Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft
Leitsatz
1. Für die Zwecke der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) ist die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, zu bejahen, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Tatsachenprüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der Fall ist.
2. Art. 10 der Richtlinie 92/85 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft ohne Einschränkung zulässig ist, entgegensteht, wenn eine "schwangere Arbeitnehmerin" im Sinne dieser Richtlinie betroffen ist und die ihr gegenüber ergangene Abberufungsentscheidung im Wesentlichen auf ihrer Schwangerschaft beruht. Selbst wenn das betroffene Mitglied der Unternehmensleitung nicht unter diesen Begriff fallen sollte, kann gleichwohl die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung, das Aufgaben wie die im Ausgangsverfahren beschriebenen wahrnimmt, wegen Schwangerschaft oder aus einem Grund, der wesentlich auf einer Schwangerschaft beruht, nur Frauen treffen und stellt daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, die gegen die Art. 2 Abs. 1 und 7 und 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 geänderten Fassung verstößt.
Entscheidungsgründe:
1Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 348, S. 1).
2Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Danosa und der LKB Līzings SIA (im Folgenden: LKB) über den Beschluss der Gesellschafterversammlung dieser Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Frau Danosa von ihren Aufgaben als Geschäftsführerin der Gesellschaft abzuberufen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Die Richtlinie 76/207/EWG
3Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (ABl. L 269, S. 15) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 76/207) "[beinhaltet d]er Grundsatz der Gleichbehandlung ..., dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen darf".
4Art. 2 Abs. 7 der Richtlinie 76/207 sieht vor, dass diese "nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, entgegen[steht]." Außerdem gilt danach die ungünstigere Behandlung einer Frau im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub im Sinne der Richtlinie 92/85 als Diskriminierung im Sinne der Richtlinie 76/207.
5In Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 76/207 heißt es:
"Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bedeutet, dass es im öffentlichen und privaten Bereich einschließlich öffentlicher Stellen in Bezug auf folgende Punkte keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben darf:
...
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen ..."
Die Richtlinie 86/613/EWG
6Art. 1 der Richtlinie 86/613/EWG des Rates vom zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit - auch in der Landwirtschaft - ausüben, sowie über den Mutterschutz (ABl. L 359, S. 56) lautet:
"Diese Richtlinie bezweckt, den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben oder zur Ausübung einer solchen beitragen, entsprechend den folgenden Bestimmungen in allen von den Richtlinien 76/207/EWG und 79/7/EWG [des Rates vom zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24)] nicht erfassten Bereichen in den Mitgliedstaaten zu verwirklichen."
7Der selbständige Erwerbstätige wird in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 86/613 definiert als jede Person, die zu den Bedingungen des einzelstaatlichen Rechts eine Erwerbstätigkeit für eigene Rechnung ausübt.
8Nach Art. 3 dieser Richtlinie bedeutet der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der Richtlinie, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, vor allem nicht im Hinblick auf den Ehe- oder Familienstand, erfolgen darf.
9Art. 8 der Richtlinie 86/613 lautet:
"Die Mitgliedstaaten verpflichten sich zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen die selbständigen erwerbstätigen Frauen sowie die Ehefrauen von selbständigen Erwerbstätigen während der Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft
- Zugang zu Vertretungsdiensten oder zu sozialen Diensten, die in dem Gebiet bestehen,
oder
- im Rahmen eines Sozialversicherungssystems bzw. jedes anderen staatlichen Systems des sozialen Schutzes Geldleistungen erhalten können."
Die Richtlinie 92/85
10Die Erwägungsgründe 9 und 15 der Richtlinie 92/85 lauten:
"Der Schutz der Sicherheit und der Gesundheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen darf Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht benachteiligen; er darf ferner nicht die Richtlinien zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen beeinträchtigen.
...
Die Gefahr, aus Gründen entlassen zu werden, die mit ihrem Zustand in Verbindung stehen, kann sich schädlich auf die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen auswirken; daher ist es erforderlich, ihre Kündigung zu verbieten."
11Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 92/85 definiert als schwangere Arbeitnehmerin "jede schwangere Arbeitnehmerin, die den Arbeitgeber gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten von ihrer Schwangerschaft unterrichtet".
12Art. 10 dieser Richtlinie lautet:
"Um den [schwangeren oder stillenden] Arbeitnehmerinnen [und Wöchnerinnen] im Sinne des Artikels 2 die Ausübung der in diesem Artikel anerkannten Rechte in Bezug auf ihre Sicherheit und ihren Gesundheitsschutz zu gewährleisten, wird Folgendes vorgesehen:
1. Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Kündigung der Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs nach Artikel 8 Absatz 1 zu verbieten; davon ausgenommen sind die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefälle, die entsprechend den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig sind, wobei gegebenenfalls die zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muss.
2. Wird einer Arbeitnehmerin im Sinne des Artikels 2 während der in Nummer 1 genannten Zeit gekündigt, so muss der Arbeitgeber schriftlich berechtigte Kündigungsgründe anführen.
3. Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um Arbeitnehmerinnen im Sinne des Artikels 2 vor den Folgen einer nach Nummer 1 widerrechtlichen Kündigung zu schützen."
Nationales Recht
Das Arbeitsgesetzbuch
13Art. 3 des lettischen Arbeitsgesetzbuchs (Darba likums, Latvijas Vēstnesis, 2001, Nr. 105) definiert als Arbeitnehmer jede natürliche Person, die aufgrund eines Arbeitsvertrags nach den Weisungen eines Arbeitgebers eine bestimmte Arbeit verrichtet, für die sie eine vereinbarte Vergütung erhält.
14Art. 4 des Arbeitsgesetzbuchs definiert als Arbeitgeber jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die mindestens einen Arbeitnehmer aufgrund eines Arbeitsvertrags beschäftigt.
15Art. 44 Abs. 3 des Arbeitsgesetzbuchs sieht vor:
"Mit Mitgliedern der Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften wird ein Arbeitsvertrag geschlossen, sofern sie nicht aufgrund eines anderen zivilrechtlichen Vertrags angestellt sind. Werden Mitglieder der Leitungsorgane einer Kapitalgesellschaft aufgrund eines Arbeitsvertrags angestellt, wird dieser befristet abgeschlossen."
16In Art. 109 ("Kündigungsverbote und -beschränkungen für den Arbeitgeber") des Arbeitsgesetzbuchs heißt es:
"(1) Ein Arbeitgeber darf den Arbeitsvertrag einer Frau während ihrer Schwangerschaft sowie während des auf die Niederkunft folgenden Jahrs und im Fall des Stillens während der gesamten Stillzeit nicht kündigen, sofern nicht einer der Fälle des Art. 101 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3, 4, 5 und 10 vorliegt."
17Art. 221 des lettischen Handelsgesetzbuchs (Komerclikums, Latvijas Vēstnesis, 2000, Nr. 158/160) bestimmt:
"(1) Ausführendes Organ der Gesellschaft ist das Kollegium der Geschäftsführer, das sie leitet und vertritt.
...
(5) Das Kollegium der Geschäftsführer hat die Gesellschafterversammlung über Rechtsgeschäfte, die zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter, einem Mitglied des Aufsichtsrats oder einem Geschäftsführer geschlossen wurden, zu unterrichten.
(6) Das Kollegium der Geschäftsführer hat dem Aufsichtsrat mindestens einmal pro Quartal über die Tätigkeit und die Finanzlage der Gesellschaft Bericht zu erstatten; über eine Verschlechterung der Finanzlage der Gesellschaft oder über andere, für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft wesentliche Umstände hat es den Aufsichtsrat unverzüglich zu informieren.
...
(8) Die Geschäftsführer haben Anspruch auf eine Vergütung, die ihrer Verantwortung und der Finanzlage der Gesellschaft entspricht. Die Höhe der Vergütung wird durch Beschluss des Aufsichtsrats oder, in Ermangelung eines solchen, der Gesellschafterversammlung festgelegt."
18Art. 224 ("Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer") des Handelsgesetzbuchs bestimmt:
"(1) Die Gesellschafterversammlung bestellt die Geschäftsführer und beruft sie ab. Sie teilt die Abberufung der Geschäftsführer, die Änderung von deren Vertretungsbefugnis oder die Bestellung neuer Geschäftsführer dem Handelsregister mit. Dieser Mitteilung ist ein Auszug aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung beizufügen, der die jeweilige Entscheidung enthält.
...
(3) Die Geschäftsführer werden für die Dauer von drei Jahren bestellt, sofern in der Satzung kein kürzerer Zeitraum vorgesehen ist.
(4) Die Geschäftsführer können durch Gesellschafterbeschluss abberufen werden. Hat die Gesellschaft einen Aufsichtsrat, kann dieser beschließen, dass das Amt der Geschäftsführer über einen Zeitraum von höchstens zwei Monaten bis zur Gesellschafterversammlung ruht.
...
(6) Die Satzung kann vorsehen, dass die Geschäftsführer nur aus wichtigem Grund abberufen werden können. Als wichtiger Grund gelten Amtsüberschreitung, die Nichtbeachtung von Verpflichtungen, das Unvermögen, die Gesellschaft zu leiten, die Beeinträchtigung der Interessen der Gesellschaft und Vertrauensverlust."
Das Gesetz über die öffentliche Sozialversicherung
19Das Gesetz über die öffentliche Sozialversicherung (Likums par valsts sociālo apdrošināšanu, Latvijas Vēstnesis, 1997, Nr. 274/276), in dem die Grundprinzipien der öffentlichen Sozialversicherung niedergelegt und ihre finanzielle und organisatorische Struktur geregelt sind, erkennt in seinem Art. 1 Buchst. c den Mitgliedern der Unternehmensleitung von Handelsgesellschaften Arbeitnehmereigenschaft zu.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
20Die Aktiengesellschaft Latvijas Krājbanka AS bestellte mit Beschluss vom 21. Dezember 2006 über die Gründung von LKB die Klägerin des Ausgangsverfahrens zu deren alleiniger Geschäftsführerin ("valde").
21Mit Beschluss des Aufsichtsrats ("padome") von LKB vom wurden die Vergütung und die sonstigen Leistungen für die Geschäftsführer dieser Gesellschaft festgelegt, und der Aufsichtsratsvorsitzende wurde mit dem Abschluss der für die Umsetzung dieses Beschlusses erforderlichen Vereinbarungen beauftragt.
22Der Vorlageentscheidung zufolge wurde kein zivilrechtlicher Vertrag über die Ausübung des Amtes als Geschäftsführerin geschlossen. LKB bestreitet dies und bringt vor, mit Frau Danosa sei ein Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen worden. Diese habe einen Arbeitsvertrag gewünscht, LKB habe jedoch vorgezogen, ihr die Aufgabe als Geschäftsführerin auf der Grundlage einer Geschäftsbesorgung zu übertragen.
23Die Gesellschafterversammlung ("dalībnieku sapulce") von LKB beschloss am 23. Juli 2007, Frau Danosa als Geschäftsführerin abzuberufen. Am wurde ihr eine beglaubigte Ausfertigung des Protokolls der Sitzung dieser Versammlung übersandt.
24Da Frau Danosa die Abberufung von ihrem Amt für rechtswidrig hielt, erhob sie am 31. August 2007 beim Rīgas pilsētas Centra rajona tiesa (Zentrales Bezirksgericht Riga Stadt) Klage gegen LKB.
25Frau Danosa machte vor jenem Gericht geltend, sie habe nach ihrer Bestellung ihre beruflichen Pflichten, wie sie in der Gesellschaftssatzung und der Geschäftsordnung der Unternehmensleitung festgelegt seien, ordnungsgemäß erfüllt. Außerdem müsse vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen werden, da sie eine Vergütung für ihre Arbeit erhalten habe und ihr Urlaub gewährt worden sei. Sie sei unter Verstoß gegen Art. 109 des Arbeitsgesetzbuchs, der die Kündigung gegenüber schwangeren Arbeitnehmerinnen verbiete, abberufen worden, denn sie sei zum Zeitpunkt der Kündigung in der elften Woche schwanger gewesen. Nach Ansicht von Frau Danosa kollidiert Art. 224 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs, der es der Gesellschafterversammlung gestattet, sich jederzeit von den Geschäftsführern zu trennen, mit Art. 109 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuchs, der schwangeren Arbeitnehmerinnen bestimmte soziale Garantien einräumt.
26Da die Klage von Frau Danosa sowohl im ersten Rechtszug als auch in der Berufungsinstanz abgewiesen wurde, legte sie Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht ein.
27Sie macht vor jenem Gericht geltend, sie sei als Arbeitnehmerin im Sinne des Unionsrechts anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob sie nach lettischem Recht als Arbeitnehmerin gelte oder nicht. Außerdem müsse sich der lettische Staat wegen des in Art. 10 der Richtlinie 92/85 verankerten Kündigungsverbots und des wesentlichen Interesses, das mit dieser Vorschrift in allen Rechtsbeziehungen geschützt werden solle, in denen die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses feststellbar seien, mit allen Mitteln, gerichtlichen inbegriffen, bemühen, schwangeren Arbeitnehmerinnen die zu ihren Gunsten vorgesehenen rechtlichen und sozialen Garantien zu gewährleisten.
28LKB ist dagegen der Ansicht, die Mitglieder der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft erfüllten keine Aufgaben nach den Weisungen einer anderen Person und seien daher nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts anzusehen. In Anbetracht des Vertrauensverhältnisses, das die Ausführung der den Mitgliedern der Unternehmensleitung übertragenen Aufgabe impliziere, sei es völlig gerechtfertigt, ein unterschiedliches Schutzniveau für die Arbeitnehmer und die Mitglieder der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft vorzusehen. Das Unionsrecht unterscheide ausdrücklich zwischen Personen, die ihre Aufgaben nach den Weisungen des Arbeitgebers ausführten, und Personen mit Weisungsbefugnis, die im Grunde genommen Vertreter des Arbeitgebers und ihm nicht unterstellt seien.
29Das vorlegende Gericht stellt fest, dass der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff des Arbeitnehmers und dem Ziel der Richtlinie 92/85, Schwangere vor Kündigung zu schützen, entnommen werden könne, dass Art. 10 dieser Richtlinie auf ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Gesellschaft, wenn es unter den Arbeitnehmerbegriff falle, anwendbar sei, obschon Art. 224 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs keine Einschränkung hinsichtlich der Abberufung der von ihm erfassten Personen vorsehe, ganz gleich, ob mit dem Mitglied der Unternehmensleitung ein Arbeitsvertrag geschlossen worden sei oder nicht. Dem vorlegenden Gericht zufolge verbieten sowohl die Richtlinie 76/207 als auch die Richtlinie 92/85 die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses einer Schwangeren.
30Da der Augstākās Tiesas Senāts der Ansicht ist, dass der bei ihm anhängige Rechtsstreit Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts aufwirft, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Fallen die Mitglieder eines Leitungsorgans einer Kapitalgesellschaft unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff?
2. Stehen Art. 10 der Richtlinie 92/85 und die Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 224 Abs. 4 des lettischen Handelsgesetzbuchs entgegen, der die Abberufung von Mitgliedern der Unternehmensleitung von Kapitalgesellschaften ohne jede Einschränkung, insbesondere - im Falle einer Frau - ungeachtet des Bestehens einer Schwangerschaft, gestattet?
Zu den Vorlagefragen
Vorbemerkungen
31Vorab ist festzustellen, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof die Vorgeschichte des Ausgangsrechtsstreits Anlass einer streitigen Auseinandersetzung im Wesentlichen darüber gewesen ist, weshalb LKB Frau Danosa als ihre Geschäftsführerin abberief und ob LKB von der Schwangerschaft der Klägerin des Ausgangsverfahrens unterrichtet war, bejahendenfalls, zu welchem Zeitpunkt sie davon in Kenntnis gesetzt wurde.
32Während LKB vorgebracht hat, dass die Schwangerschaft von Frau Danosa die Entscheidung, sie abzuberufen, in keiner Weise beeinflusst habe und dass Frau Danosa selbst nicht vorgetragen habe, dass sie aufgrund ihrer Schwangerschaft abberufen worden sei, hat die Klägerin des Ausgangsverfahrens die Sachverhaltsdarstellung von LKB bestritten, bekräftigt, dass ihre Schwangerschaft der Grund für ihre Abberufung gewesen sei, und versucht, das Umfeld des Erlasses des Abberufungsbeschlusses zu erhellen.
33Es ist Sache des nationalen Gerichts, die dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Tatsachen festzustellen und daraus die Folgerungen für seine Entscheidung zu ziehen (vgl. u. a. Urteil vom , WWF u. a., C-435/97, Slg. 1999, I-5613, Randnr. 32).
34Im Rahmen der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten ist es nämlich grundsätzlich Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob in der bei ihm anhängigen Rechtssache die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung einer Norm des Unionsrechts erfüllt sind, wobei der Gerichtshof in seiner Entscheidung auf ein Vorabentscheidungsersuchen gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen kann, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Haim, C-424/97, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 58, und vom , Vatsouras und Koupatantze, C-22/08 und C-23/08, Slg. 2009, I-4585, Randnr. 23).
35Im vorliegenden Fall beruhen die vorgelegten Fragen ausweislich der Vorlageentscheidung auf der Prämisse, dass die Abberufung von Frau Danosa als Geschäftsführerin von LKB im Wesentlichen wegen ihrer Schwangerschaft erfolgte oder hätte erfolgen können. Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob eine nationale Regelung, die zwar eine Kündigung aus mit der Schwangerschaft zusammenhängenden Gründen verbietet, aber keinerlei Einschränkung für die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft vorsieht, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
36Unter diesen Umständen kommt es dem Gerichtshof zu, die vom vorlegenden Gericht gestellten Vorabentscheidungsfragen nach der Auslegung des Unionsrechts zu beantworten, dem vorlegenden Gericht aber die Aufgabe zu belassen, die konkreten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu überprüfen und insbesondere die Frage zu klären, ob der streitige Abberufungsbeschluss im Wesentlichen in der Schwangerschaft der Klägerin des Ausgangsverfahrens begründet lag.
37Soweit mit dem Standpunkt der lettischen Regierung und der Europäischen Kommission in Bezug auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens die Erheblichkeit der Vorlagefragen für die Entscheidung des bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreits in Frage gestellt wird, genügt der Hinweis, dass nichts in der Vorlageentscheidung die Feststellung erlaubt, dass diese Fragen, zu deren Sachdienlichkeit das vorlegende Gericht im Übrigen Ausführungen gemacht hat, offensichtlich hypothetisch sind oder in keinem Zusammenhang mit der Realität und dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen.
Zur ersten Frage
38Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt, als Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 92/85 anzusehen ist.
39Nach ständiger Rechtsprechung kann der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne dieser Richtlinie nicht je nach nationalem Recht unterschiedlich ausgelegt werden; er ist anhand objektiver Kriterien zu definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Betroffenen kennzeichnen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. entsprechend im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit und dem Grundsatz des gleichen Entgelts für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Urteile vom , Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Randnrn. 16 und 17, und vom , Allonby, C-256/01, Slg. 2004, I-873, Randnr. 67, sowie im Zusammenhang mit der Richtlinie 92/85 Urteil vom , Kiiski, C-116/06, Slg. 2007, I-7643, Randnr. 25).
40Für die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts ist es ohne Bedeutung, dass das Beschäftigungsverhältnis nach nationalem Recht ein Rechtsverhältnis sui generis ist (vgl. Urteil Kiiski, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sofern eine Person die vorstehend in Randnr. 39 angeführten Voraussetzungen erfüllt, ist die Art der Rechtsbeziehung zwischen ihr und der anderen Partei des Arbeitsverhältnisses ohne Bedeutung für die Anwendung der Richtlinie 92/85 (vgl. entsprechend im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit Urteile vom , Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 16, und vom , Raulin, C-357/89, Slg. 1992, I-1027, Randnr. 10).
41Auch die formale Einstufung als Selbständiger nach innerstaatlichem Recht schließt nicht aus, dass eine Person als Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 92/85 einzustufen ist, wenn ihre Selbständigkeit nur fiktiv ist und damit ein Arbeitsverhältnis im Sinne dieser Richtlinie verschleiert (vgl. entsprechend Urteil Allonby, Randnr. 71).
42Daraus folgt, dass die nach lettischem Recht vorgenommene Einstufung des Verhältnisses, das zwischen einer Kapitalgesellschaft und den Mitgliedern ihrer Unternehmensleitung besteht, oder des Umstands, dass eine solche Gesellschaft und die Mitglieder der Unternehmensleitung keinen Arbeitsvertrag geschlossen haben, entgegen dem Vorbringen von LKB für die Einstufung dieses Verhältnisses für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 92/85 nicht ausschlaggebend sein kann.
43Wie sich aus den vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen ergibt, hat Frau Danosa im vorliegenden Fall unstreitig Leistungen gegenüber LKB regelmäßig und gegen Entgelt erbracht und dabei die Aufgaben ausgeführt, die ihr in ihrer Eigenschaft als einzige Geschäftsführerin nach der Satzung dieser Gesellschaft und der Geschäftsordnung der Unternehmensleitung zugewiesen waren. Entgegen dem Vorbringen dieser Gesellschaft kommt es insoweit nicht darauf an, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens selbst mit der Erstellung dieser Geschäftsordnung betraut war.
44Die abgegebenen Erklärungen gehen dagegen in der Frage auseinander, ob zwischen Frau Danosa und LKB das Unterordnungsverhältnis oder gar der Grad an Unterordnung, wie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hinsichtlich des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des Unionsrechts im Allgemeinen und im Sinne der Richtlinie 92/85 im Besonderen erforderlich, bestand.
45LKB sowie die lettische und die griechische Regierung machen geltend, das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erforderliche Unterordnungsverhältnis sei im Fall von Mitgliedern der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft nicht gegeben. LKB und die lettische Regierung bringen vor, ein Mitglied der Unternehmensleitung wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens erfülle seine Verpflichtungen im Allgemeinen auf der Grundlage eines Geschäftsbesorgungsvertrags eigenständig und ohne Weisungen zu empfangen. Sie betonen, dass die Beziehung zwischen den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft und/oder gegebenenfalls dem Aufsichtsrat auf der einen Seite und den Mitgliedern der Unternehmensleitung auf der anderen Seite auf Vertrauen aufbauen müsse, so dass es möglich sein müsse, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu beenden, wenn dieses Vertrauen nicht mehr bestehe.
46Die Frage, ob ein Unterordnungsverhältnis im Sinne der oben angeführten Definition des Arbeitnehmerbegriffs vorliegt, ist in jedem Einzelfall nach Maßgabe aller Gesichtspunkte und aller Umstände zu beantworten, die die Beziehungen zwischen den Beteiligten kennzeichnen.
47Die Eigenschaft als Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft kann nicht als solche ausschließen, dass sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens in einem Unterordnungsverhältnis gegenüber der betreffenden Gesellschaft befand. Zu prüfen sind nämlich die Bedingungen, unter denen das Mitglied der Unternehmensleitung bestellt wurde, die Art der ihm übertragenen Aufgaben, der Rahmen, in dem diese Aufgaben ausgeführt werden, der Umfang der Befugnisse des Betroffenen und die Kontrolle, der es innerhalb der Gesellschaft unterliegt, sowie die Umstände, unter denen es abberufen werden kann.
48Wie der Generalanwalt in den Nrn. 77 bis 84 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, zeigt die Prüfung dieser Kriterien im Fall des Ausgangsverfahrens vor allem, dass Frau Danosa zur einzigen Geschäftsführerin von LKB für die bestimmte Dauer von drei Jahren bestellt war, dass sie damit betraut war, das Gesellschaftsvermögen zu verwalten sowie die Gesellschaft zu leiten und zu vertreten, und dass sie in diese integriert war. Auf Nachfrage des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung hat sich nicht feststellen lassen, von wem oder von welchem Organ sie bestellt wurde.
49Ferner musste Frau Danosa, selbst wenn sie über einen Ermessensspielraum bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügte, gegenüber dem Aufsichtsrat Rechenschaft über ihre Geschäftsführung ablegen und mit diesem zusammenarbeiten.
50Schließlich geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass nach lettischem Recht ein Mitglied der Unternehmensleitung durch Gesellschafterbeschluss von seinem Amt abberufen werden kann, gegebenenfalls nachdem der Aufsichtsrat das Ruhen des Amtes beschlossen hat. Der Abberufungsbeschluss gegenüber Frau Danosa wurde somit von einem Organ erlassen, das von ihr jedenfalls nicht kontrolliert wurde und das jederzeit gegen ihren Willen entscheiden konnte.
51Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Mitglieder eines Leitungsorgans einer Gesellschaft, wie es das Kollegium der Geschäftsführer ist, in Anbetracht ihrer spezifischen Aufgaben und des Rahmens sowie der Art und Weise der Ausübung dieser Aufgaben nicht unter den Arbeitnehmerbegriff fallen, wie er oben in Randnr. 39 definiert ist, doch erfüllt ein Mitglied der Unternehmensleitung, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt, die es bestellt hat und in die es eingegliedert ist, das seine Tätigkeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und das jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann, dem ersten Anschein nach die Voraussetzungen, um als Arbeitnehmer im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs zu gelten.
52Was den Begriff der schwangeren Arbeitnehmerin angeht, so ist eine solche in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 92/85 definiert als "jede schwangere Arbeitnehmerin, die den Arbeitgeber gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten von ihrer Schwangerschaft unterrichtet".
53Der Unionsgesetzgeber wollte dem Begriff "schwangere Arbeitnehmerin" für die Anwendung dieser Richtlinie eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung geben, selbst wenn er für einen der Aspekte dieser Definition, nämlich denjenigen der Modalitäten, nach denen die Arbeitnehmerin ihren Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft unterrichtet, auf die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten verweist (Urteil Kiiski, Randnr. 24).
54Was die Frage betrifft, ob im Ausgangsverfahren LKB über die Schwangerschaft von Frau Danosa unterrichtet war, ist es zum einen, wie oben in Randnr. 33 ausgeführt, Sache des vorlegenden Gerichts und nicht des Gerichtshofs, die maßgeblichen Fallumstände zu würdigen.
55Zum anderen können auch die Modalitäten, gemäß denen die Arbeitnehmerin ihren Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft unterrichtet, trotz des Verweises, den Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 92/85 insoweit auf die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten vornimmt, den besonderen Schutz der Frau nicht seiner Substanz entleeren, der in Art. 10 dieser Richtlinie verankert ist, nach dem schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen außer in Ausnahmefällen, die nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehen, nicht gekündigt werden darf. Wenn der Arbeitgeber, ohne von der Arbeitnehmerin selbst formal darüber unterrichtet worden zu sein, von der Schwangerschaft Kenntnis hatte, liefe es dem Zweck und dem Geist der Richtlinie 92/85 zuwider, den Wortlaut ihres Art. 2 Buchst. a eng auszulegen und der betroffenen Arbeitnehmerin den in Art. 10 vorgesehenen Kündigungsschutz zu verweigern.
56Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass für die Zwecke der Richtlinie 92/85 die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, zu bejahen ist, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Tatsachenprüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der Fall ist.
Zur zweiten Frage
57Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 10 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft ohne Einschränkung und insbesondere ohne Berücksichtigung der Schwangerschaft der Betroffenen zulässig ist.
58Zur Tragweite des Kündigungsverbots in Art. 10 der Richtlinie 92/85 ist vorab darauf hinzuweisen, dass das Ziel der Richtlinie 92/85 in der Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz besteht.
59Vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 92/85 hatte der Gerichtshof bereits entschieden, dass einer Frau kraft des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung und insbesondere der Bestimmungen der Richtlinie 76/207 Kündigungsschutz nicht nur während des Mutterschaftsurlaubs, sondern auch während der gesamten Schwangerschaft gewährt werden muss. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass eine Entlassung während der entsprechenden Zeiten nur Frauen treffen kann und daher als unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund, C-179/88, Slg. 1990, I-3979, Randnr. 13, vom , Brown, C-394/96, Slg. 1998, I-4185, Randnrn. 24 bis 27, und vom , Paquay, C-460/06, Slg. 2007, I-8511, Randnr. 29).
60Gerade in Anbetracht der Gefahr, die eine mögliche Entlassung für die physische und psychische Verfassung von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen oder stillenden Arbeitnehmerinnen darstellt, einschließlich des besonders schwerwiegenden Risikos, dass eine schwangere Arbeitnehmerin zum freiwilligen Abbruch ihrer Schwangerschaft veranlasst wird, hat der Unionsgesetzgeber in Art. 10 der Richtlinie 92/85 einen besonderen Schutz für die Frau vorgesehen, indem er das Verbot der Kündigung während der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs verfügt hat (vgl. Urteil Paquay, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
61Für diesen Zeitraum sieht Art. 10 der Richtlinie 92/85 keine Ausnahme oder Abweichung vom Verbot der Kündigung gegenüber schwangeren Arbeitnehmerinnen vor, außer in nicht mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehenden Ausnahmefällen und unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung schriftlich angibt (Urteile vom , Webb, C-32/93, Slg. 1994, I-3567, Randnr. 22, Brown, Randnr. 18, vom , Tele Danmark, C-109/00, Slg. 2001, I-6993, Randnr. 27, und Paquay, Randnr. 31).
62Für den Fall, dass das vorlegende Gericht erkennen sollte, dass hier Frau Danosa unter den Begriff der schwangeren Arbeitnehmerin im Sinne der Richtlinie 92/85 fällt und dass der im Ausgangsverfahren streitige Abberufungsbeschluss aus Gründen erging, die wesentlich mit ihrer Schwangerschaft zusammenhängen, ist darauf hinzuweisen, dass ein solcher Beschluss, auch wenn er gemäß den nationalen Rechtsvorschriften, die die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung ohne Einschränkung zulassen, getroffen wurde, mit dem Kündigungsverbot nach Art. 10 dieser Richtlinie unvereinbar wäre.
63Dagegen verstieße ein Abberufungsbeschluss in der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs aus Gründen, die nichts mit der Schwangerschaft der Klägerin des Ausgangsverfahrens zu tun haben, nicht gegen Art. 10 der Richtlinie 92/85, vorausgesetzt allerdings, der Arbeitgeber führt schriftlich berechtigte Kündigungsgründe an und die Kündigung der Betroffenen ist nach den betreffenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten zulässig, wie es in Art. 10 Nrn. 1 und 2 dieser Richtlinie geregelt ist.
64Sollte das vorlegende Gericht erkennen, dass im vorliegenden Fall in Anbetracht der Art der von Frau Danosa ausgeübten Tätigkeit und des Rahmens, in dem diese Tätigkeit ausgeübt wird, ein Kündigungsschutz für ein Mitglied der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft nicht aus der Richtlinie 92/85 abgeleitet werden kann, weil die Betroffene keine "schwangere Arbeitnehmerin" im Sinne dieser Richtlinie ist, wäre zu prüfen, ob sich die Klägerin des Ausgangsverfahrens möglicherweise auf den mit der Richtlinie 76/207 gewährten Schutz vor geschlechtsbedingter Diskriminierung berufen kann, auf den das vorlegende Gericht in seinen Fragen nicht Bezug genommen hat, den es aber wie manche Beteiligte, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, angesprochen hat.
65Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 76/207 "[d]ie Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bedeutet, dass es im öffentlichen und privaten Bereich einschließlich öffentlicher Stellen in Bezug auf [die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen] keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben darf".
66Wie sich aus Randnr. 59 des vorliegenden Urteils ergibt, muss einer Frau auf der Grundlage des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung und insbesondere der Bestimmungen der Richtlinie 76/207 Kündigungsschutz nicht nur während des Mutterschaftsurlaubs, sondern auch während der gesamten Schwangerschaft gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann eine Entlassung wegen Schwangerschaft oder aus einem Grund, der wesentlich auf einer Schwangerschaft beruht, nur Frauen treffen und stellt daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar (vgl. Urteil Paquay, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).
67Die einseitige Beendigung eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses durch den Auftraggeber vor Ablauf der vereinbarten Zeit wegen Schwangerschaft der mit der Geschäftsbesorgung Beauftragten oder aus einem Grund, der wesentlich auf einer Schwangerschaft beruht, kann nur Frauen betreffen. Selbst wenn man unterstellt, dass Frau Danosa etwa keine "schwangere Arbeitnehmerin" im weiten Sinn der Richtlinie 92/85 ist, liefe es dem Schutzziel des Art. 2 Abs. 7 der Richtlinie 76/207 zuwider, wenn man zuließe, dass eine Gesellschaft die Mitglieder ihrer Unternehmensleitung, die Aufgaben wie die im Ausgangsverfahren beschriebenen wahrnehmen, von ihrem Amt abberufen könnte, sofern die Abberufung im Wesentlichen auf der Schwangerschaft der Betroffenen beruht.
68Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, wird mit den unionsrechtlichen Vorschriften über die Gleichheit von Männern und Frauen im Bereich der Rechte von schwangeren Frauen oder Wöchnerinnen das Ziel verfolgt, diese vor und nach der Niederkunft zu schützen (vgl. Urteil vom , McKenna, C-191/03, Slg. 2005, I-7631, Randnr. 42).
69Dieses Ziel, von dem sowohl die Richtlinie 92/85 als auch die Richtlinie 76/207 geleitet werden, könnte nicht erreicht werden, wenn der Schwangeren vom Unionsrecht gewährte Kündigungsschutz von der formalen Qualifizierung ihres Beschäftigungsverhältnisses nach innerstaatlichem Recht oder von der Entscheidung für den einen oder den anderen Vertragstyp bei ihrer Anstellung abhinge.
70Wie sich aus Randnr. 33 des vorliegenden Urteils ergibt, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die erheblichen Fallumstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits festzustellen und zu überprüfen, ob die Abberufungsentscheidung, wie die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen es nahelegen, im Wesentlichen auf der Schwangerschaft der Klägerin des Ausgangsverfahrens beruhte. Bejahendenfalls kann dahingestellt bleiben, ob Letztere von der Richtlinie 92/85, der Richtlinie 76/207 oder, soweit das vorlegende Gericht sie als "selbständige Erwerbstätige" einstufen sollte, der Richtlinie 86/613 erfasst wird, die für die letztgenannten Erwerbstätigen gilt und, wie aus ihrem Art. 1 hervorgeht, die Richtlinie 76/207 in Bezug auf die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf solche Erwerbstätigen ergänzt, indem sie wie die Richtlinie 76/207 jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, ob unmittelbar oder mittelbar, verbietet. Unabhängig davon, welche Richtlinie Anwendung findet, kommt es darauf an, der Betroffenen den Schutz zu gewährleisten, den das Unionsrecht Schwangeren für den Fall gewährt, dass das Rechtsverhältnis, das sie mit einer anderen Person verbindet, wegen ihrer Schwangerschaft beendet wurde.
71Dieses Ergebnis findet auch Bestätigung in dem in Art. 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz der Gleichheit von Frauen und Männern, nach dem diese Gleichheit in allen Bereichen, einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts, sicherzustellen ist.
72Abschließend ist hinsichtlich der Beweislast unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens darauf hinzuweisen, dass das nationale Gericht die relevanten Vorschriften der Richtlinie 97/80/EG des Rates vom über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (ABl. 1998, L 14, S. 6) anzuwenden hat, die nach ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. a auf Situationen Anwendung findet, die von der Richtlinie 76/207 und, sofern es um die Frage einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geht, von der Richtlinie 92/85 erfasst werden.
73Insoweit obliegt es nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 97/80, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem Gericht bzw. einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, dem Beklagten, zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
74Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 10 der Richtlinie 92/85 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft ohne Einschränkung zulässig ist, entgegensteht, wenn eine "schwangere Arbeitnehmerin" im Sinne dieser Richtlinie betroffen ist und die ihr gegenüber ergangene Abberufungsentscheidung im Wesentlichen auf ihrer Schwangerschaft beruht. Selbst wenn das betroffene Mitglied der Unternehmensleitung nicht unter diesen Begriff fallen sollte, kann gleichwohl die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung, das Aufgaben wie die im Ausgangsverfahren beschriebenen wahrnimmt, wegen Schwangerschaft oder aus einem Grund, der wesentlich auf einer Schwangerschaft beruht, nur Frauen treffen und stellt daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, die gegen die Art. 2 Abs. 1 und 7 und 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 76/207 verstößt.
Kosten
75Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
1. Für die Zwecke der Richtlinie 92/85/EWG des Rates vom über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) ist die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das dieser gegenüber Leistungen erbringt und in sie eingegliedert ist, zu bejahen, wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die Tatsachenprüfungen vorzunehmen, deren es zur Beurteilung der Frage bedarf, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der Fall ist.
2. Art. 10 der Richtlinie 92/85 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft ohne Einschränkung zulässig ist, entgegensteht, wenn eine "schwangere Arbeitnehmerin" im Sinne dieser Richtlinie betroffen ist und die ihr gegenüber ergangene Abberufungsentscheidung im Wesentlichen auf ihrer Schwangerschaft beruht. Selbst wenn das betroffene Mitglied der Unternehmensleitung nicht unter diesen Begriff fallen sollte, kann gleichwohl die Abberufung eines Mitglieds der Unternehmensleitung, das Aufgaben wie die im Ausgangsverfahren beschriebenen wahrnimmt, wegen Schwangerschaft oder aus einem Grund, der wesentlich auf einer Schwangerschaft beruht, nur Frauen treffen und stellt daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, die gegen die Art. 2 Abs. 1 und 7 und 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 geänderten Fassung verstößt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
SAAAE-15681