(Berechnung der Besitzstandszulage nach § 25 TV-Fleischuntersuchung - bewusst lückenhafte Regelung - kein Verstoß gegen Art 3 sowie Art 14 GG)
Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, § 1 TVG
Instanzenzug: ArbG Lüneburg Az: 2 Ca 198/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 8 Sa 869/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob Zuschläge für veterinärmedizinische Zusatzuntersuchungen nach Umstellung der tariflichen Stückvergütung auf Stundenentgelt bei der Berechnung einer tariflichen Besitzstandszulage zu berücksichtigen sind.
2Der Kläger ist Veterinärmediziner. Er ist bei dem beklagten Landkreis seit 1982 als amtlicher Tierarzt beschäftigt. Nach § 3 des Arbeitsvertrags vom bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure außerhalb öffentlicher Schlachthöfe (TV Ang aöS vom zuletzt idF des 26. Änderungstarifvertrags vom ) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.
Der Kläger wird nach §§ 2 und 5 des Arbeitsvertrags zur Untersuchung von Schlachttieren und Fleisch im Schlachttier- und Fleischuntersuchungsbezirk D sowie bei der Schlachttier-, Fleisch- und Trichinenuntersuchung im Beschauamt S (Versandschlachterei V) eingesetzt. Außerdem vertritt er den Leiter des Beschauamts und nimmt für ihn zusätzlich Rückstandsuntersuchungen, bakteriologische Fleischuntersuchungen und sonstige weiter gehende Untersuchungen vor. Dabei handelt es sich um die sog. Ergänzungsbeschau iSv. § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 iVm. § 24 TV Ang aöS. § 11a Satz 2 TV Ang aöS sah vor, dass diese Aufgaben gleichmäßig auf alle Angestellten in der Fleischuntersuchung verteilt werden. Ferner ist der Kläger - früher ebenfalls gegen Stückvergütung - mit der Vertretung im Schlachttier- und Fleischuntersuchungsbezirk L und L II betraut. § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 TV Ang aöS lautete auszugsweise:
Rückwirkend zum trat der Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beschäftigten in der Fleischuntersuchung vom in Kraft (TV-Fleischuntersuchung). Der Tarifvertrag ersetzte die Tarifverträge für die Angestellten in der Fleischuntersuchung innerhalb und außerhalb öffentlicher Schlachthöfe. Er stellte in Großbetrieben mit einer Schlachtzahl von über 20 Großvieheinheiten von Stück- auf Stundenvergütung um. Die Umstellung auf Stundenvergütung ist mit Vergütungseinbußen verbunden. § 25 TV-Fleischuntersuchung sieht eine Besitzstandszulage vor, die bei künftigen Tarifentgelterhöhungen abhängig von der Beschäftigungszeit in einem Zeitraum von vier bis acht Jahren abgeschmolzen wird. In § 25 TV-Fleischuntersuchung heißt es auszugsweise:
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auch die in § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS geregelten Untersuchungen seien bei der Berechnung der Besitzstandszulage einzubeziehen. Der Protokollerklärung zu § 25 Abs. 4 Satz 3 TV-Fleischuntersuchung sei der Wille der Tarifvertragsparteien zu entnehmen, abweichende arbeitsvertragliche Regelungen bei der Berechnung der Besitzstandszulage zu berücksichtigen. Die Überleitungsvorschrift des § 25 TV-Fleischuntersuchung enthalte eine Regelungslücke, die durch Auslegung zu schließen sei. Regelmäßig nehme der Leiter des Fleischhygieneamts die Zusatzuntersuchungen vor. Für den nach dem BAT vergüteten Leiter des Beschauamts stelle sich die Überleitungsproblematik von Stück- auf Stundenvergütung jedoch nicht. Eine andere Auslegung stelle den Kläger gleichheitswidrig allein deshalb schlechter, weil er freiwillig in großem Umfang höherwertige Vertretungstätigkeiten übernommen habe. Mit einer anderen Auslegung werde zudem in die Eigentumsgarantie eingegriffen.
Der Kläger hat beantragt
7Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat gemeint, der Wortlaut des § 25 TV-Fleischuntersuchung sei eindeutig und von Zusammenhang und Zweck der Tarifnorm getragen. Die Tarifvertragsparteien hätten genau festgelegt, welche Besitzstände überzuleiten seien. Ziel der Neuregelung sei ua. gewesen, dem aufgrund der fortschreitenden Automatisierung und der höheren Schlachtzahl erheblichen Anstieg der Stückvergütungen tariflich entgegenzuwirken. Um die Besitzstandszulage zu ermitteln, werde in § 25 Abs. 2 bis Abs. 4 TV-Fleischuntersuchung nach einem abgestuften, nicht lückenhaften System ein fiktives Stundenentgelt für den Referenzzeitraum des Jahrs 2007 gebildet. Die vom Kläger durchgeführten zusätzlichen Untersuchungen seien in die Überleitungskriterien des § 25 TV-Fleischuntersuchung nicht aufgenommen worden, zumal er sie entgegen § 11a Satz 2 TV Ang aöS nicht gleichmäßig auf alle Angestellten in der Fleischuntersuchung verteilt habe. Er erhalte nun Stundenvergütung für diese Tätigkeiten. Die Protokollerklärung zu § 25 Abs. 4 Satz 3 TV-Fleischuntersuchung sei auf die vom Kläger vorgenommenen zusätzlichen Untersuchungen nicht anzuwenden. Sie regle den äußerst seltenen Fall fehlender Informationen über die Schlachtdauer bei einer einzelvertraglichen Stückvergütungsabrede. Eine solche Abrede hätten die Parteien nicht getroffen. Die Tarifvertragsparteien seien nicht verpflichtet, bei der Überleitung in neues Tarifrecht alle bisherigen Entgeltbestandteile zu berücksichtigen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Feststellungsantrag weiter.
Gründe
9Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber in der Sache erfolglos. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, dass in die Berechnung der Besitzstandszulage die im Jahr 2007 gezahlten Zuschläge für Rückstandsuntersuchungen, weiter gehende Untersuchungen und bakteriologische Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS einzubeziehen sind.
10A. Die Feststellungsklage ist zulässig. Die Erfordernisse des § 256 Abs. 1 ZPO sind gewahrt.
11I. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Die Feststellungsklage kann sich als sog. Elementenfeststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. etwa - Rn. 22; - 1 AZR 864/08 - Rn. 13, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 102).
12II. Dem Kläger kommt das erforderliche Feststellungsinteresse zu. Das angestrebte Urteil ist trotz seiner lediglich feststellenden und einer Vollstreckung nicht zugänglichen Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Berechnung der Besitzstandszulage beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden.
131. Der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug des Rechtsverhältnisses wird dadurch hergestellt, dass der Kläger die Erfüllung konkreter, auf eine höhere Besitzstandszulage gerichteter Vergütungsansprüche aus einem teilweise in der Vergangenheit liegenden Zeitraum und damit gegenwärtige rechtliche Vorteile erstrebt (vgl. für die st. Rspr. - Rn. 24; - 6 AZR 462/10 - Rn. 9, ZTR 2012, 280, jeweils mwN).
142. Mit der Entscheidung, ob für die Berechnung der Besitzstandszulage nach § 25 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung die an den Kläger im Jahr 2007 geleisteten Zuschläge für Rückstandsuntersuchungen, weiter gehende Untersuchungen und bakteriologische Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS mit einzubeziehen sind, wird die Berechnung der Besitzstandszulage zukunftsbezogen dem Streit der Parteien entzogen. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses. Dafür sprechen ua. prozessökonomische Gründe. Der Kläger war deswegen nicht gehalten, objektiv gehäufte Leistungsklagen zu erheben (vgl. zB - Rn. 41; - 1 AZR 147/09 - Rn. 14, NZA-RR 2011, 278, jeweils mwN).
15B. Die Klage ist unbegründet. Die an den Kläger im Jahr 2007 gezahlten Zuschläge zur Stückvergütung für Rückstandsuntersuchungen, weiter gehende Untersuchungen und bakteriologische Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS sind bei der Berechnung der Besitzstandszulage des § 25 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung nicht zu berücksichtigen. Das folgt aus der Auslegung von § 25 Abs. 1 bis Abs. 4 TV-Fleischuntersuchung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Protokollerklärung zu § 25 Abs. 4 Satz 3 TV-Fleischuntersuchung. Selbst wenn eine Tariflücke angenommen würde, könnten die besonderen Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS bei der Berechnung der Besitzstandszulage des § 25 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung nicht berücksichtigt werden. Das gefundene Auslegungsergebnis ist weder gleichheitswidrig, noch verstößt es gegen die Eigentumsgarantie. Die Tarifvertragsparteien haben die Grenzen ihrer Regelungsmacht nicht überschritten.
16I. Die an den Kläger im Jahr 2007 geleisteten Zuschläge zur Stückvergütung für besondere Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS sind bei der Berechnung der Besitzstandszulage des § 25 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung nicht einzubeziehen.
171. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, lässt schon der Wortlaut des in § 25 Abs. 1 bis Abs. 4 TV-Fleischuntersuchung geregelten abgestuften Überleitungs- und Berechnungssystems für früher stückvergütete Arbeitnehmer es nicht zu, Zuschläge für besondere Fleischuntersuchungen bei der Berechnung der Besitzstandszulage zu berücksichtigen.
18a) Der TV-Fleischuntersuchung, der den TV Ang aöS ablöste, bestimmt in § 25 Abs. 1 Satz 1, dass Beschäftigten in Großbetrieben und Wildbearbeitungsanlagen, die in der Vergangenheit eine Stückvergütung nach § 12 TV Ang aöS erhalten haben, neben ihrem Entgelt eine individuelle, nicht dynamisierte Besitzstandszulage zu gewähren ist. Um die Besitzstandszulage zu ermitteln, wird in einem abgestuften System ein fiktives Stundenentgelt gebildet, je nachdem, welche Datengrundlage dem Arbeitgeber zur Verfügung steht. Vorrangig ist § 25 Abs. 2 TV-Fleischuntersuchung. Ist die von § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung vorausgesetzte aufgewandte Arbeitszeit nicht erfasst, wird die Stundenvergütung nach § 25 Abs. 3 TV-Fleischuntersuchung oder, wenn auch hierfür die erforderlichen Daten nicht vorliegen, nach § 25 Abs. 4 TV-Fleischuntersuchung ermittelt.
19b) Berechnungsgrundlage ist nach § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung vorrangig die vom Beschäftigten im Referenzzeitraum des Kalenderjahrs 2007 aufgewandte Arbeitszeit. § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung legt im Einzelnen fest, welche im Referenzzeitraum gezahlten Beträge in die Besitzstandszulage einfließen. Dabei handelt es sich um die Stückvergütungen nach § 12 Abs. 1 Unterabs. 3 TV Ang aöS und 50 % der Zuschläge nach § 12 Abs. 2 TV Ang aöS. Die Zuschläge nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS sind nicht erwähnt. Alle anderen Entgeltbestandteile, die den Arbeitnehmern nach dem TV Ang aöS zustanden, sollen nach dem klaren Wortlaut unberücksichtigt bleiben.
202. Dem Zusammenhang des TV-Fleischuntersuchung ist nicht zu entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien die Zuschläge für besondere Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS abweichend vom Wortlaut des § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung in die Berechnung der Besitzstandszulage einbeziehen wollten. Der Zusammenhang des § 25 Abs. 1 bis Abs. 4 TV-Fleischuntersuchung stützt die Auslegung nach dem Wortlaut des § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung. § 25 Abs. 1 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung regelt, ob dem sog. Beschäftigten eine Besitzstandszulage zusteht. § 25 Abs. 1 Satz 3 TV-Fleischuntersuchung verdeutlicht, dass für eine bisher nach Stunden vergütete Tätigkeit keine Besitzstandszulage gewährt wird. § 25 Abs. 2 bis Abs. 4 TV-Fleischuntersuchung sieht vor, wie die Höhe der Besitzstandszulage zu errechnen ist. § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung bestimmt insbesondere, welche im Referenzzeitraum gezahlten Beträge in die Besitzstandszulage einfließen. Die Leistungen, die berücksichtigt werden, sind im Unterschied zu den Zuschlägen für die besonderen Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS ausdrücklich und abschließend genannt.
213. Sinn und Zweck des § 25 TV-Fleischuntersuchung sprechen entscheidend dafür, die Zuschläge für die besonderen Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS nicht in die Besitzstandszulage des § 25 Abs. 1 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung einzubeziehen. Ziel der ablösenden Neuregelung ist ua., die bisher außerhalb öffentlicher Schlachthöfe gezahlte Stückvergütung durch eine Stundenvergütung zu ersetzen. Die Tarifvertragsparteien wollten damit dem erheblichen Anstieg der Stückvergütungen durch die zunehmende Geschwindigkeit bei der Bandschlachtung aufgrund der fortschreitenden Automatisierung entgegenwirken.
224. Aus der Protokollerklärung zu § 25 Abs. 4 Satz 3 TV-Fleischuntersuchung folgt nichts anderes. Der TV-Fleischuntersuchung ersetzt die Tarifverträge für die Angestellten in der Fleischuntersuchung innerhalb und außerhalb öffentlicher Schlachthöfe. Die Protokollerklärung bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf vom jeweiligen Tarifvertrag abweichende einzelvertragliche Vereinbarungen. Die Tarifvorschrift regelt die vom Kläger auf der Grundlage von § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS erzielten Zuschläge zu Stückvergütungen für besondere Fleischuntersuchungen deshalb nicht. Der Kläger erhielt die aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach dem Tarifvertrag geschuldeten Zuschläge. Die Parteien hatten keine von § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS abweichenden Stückvergütungen vereinbart. Soweit der Kläger im Referenzzeitraum des Jahrs 2007 den Leiter des Beschauamts vertrat und für ihn zusätzlich Rückstandsuntersuchungen, bakteriologische Fleischuntersuchungen und sonstige weiter gehende Untersuchungen vornahm, wurden hierfür keine abweichenden Stückvergütungen iSd. Protokollerklärung zu § 25 Abs. 4 Satz 3 TV-Fleischuntersuchung einzelvertraglich vereinbart. Der Kläger führte vielmehr sehr viele dieser Untersuchungen zur Ergänzungsbeschau durch, obwohl § 11a Satz 2 TV Ang aöS vorsah, dass diese Aufgaben gleichmäßig auf alle Angestellten in der Fleischuntersuchung verteilt wurden.
23II. Entgegen der Auffassung der Revision ist § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung, der neben den Stückvergütungen nach § 12 Abs. 1 Unterabs. 3 TV Ang aöS nur 50 % der Zuschläge nach § 12 Abs. 2 TV Ang aöS, nicht aber die Zuschläge für die Ergänzungsbeschau iSv. § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS nennt, nicht unbewusst lückenhaft. Jedenfalls kann eine zugunsten des Klägers unterstellte unbeabsichtigte Tariflücke nicht in der Weise geschlossen werden, dass im Jahr 2007 erhaltene Zuschläge für die besonderen Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS in die Berechnung der Besitzstandszulage einfließen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
241. § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung ist bewusst lückenhaft.
25a) Eine bewusste Tariflücke ist anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage erkennbar gewollt ungeregelt lassen und das in einer entsprechenden Auslassung zum Ausdruck kommt. Die unterbliebene Regelung kann auch darauf beruhen, dass die Tarifvertragsparteien sich über die betreffende Frage nicht einigen konnten (vgl. für die st. Rspr. - Rn. 16, EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 24). Die Arbeitsgerichte sind nicht befugt, gegen den Willen der Tarifvertragsparteien ergänzende tarifliche Regelungen zu „schaffen“ oder die schlechte Verhandlungsführung einer Tarifvertragspartei durch Vertragshilfe auszugleichen. Das wäre ein unzulässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie (vgl. nur - Rn. 32 mwN, ZTR 2011, 489).
26b) Für den abschließenden Charakter der in § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung genannten Vergütungsbestandteile sprechen entscheidend die tarifliche Systematik und der Tarifzweck.
27aa) Ob dem Arbeitnehmer eine Besitzstandszulage zusteht, regelt § 25 Abs. 1 TV-Fleischuntersuchung. Wie die Höhe der Zulage zu ermitteln ist, bestimmt sich nach § 25 Abs. 2 bis Abs. 4 TV-Fleischuntersuchung.
28bb) Die Tarifvertragsparteien wollten mit der Überführung der Stück- in Stundenvergütung den deutlichen Anstieg der Stückvergütungen durch die zunehmende Geschwindigkeit bei der Bandschlachtung aufgrund der fortschreitenden Automatisierung zurückführen. Die bei der Berechnung der Besitzstandszulage zu berücksichtigenden Zuschläge wurden daher auf die in § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung ausdrücklich erwähnten Zuschläge nach § 12 Abs. 2 TV Ang aöS/TV Ang-O aöS beschränkt.
292. Selbst wenn zugunsten des Klägers unterstellt würde, dass § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung unbewusst lückenhaft wäre, könnte die Tariflücke nicht in dem von ihm angenommenen Sinn durch ergänzende Auslegung geschlossen werden.
30a) Eine unbewusste tarifliche Regelungslücke kann von den Gerichten für Arbeitssachen nur dann geschlossen werden, wenn sich im Tarifvertrag sichere Anhaltspunkte dafür finden lassen, wie die Tarifvertragsparteien die Lücke gefüllt hätten. Fehlen solche sicheren Orientierungshilfen, kann ein mutmaßlicher Wille der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden. Würde die Lücke von den Arbeitsgerichten dennoch geschlossen, handelte es sich um einen unzulässigen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien. Eine Neuregelung oder Ergänzung müsste den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben (vgl. - Rn. 23 mwN). Aus dem Tarifvertrag selbst müssten sich hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür ergeben, welche Regelung die Tarifvertragsparteien getroffen hätten, wenn sie die Lücke bei Tarifabschluss bemerkt hätten. Bestehen mehrere Möglichkeiten, die Lücke zu schließen, muss die Auswahlentscheidung den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben (vgl. - Rn. 32 mwN, ZTR 2011, 489).
31b) Nach diesen Grundsätzen kann eine zugunsten des Klägers unterstellte unbewusste Tariflücke nicht geschlossen werden. Es ist bereits nicht ersichtlich, in welcher Weise die Tarifvertragsparteien die Lücke gefüllt hätten. Dafür fehlen entsprechende Anhaltspunkte. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass § 25 TV-Fleischuntersuchung insbesondere nicht erkennen lässt, ob die in der Vergangenheit gezahlten Zuschläge mit 100 % - wie vom Kläger erstrebt - oder mit nur 50 %, einem noch geringeren oder einem höheren Anteil hätten berücksichtigt werden sollen. In § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung ist lediglich eine Art von Zuschlägen genannt, die Zuschläge nach § 12 Abs. 2 TV Ang aöS/TV Ang-O aöS. Daraus lässt sich nicht zwingend ableiten, dass die Tarifvertragsparteien auch andere Zuschläge mit 50 % hätten berücksichtigen wollen, wenn sie die Regelungslücke erkannt hätten.
32III. § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Die ablösende Tarifbestimmung ist weder gleichheitswidrig, noch verletzt sie die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie.
331. § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung ist nicht gleichheitswidrig.
34a) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nach der Rechtsprechung des Senats nicht unmittelbar grundrechtsgebunden (vgl. etwa - Rn. 23, AP TVÜ § 5 Nr. 7 = EzTöD 300 TVÜ-Bund § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 1; - 6 AZR 156/09 - Rn. 30, BAGE 133, 354). Die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, solchen Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. - aaO; - 6 AZR 36/01 - zu II 3 a der Gründe, EzA GG Art. 3 Nr. 95). Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen ab. Es genügt regelmäßig, wenn ein sachlich vertretbarer Grund für die getroffene Regelung besteht (vgl. - Rn. 23, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 46 = EzA GG Art. 3 Nr. 110).
35b) Danach ist § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung nicht gleichheitswidrig. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Bestimmung keine Personengruppe gegenüber einer anderen Personengruppe begünstigt oder benachteiligt.
36aa) Der Kläger rügt, er sei allein deswegen schlechtergestellt, weil er ohne arbeitsvertragliche Verpflichtung in großem Umfang höherwertige Vertretungstätigkeiten im Rahmen der sog. Ergänzungsbeschau iSv. § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS übernommen habe.
37bb) Daraus folgt kein tariflicher Gleichheitsverstoß. Die Vergütungseinbuße des Klägers ergibt sich nicht aus einer tariflichen Ungleichbehandlung. Die Zuschläge nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS fließen bei keiner Personengruppe in die Besitzstandszulage ein. Der höhere Einkommensverlust des Klägers beruht im Verhältnis zu seinen Kollegen darauf, dass die Regelung des § 11a Satz 2 TV Ang aöS im Referenzzeitraum des Jahrs 2007 und auch zuvor nicht beachtet wurde. Die Bestimmung sieht vor, dass diese Aufgaben gleichmäßig auf alle Angestellten in der Fleischuntersuchung verteilt werden. Soweit der Kläger die Tätigkeiten der besonderen Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS weiter versieht, hat er auch nach der Umstellung von Stück- auf Stundenvergütung Anspruch auf Entgelt für eine höhere Stundenzahl als andere Arbeitnehmer, die diese Aufgaben nicht wahrnehmen.
382. Der Kläger macht ohne Erfolg geltend, eine Auslegung, die Untersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS bei der Besitzstandswahrung nicht einbeziehe, verletze seine Rechte aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
39a) Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG hindert Tarifvertragsparteien auch dann nicht daran, ein tarifliches Vergütungssystem durch ein anderes zu ersetzen, wenn dies zu einer geringeren Vergütung führt. Nur bereits entstandene Ansprüche sind zu schützen; auch rechtlich gesicherte Anwartschaften von Arbeitnehmern können so verfestigt sein, dass sie durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt werden (vgl. schon , 1 BvR 356/82, 1 BvR 794/82 - zu C II 1 a der Gründe, BVerfGE 68, 193). Die Eigentumsgarantie gewährleistet grundsätzlich nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, und nicht bloße Vergütungserwartungen (vgl. - Rn. 15 mwN, AP TVÜ § 5 Nr. 7 = EzTöD 300 TVÜ-Bund § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 1). Das Grundrecht schützt zudem nur durch die Rechtsordnung anerkannte einzelne Vermögensrechte, nicht aber das Vermögen als solches (vgl. - Rn. 40 mwN).
40b) Die Hoffnung des Klägers darauf, die Zuschläge für veterinärmedizinische Zusatzuntersuchungen würden nach Umstellung der tariflichen Stückvergütung auf Stundenentgelt in die Berechnung der tariflichen Besitzstandszulage einbezogen, fällt damit nicht unter die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
41IV. Die Tarifvertragsparteien haben mit § 25 Abs. 2 Satz 1 TV-Fleischuntersuchung, der Zuschläge für die besonderen Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS anders als Zuschläge nach § 12 Abs. 2 TV Ang aöS nicht in die Berechnung der Besitzstandszulage einbezieht, die Grenzen ihrer Regelungsmacht nicht überschritten.
421. Tarifvertragsparteien kommt für ihre Regelungen ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. - Rn. 32, AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 40; - 6 AZR 170/08 - Rn. 67, BB 2011, 186). Sie haben hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob jeweils die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung gefunden wurde (vgl. - Rn. 30, BAGE 133, 354; - 6 AZR 36/01 - zu II 3 a der Gründe, EzA GG Art. 3 Nr. 95). Die Gerichte haben jedoch zu kontrollieren, ob durch die tarifliche Regelung die Grenzen der Tarifautonomie überschritten werden (vgl. zB - Rn. 30 ff.; - 6 AZR 353/99 - zu 3 d cc (1) der Gründe mwN, EzBAT TV Fleischbeschaupersonal außerhalb öffentl. Schlachthöfe Nr. 14; - 6 AZR 196/95 - zu II 3 der Gründe). Eine Tarifänderung ist schon dann nicht zu beanstanden, wenn sie zwar einen bedeutsamen Teil der Leistungen entfallen lässt, die Rechtsposition aber nicht vollständig beseitigt (vgl. - aaO).
432. Die Tarifvertragsparteien haben die Grenzen ihrer Regelungsmacht hier nicht überschritten, indem sie die Zuschläge für die besonderen Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS nicht in die Berechnung der Besitzstandszulage einbezogen haben. Bei der Berechnung der Besitzstandszulage bleiben nur die Zuschläge außer Acht. Wird die sog. ergänzende Fleischbeschau weiter durchgeführt, haben die Arbeitnehmer Anspruch auf entsprechendes Stundenentgelt aus § 7 Abs. 2 TV-Fleischuntersuchung. Die Betroffenen verlieren mit der Überleitung in den TV-Fleischuntersuchung die auf der Grundlage des TV Ang aöS bestehende Rechtsposition damit nicht gänzlich. Der Abbau der Zuschläge für die besonderen Fleischuntersuchungen nach § 12 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 TV Ang aöS ist mit Blick auf das tarifliche Regelungsziel des Abbaus der erheblich angestiegenen Stückvergütungen hinzunehmen.
C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Fundstelle(n):
TAAAE-16161