Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör; Anforderungen an ein Ablehnungsgesuch; keine Einsicht in gerichtsinternen Schriftverkehr und andere gerichtsinterne Vorgänge
Gesetze: GG Art. 101 Abs. 1, GG Art. 103 Abs. 1, FGO § 51, FGO § 78 Abs. 3, FGO § 133a
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Mit Beschluss vom I B 66/11 (nicht veröffentlicht) hat der angerufene Senat die Beschwerde der Klägerin, Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision gegen das aufgrund des verspäteten Eingangs der Begründung als unzulässig verworfen. Die Klägerin wendet sich gegen den ihr am zugegangenen Beschluss mit der Anhörungsrüge. Der entsprechende Schriftsatz ist am beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.
2 Mit Schriftsatz vom beantragte die Klägerin unter vorsorglicher Geltendmachung der Besorgnis der Befangenheit gegen ggf. noch zu benennende Mitglieder des Senats Einsicht in den gerichtsinternen Schriftverkehr und andere gerichtsinterne Vorgänge, die die Geschäftsstelle betreffen. Die Besorgnis der Befangenheit könne dadurch begründet sein, dass die Entscheidungen zweier Senate des BFH über Nichtzulassungsbeschwerden im Abstand von nur einer Woche zugestellt wurden, dadurch eine Überschneidung der nur zweiwöchigen Frist zur Erhebung der Anhörungsrügen eingetreten sei und die Verteidigung in beiden gleichzeitig zu führenden Rügeverfahren wesentlich erschwert worden sei.
3 II. 1. Der Senat entscheidet über die Anhörungsrüge in seiner nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung, da kein wirksames Ablehnungsgesuch vorliegt.
4 a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Die Ablehnung erfordert zur Geltendmachung des Ablehnungsgrundes ein Ablehnungsgesuch (vgl. § 44 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO).
5 Das Ablehnungsgesuch ist eine Prozesshandlung (, BFH/NV 1999, 476). Aus Gründen der Prozessklarheit und angesichts des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes —GG—) muss sich aus der Erklärung eindeutig ergeben, dass es sich um ein Ablehnungsgesuch handelt. Ein abgelehnter Richter darf bis zur Erledigung des Ablehnungsgesuches nur noch unaufschiebbare Amtshandlungen vornehmen (vgl. § 47 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO). Schon diese eingeschränkte Handlungskompetenz des abgelehnten Richters macht es unerlässlich, dass insoweit Klarheit besteht, ob ein Ablehnungsgesuch vorliegt. Gleichermaßen ist diese Klarheit erforderlich, um einen Verlust des Ablehnungsrechtes nach § 43 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO sicher feststellen zu können (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII S 11/93, BFH/NV 1995, 540; in BFH/NV 1999, 476).
6 b) Die vorsorgliche Geltendmachung der Besorgnis der Befangenheit für ggf. noch zu benennende Mitglieder des Senats erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Erklärung lässt nicht erkennen, welcher Richter bzw. welche Richter abgelehnt werden. Es handelt sich auch nicht um eine Ablehnung des gesamten Spruchkörpers. Die Äußerung stellt vielmehr eine bloße Ankündigung eines Ablehnungsgesuches dar und führt nicht zum Ausschluss eines Richters (vgl. (PKH), BFH/NV 2007, 1903).
7 2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Sätze 2 und 3 FGO). Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im Beschwerdeverfahren nicht verletzt.
8 a) Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. , juris).
9 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, wenngleich es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Dieses Recht wird auch nicht dadurch verletzt, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten nicht folgt. Denn die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt daher nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom II S 1/07, BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.; vom IX S 6/07, BFH/NV 2007, 2324).
10 b) Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte für eine Gehörsverletzung vor. Der Senat hat in seinem Beschluss vom die von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen umfassend geprüft.
11 aa) Soweit die Klägerin vorbringt, der Senat habe die Schilderungen des Tagesablaufs des unbeachtet gelassen, kann dem nicht gefolgt werden.
12 Der Senat hat vielmehr die Schilderung des Tagesablaufs des ersichtlich bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Denn er hat sich in seinem Beschluss unter 2.c der Gründe ausdrücklich mit den von der Klägerin geschilderten Umständen auseinandergesetzt. Letztlich kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Schilderungen des Tagesablaufs des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten nahelegen. Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsüberlastung nicht vorhersehbar war und aufgrund unbeeinflussbarer Umstände eingetreten ist, waren weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich. Im Kern enthalten die Ausführungen der Klägerin damit den Vorwurf, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Mit diesem Vorbringen kann die Klägerin aber im Rahmen des § 133a FGO —wie dargelegt— nicht gehört werden.
13 bb) Soweit die Klägerin vorträgt, der Sachverhalt „Spazierengehen mit dem Hund” sei vom Senat unzutreffend berücksichtigt worden, wird darauf verwiesen, dass nach den Schilderungen der Klägerin im Schriftsatz vom auf Blatt 3 im Absatz 4 von einem Ausführen des Hundes berichtet wird. Der Vorwurf, dass ein Spazierengehen mit dem Hund nicht stattgefunden habe und dies hätte berücksichtigt werden müssen, geht damit fehl. Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass unter 2.c der Gründe lediglich beispielhaft („u.a.”) einzelne Umstände aus dem Tagesablauf des herausgegriffen wurden. Weder die Umstände des Tagesablaufs im Gesamten noch die einzelnen geschilderten Umstände vermochten den Senat davon zu überzeugen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin aufgrund dieser geschilderten Umstände gehindert war, mit der Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes so rechtzeitig zu beginnen, dass unter gewöhnlichen Umständen mit dem Abschluss des Übermittlungsvorgangs noch vor Fristablauf zu rechnen war.
14 cc) Schließlich kann die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass der Senat sich nur unzureichend mit verfassungsrechtlichen Erwägungen und dem Vorhalt verfassungsrechtlicher Verletzungen auseinandergesetzt habe. Das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs ist von diesem Vorbringen nicht erfasst (vgl. auch , BFH/NV 2009, 1129).
15 3. Der Antrag auf Akteneinsicht hat keinen Erfolg. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat bereits am die Akten eingesehen. Die nunmehr begehrte Einsicht in den gerichtsinternen Schriftverkehr und andere gerichtsinterne Vorgänge ist nicht möglich. Hierbei handelt es sich um Entwürfe zu Beschlüssen und Verfügungen und Arbeiten zu ihrer Vorbereitung, die gemäß § 78 Abs. 3 FGO weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt werden.
16 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Für diese Entscheidung wird eine Gebühr von 50 € erhoben (vgl. Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses in Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 1813 Nr. 11
SAAAE-16614