BFH Beschluss v. - III S 19/11

Vollstreckung aus erfolgreich angefochtenen Bescheiden; formlose Mitteilung des Ergebnisses der Neuberechnung der Steuer kein Verwaltungsakt

Gesetze: FGO § 69 Abs. 3, FGO § 100 Abs. 2, FGO § 69 Abs. 2, AO § 118

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Die Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger) wurden für die Streitjahre 1998 bis 2002 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Seit 1993 führen sie gemeinsam ein Restaurant und eine Frühstückspension mit fünf Zimmern, die im Jahr 2002 in ein Hotel mit 19 Zimmern umgebaut wurde. Das Gewerbe war von der Klägerin angemeldet worden, der Kläger vermietete das von ihm im Jahr 1998 erworbene Betriebsgrundstück an die Klägerin und war als Angestellter im Unternehmen tätig.

2 Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt —FA—) erließ nach einer im Dezember 2004 begonnenen Betriebsprüfung geänderte Bescheide, denen erhebliche Hinzuschätzungen zu Grunde lagen; insgesamt ergaben sich Steuernachforderungen von mehr als 300.000 €.

3 Die Klage hatte überwiegend Erfolg. Das Finanzgericht (FG) reduzierte die Hinzuschätzung für die Gaststätte auf 5 % der erklärten Umsätze und ließ sie für das Hotel vollständig entfallen. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommen- und Umsatzsteuer sowie der Gewerbesteuermessbeträge übertrug es dem FA (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

4 Die von den Klägern gegen das FG-Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat durch Beschluss vom III B 39/11 als unbegründet zurückgewiesen.

5 Das FA übersandte den Klägern am formlos das Ergebnis der Neuberechnung und beendete durch Schreiben vom die im Jahr 2008 bzw. 2006 angeordnete Aussetzung der Vollziehung (AdV) teilweise —nach Maßgabe des FG-Urteils—; die tabellarisch aufgeführten Beträge seien bis spätestens zu entrichten. Die über die genannten Beträge hinausgehende bisher gewährte Aussetzung bleibe bis einen Monat nach Bekanntgabe der noch zu erlassenden Änderungsbescheide bestehen.

6 Den Antrag der Kläger auf AdV vom lehnte das FA ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück.

7 Die Kläger tragen vor, an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden ernstliche Zweifel. Das FA versuche Bescheide zu vollziehen, die das FG aufgehoben habe. Seit dem FG-Urteil fehle es an einem Vollstreckungstitel, da das FA keine neuen Bescheide bekannt gegeben habe. Erst danach könnten dann auch Einwendungen erhoben werden; derzeit seien sie einer Restforderung ausgesetzt, deren Höhe sie mangels Bescheides nicht angreifen könnten.

8 Die Kläger beantragen, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für 1998, 1999, 2001 und 2002 vom sowie für 2000 vom , sowie die gegen die Klägerin gerichteten Umsatzsteuerbescheide für 1998 bis 2002 vom und Gewerbesteuermessbescheide für 1998 bis 2002 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom in voller Höhe auszusetzen.

9 Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.

10 II. Der Antrag auf AdV hat keinen Erfolg.

11 Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen.

12 a) Der Antrag ist zulässig, denn der Bundesfinanzhof (BFH) ist durch die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Gericht der Hauptsache geworden und die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO sind erfüllt, da das FA den AdV-Antrag abgelehnt hat.

13 b) Der Antrag ist indessen unbegründet.

14 Grundlage der Vollziehung sind die nach der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide. Diese bleiben wirksam, bis das FA die neuen Bescheide mit dem aufgrund des FG-Urteils geänderten Inhalt bekannt gegeben hat (§ 100 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz FGO). Der Zeitraum zwischen der Entscheidung des FG und der nach dessen Rechtskraft zu veranlassenden Bekanntgabe der Änderungsbescheide ist mithin kein „bescheidloser” Abschnitt.

15 Das FA beabsichtigt eine Vollziehung dieser Bescheide nur insoweit, als sie im Einklang mit dem FG-Urteil stehen; die für die darüber hinausgehenden Beträge gewährte AdV hat es bestehen lassen. Die Kläger haben nicht dargelegt, dass die formlose Mitteilung des Ergebnisses der Neuberechnung, bei der es sich nicht um einen Verwaltungsakt handelt (, BFHE 208, 98, BStBl II 2005, 217; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 100 Rz 38 f.), den Vorgaben des FG-Urteils widerspricht.

16 Da der Senat die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom III B 39/11 zurückgewiesen hat und das FG-Urteil dadurch rechtskräftig geworden ist (§ 116 Abs. 5 Satz 3 FGO), bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Höhe der offenen Beträge.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 1467 Nr. 9
FAAAE-14524