nr. 11
LAAAE-16625