BAG Urteil v. - 4 AZR 275/10

Eingruppierung eines Gewerkschaftssekretärs nach der Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di

Gesetze: § 77 BetrVG

Instanzenzug: ArbG Gelsenkirchen Az: 5 Ca 194/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 16 Sa 714/09 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach einer grundsätzlichen Änderung der maßgebenden Vergütungsordnung und daraus erwachsene Vergütungsdifferenzansprüche.

2Zwischen dem im Jahre 1945 geborenen Kläger und der Beklagten sowie ihrer Rechtsvorgängerin Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) bestand vom bis zum ein Arbeitsverhältnis. Seit dem war der Kläger für die HBV als geschäftsführender Gewerkschaftssekretär der Bezirksverwaltung R tätig.

3Im Jahre 2001 verschmolz die Gewerkschaft HBV mit vier weiteren Gewerkschaften zu der Beklagten. Die ehemaligen Bezirke der fünf Gründungsgewerkschaften wurden aufgelöst und das Bundesgebiet neu in Bezirke nach Maßgabe der Organisationsstruktur der Beklagten aufgegliedert. Der frühere Bezirk R der HBV entsprach dabei teilweise dem neu gebildeten Bezirk E der Beklagten. Übergangsweise wurde eine Bezirksgeschäftsführung gebildet, bestehend aus einem hauptamtlichen Geschäftsführer und vier Stellvertretern. Jede der Gründungsgewerkschaften war berechtigt, mit einem Mitglied in der Geschäftsführung vertreten zu sein.

4Bis zum Jahre 2001 war der Kläger - nicht freigestellter - Vorsitzender des bei der HBV Nordrhein-Westfalen gebildeten Betriebsrates. Dem sodann bei der Beklagten gebildeten Betriebsrat gehörte er als Mitglied an. Im Hinblick auf seine Betriebsratstätigkeit und die beabsichtigte Vereinbarung von Altersteilzeit im Blockmodell sowie das anschließende Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis verzichtete der Kläger zu Gunsten einer jüngeren Kollegin der HBV auf eine Bewerbung um die im Jahre 2001 zur Besetzung anstehende Position des Bezirksgeschäftsführers des neuen Bezirks E. Ab April 2002 war er dann als Betriebsratsmitglied nach § 38 Abs. 1 BetrVG für mehrere Jahre von der beruflichen Tätigkeit freigestellt.

5Am schlossen die Parteien einen Vertrag über Altersteilzeit im Blockmodell. Danach sollte die Arbeitsphase vom bis zum und die Freistellungsphase vom bis zum dauern. Nach Beendigung seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied verrichtete der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bis zum Beginn der Freistellungsphase in der Altersteilzeit die Tätigkeiten eines Gewerkschaftssekretärs.

6Bei der Beklagten wurde mit Wirkung ab ein neues, mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbartes Entgeltsystem eingeführt sowie in einer weiteren Gesamtbetriebsvereinbarung die Überleitung der Beschäftigten in dieses System geregelt. Bis dahin war der Kläger gemäß Vergütungsgruppe 12 der HBV-Vergütungsordnung als geschäftsführender Gewerkschaftssekretär vergütet worden. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses am teilte die Beklagte dem Kläger unter dem mit, dass die Einigungsstelle mit Wirkung zum seine Umgruppierung in die Entgeltgruppe 7.3.2 der neuen Entgeltordnung beschlossen habe. Das dort aufgeführte Tätigkeitsmerkmal lautet: „Gewerkschaftssekretär/in mit Betreuungsbereich“. Die Tätigkeit ist der Stufe 3 der Entgeltgruppe 7 zugeordnet und mit einer Vergütung von 4.500,00 Euro verbunden. Der Kläger erhielt aber aufgrund einer Besitzstandsregelung bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses Vergütung auf der Basis eines Monatsentgelts von 4.646,00 Euro brutto. Dies entsprach dem, was der Kläger zuletzt als geschäftsführender Gewerkschaftssekretär nach der bei der Gewerkschaft HBV zuletzt angewandten Entgelttabelle erhalten hatte.

7Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die vorgenommene Zuordnung sei unzutreffend. Er sei als Bezirksgeschäftsführer eines Bezirks mit bis zu 14.999 abgerechneten Mitgliedern in der Entgeltgruppe 9 Stufe 1, Tätigkeitsbeispiel 9.1.1 der neuen Entgeltordnung eingruppiert, woraus sich eine Vergütung von 5.000,00 Euro monatlich ergebe. Zwar sei er nicht formell zum Bezirksgeschäftsführer ernannt worden. Der Gründungsgewerkschaft HBV habe aber nach organisationsinternen Absprachen die Besetzung der Bezirksgeschäftsführung im Bezirk E zugestanden; hierfür sei er auch vorgesehen gewesen. Sein zu Gunsten einer jüngeren Kollegin aus der Gewerkschaft HBV erklärter Verzicht bedeute nicht, dass sein Arbeitsvertrag geändert worden sei. Dieser sehe nach wie vor die Tätigkeit als geschäftsführender Gewerkschaftssekretär vor. Eine solche Position sei in die Position eines Bezirksgeschäftsführers nach der neuen Entgeltordnung überzuleiten. Für den Zeitraum vom bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses am belaufe sich die ihm unter Berücksichtigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses noch zu zahlende Vergütungsdifferenz auf - rechnerisch unstreitige - 1.738,02 Euro.

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt,

9Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die vom Kläger auszuübende Tätigkeit nicht der eines Bezirksgeschäftsführers entspreche, da es sich bei dieser Funktion um eine satzungsrechtlich begründete Position handele, die durch eine bei dem Kläger nicht erfolgte Bestellung zu besetzen sei. Der Arbeitsvertrag des Klägers sei konkludent geändert worden. Im Übrigen richte sich die Eingruppierung nicht nach der auszuübenden Tätigkeit, sondern nach der zuletzt ausgeübten. Dies sei für die Umgruppierung von Beschäftigten in der Freistellungsphase der Altersteilzeit ausdrücklich geregelt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit der Anspruch noch streitig ist, stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

11Die Revision des Klägers bleibt erfolglos.

12I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für unbegründet gehalten. Zwar gelte mangels späterer Änderung nach wie vor der Arbeitsvertrag des Klägers mit der Gewerkschaft HBV, wonach der Kläger als geschäftsführender Gewerkschaftssekretär angestellt sei. Daraus folge jedoch nicht seine Eingruppierung in der Entgeltgruppe 9, Fallbeispiel 9.1.1 des neuen Entgeltsystems der Beklagten. Er sei nicht Bezirksgeschäftsführer iSd. Regelung. Die hierfür erforderliche satzungsmäßige Bestellung sei gegenüber dem Kläger nicht erfolgt. Es handele sich dabei auch nicht um eine durch die Arbeitsgerichte möglicherweise zu schließende unbewusste Tariflücke. Die vertragliche Tätigkeit des Klägers sei ersatzlos entfallen, weshalb es kein Bedürfnis zu ihrer Regelung im neuen Entgeltsystem gegeben habe. Auch hätten die Betriebsparteien, die die neue Entgeltordnung vereinbart haben, die Zuordnung von nicht ausdrücklich aufgeführten Tätigkeitsbeispielen geregelt. Dies gelte jedoch nicht für die Entgeltgruppe 9, da die dort genannten Funktionen abschließend aufgezählt seien. Es bestehe auch kein Anlass, eine mögliche Eingruppierung des Klägers in der Entgeltgruppe 8 zu überprüfen, da der Kläger dies nicht beantragt habe, was jedoch erforderlich gewesen wäre, da es sich um einen anderen Streitgegenstand handele als bei der begehrten Eingruppierung in der Entgeltgruppe 9.

13II. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dabei kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Gesamtbetriebsvereinbarungen zum neuen Entgeltsystem und die dazu vereinbarte Entgelttabelle sowie die Überleitungsregelungen wirksam sind (vgl. zur Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats allgemein  - Rn. 15, BAGE 133, 373), ferner dass es für die Eingruppierung entscheidend auf die auszuübende und nicht auf die ausgeübte Tätigkeit ankommt. Die vom Kläger auszuübende Tätigkeit erfüllt die Anforderungen nicht, die in den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppe 9 der für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebenden Vergütungsordnung aufgestellt sind.

1. Nach der mit Wirkung vom vereinbarten „Gesamtbetriebsvereinbarung über ein Entgeltsystem für ver.di zwischen dem Bundesvorstand der ver.di und dem Gesamtbetriebsrat der ver.di“ (GBV Entgeltsystem) sind für die Eingruppierung des Klägers folgende Regelungen maßgebend:

152. Der Kläger erfüllt die Anforderungen des von ihm für zutreffend gehaltenen und in der Entgeltgruppe 9 Nr. 9.1.1 nach § 8 GBV Entgeltsystem geregelten Tätigkeitsmerkmals nicht.

16a) Die Auslegung einer Betriebsvereinbarung richtet sich wegen ihres normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist danach zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Gebrauchen die Parteien einer Betriebsvereinbarung einen Begriff, der allgemein in bestimmter Bedeutung angewandt wird, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie ihn gleichfalls in diesem Sinne verstanden haben. Ist der Wortsinn nicht eindeutig, so ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der betrieblichen Regelungen zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Regelungswerk ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien liefern kann. Bleiben im Einzelfall gleichwohl noch Zweifel, können die Gerichte ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien zurückgreifen, wie etwa die Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwendung der Regelung. Zudem ist die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Unter mehreren Auslegungsmöglichkeiten ist derjenigen der Vorzug zu geben, die sich als gesetzeskonform erweist (st. Rspr., vgl. nur  - mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Auslegung Nr. 13).

17b) Unter Anlegung dieser Auslegungsmaßstäbe erfüllt der Kläger die Anforderungen des von ihm für zutreffend gehaltenen Tätigkeitsmerkmals eines Bezirksgeschäftsführers iSv. Entgeltgruppe 9 Nr. 9.1.1 nach § 8 GBV Entgeltsystem nicht.

18aa) Wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat, setzt das Tätigkeitsmerkmal eines Bezirksgeschäftsführers voraus, dass dieser auf der Grundlage der Satzung der Beklagten formell in das Amt berufen wurde. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang der Regelungen.

(1) Die nach der Entgeltgruppe 9 GBV Entgeltsystem zu vergütenden Tätigkeiten sind zwar im Oberbegriff (Einleitungssatz) dieser Entgeltgruppe ohne unmittelbaren Bezug zu einer formellen Funktion oder Stellung beschrieben worden. Die sodann aufgeführten Tätigkeitsbeispiele beschränken sich aber - soweit hier von Bedeutung - auf die Bezeichnung einer organisatorischen Funktion, mit der sowohl bestimmte Aufgaben als auch die Einbindung in eine formelle Hierarchie verbunden sind. Der hier maßgebende Begriff des/der „BezirksgeschäftsführerIn“ knüpft dabei an den entsprechenden Begriff in der Satzung der Beklagten an. Dort sind in § 29 die Aufgaben und die Besetzung der Stelle eines/r Bezirksgeschäftsführers/in geregelt:

20Diese satzungsmäßige Festlegung des Status und der Kompetenzen und Befugnisse eines/r Bezirksgeschäftsführers/in ist auch dem Tätigkeitsmerkmal in dem Wortlaut der GBV Entgeltsystem zu Grunde zu legen. Wenn die Betriebsparteien die Tätigkeit eines Bezirksgeschäftsführers in der Vergütungsordnung bewerten, so betrifft dies nur den satzungsmäßig berufenen Bezirksgeschäftsführer. Dass die Betriebsparteien insoweit auf den bloßen Inhalt der Tätigkeit des Beschäftigten abstellen wollten, ist nicht anzunehmen, da etwa in Entgeltgruppe 9 Nr. 9.1.1 GBV Entgeltsystem nicht die „Tätigkeit eines/r Bezirksgeschäftsführers/in“ genannt ist, sondern die Funktion eines/r „BezirksgeschäftsführerIn“.

21(2) Diese Anbindung der Eingruppierung in die Entgeltgruppen 9 (und 10) GBV Entgeltsystem an die formalisierten und nach Maßgabe der Satzung besetzten Funktionen innerhalb der Organisation der Beklagten zeigt sich auch daran, dass die Betriebsparteien bestimmt haben, dass unter die im Einleitungssatz zur Entgeltgruppe 9 GBV Entgeltsystem genannten Tätigkeiten „abschließend folgende Funktionen“ fallen und im Folgenden ua. das hier streitige Tätigkeitsmerkmal Nr. 9.1.1 „BezirksgeschäftsführerIn“ genannt worden ist. Die entsprechenden Funktionen sind demnach abschließend der Entgeltgruppe 9 zugeordnet.

22(3) Gleiches ergibt sich aus § 2 Nr. 4 GBV Entgeltsystem. Danach sind „die Funktionen, die in die Entgeltgruppen 9 oder 10 eingruppiert werden“, abschließend aufgeführt. Im vorliegenden Zusammenhang kann der Begriff der „Funktion“ nur dahingehend verstanden werden, dass mit ihm die formelle hierarchisch-organisatorische Stellung innerhalb der Organisation der Beklagten gemeint ist. Nach dem Willen der Betriebsparteien reicht damit die Übernahme der Funktion für die Eingruppierung in der entsprechenden Vergütungsgruppe aus. Zwischen verschiedenen Bezirksgeschäftsführern soll allein die Zahl der abgerechneten Mitglieder mit dem Stichwert 15.000 über die Eingruppierung entscheiden. Ist ein Beschäftigter kein Bezirksgeschäftsführer (mehr), entfällt danach die Eingruppierung nach Entgeltgruppe 9 Stufe 1 Nr. 9.1.1 (oder Stufe 2 Nr. 9.2.1) GBV Entgeltsystem.

23(4) Ferner spricht die Sonderregelung in § 4 GBV Entgeltsystem für die hier vertretene Auslegung.

24(a) Die Betriebsparteien haben in § 4 GBV Entgeltsystem („Eingruppierung in besonderen Fällen“) geregelt, dass die Eingruppierung in bestimmte Fallgruppen der Entgeltgruppe 9 „befristet für die Dauer der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit“ erfolgt und dass bei „Beendigung der Tätigkeit“ die Vergütung mindestens aus der Stufe 3 der Entgeltgruppe 7 GBV Entgeltsystem zu gewähren ist. Bei den genannten Funktionen bzw. Tätigkeiten der Entgeltgruppe 9 ist damit sichergestellt worden, dass nur so lange die entsprechende Vergütung erfolgen soll, wie die Funktion tatsächlich ausgeübt wird. Daraus ergibt sich eine notwendige Verbindung zwischen Eingruppierung und Funktionsausübung.

25(b) Anders als bei der Funktion eines/r Bezirksgeschäftsführers/in, bei der sich diese Verbindung aus dem Wortlaut des Oberbegriffs zur Entgeltgruppe 9 und aus § 2 Nr. 4 GBV Entgeltsystem ergibt, bedurfte die Eingruppierung der in § 4 GBV Entgeltsystem genannten Tätigkeiten einer Sonderregelung.

26(aa) In § 4 GBV Entgeltsystem sind folgende Funktionen ausdrücklich erwähnt: die Landesfachbereichsleiter (Nr. 9.1.2, 9.2.2 und 9.3.2) sowie die Tätigkeit der Leitung strategisch wichtiger (1) Bundesfachgruppen mit Tarifverantwortung oder (2) Bereiche innerhalb eines Bundesfachbereichs mit besonderer ebenenübergreifender Führungsfunktion für einen Bundesfachbereich (Nr. 9.2.5). Hierzu sollte eine abschließende Aufzählung in einer gesonderten Anlage 2 zur GBV Entgeltsystem noch verhandelt werden.

27(bb) Die Ausübung der hier gesondert genannten Funktionen ist im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen von Tätigkeitsmerkmalen nicht in gleicher Weise klar und eindeutig geregelt wie die Übertragung des Amtes eines Bezirksgeschäftsführers.

28Die in der Fallgruppe Nr. 9.2.5 genannten Funktionen sind in der Satzung nicht abschließend und eindeutig bestimmt. Dies zeigt sich schon in der Benutzung von unbestimmten Rechtsbegriffen im Tätigkeitsmerkmal („strategisch wichtige Bundesfachgruppen“, „besondere ebenenübergreifende Führungsfunktion“).

29Die in den Fallgruppen Nr. 9.1.2, 9.2.2 und 9.3.2 genannten Landesfachbereichsleiter sind nach der Satzung von ver.di zwar in ähnlich formalisierter Weise zu bestellen wie das beim Bezirksgeschäftsführer der Fall ist. Sie werden vom Landesbezirksfachbereichsvorstand vorgeschlagen und nach Abstimmung mit dem Bundesfachbereichsvorstand vom Bundesvorstand für die Dauer von vier Jahren bestellt (§ 56 Satzung ver.di). Der Sonderregelung zur Eingruppierung bedarf es aber insofern, als die Bestellung zum Landesfachbereichsleiter auf Zeit, nämlich auf vier Jahre erfolgt. Eine solche Zeitbeschränkung ist bei der Funktion eines Bezirksgeschäftsführers nicht vorgesehen. Dementsprechend stellt die Entgeltordnung klar, wie sich der Ablauf der Bestellung zum Landesfachbereichsleiter auf die Eingruppierung des Beschäftigten auswirkt.

30(cc) Bei der Schließung dieser „Regelungslücke“ haben die Betriebsparteien das sich beim Bezirksgeschäftsführer aus den allgemeinen Regelungen und der Systematik ergebende Prinzip - die untrennbare Verbindung von Funktion und Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 GBV Entgeltsystem - in der Sache durch die Sonderregelung bestätigt, dass die Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 nur so lange erfolgt wie die dort genannte Funktion tatsächlich ausgeübt wird. Läuft die „Amtszeit“ als Landesfachbereichsleiter/in ab, ist damit die Abgruppierung verbunden (mindestens in Stufe 3 der Entgeltgruppe 7).

31bb) Die so bestimmten Anforderungen der Fallgruppe Nr. 9.1.1 der Entgeltgruppe 9 GBV Entgeltsystem erfüllt der Kläger nicht. Denn er ist nicht nach Maßgabe von § 29 Abs. 2 Satzung ver.di zum Bezirksgeschäftsführer der Beklagten bestellt worden. Dies behauptet der Kläger auch nicht.

32cc) Der daraus folgenden Klageabweisung kann der Kläger auch nicht erfolgreich entgegenhalten, dass er aufgrund der besonderen Umstände seiner Tätigkeit in der Zeit des Übergangs der Gründungsgewerkschaften auf ver.di eingruppierungsrechtlich so zu behandeln wäre, als sei er Bezirksgeschäftsführer, weil er bei der Gewerkschaft HBV als geschäftsführender Gewerkschaftssekretär tätig war und deshalb auf die Position eines Bezirksgeschäftsführers überzuleiten gewesen wäre.

33(1) Zum Vereinigungsprozess der Gewerkschaft ver.di sah die Satzung vom Oktober 2003 idF vom 29./ in §§ 78 bis 97 eine Reihe von Übergangsregelungen vor. Hinsichtlich der organisatorischen Strukturen und der Besetzung der entsprechenden Leitungsfunktionen ist dort für die Bezirke ua. bestimmt, dass „bis zur zweiten ordentlichen Bezirkskonferenz“ die Bezirksgeschäftsführung sich jeweils aus einem hauptamtlichen Geschäftsführer und vier Stellvertretern zusammensetzt; diese fünf Personen gehören je einer der fünf Gründungsgewerkschaften an. Für die Auswahl der jeweiligen Personen hatten die Gründungsgewerkschaften ein Benennungsrecht (§ 86 Abs. 3 Satz 2 Satzung ver.di). Im Bezirk E war nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers die Besetzung des Bezirksgeschäftsführers der Gewerkschaft HBV vorbehalten; aus den anderen vier Gründungsgewerkschaften sollten die Stellvertreterposten besetzt werden. Als geschäftsführender Gewerkschaftssekretär der HBV war der Kläger für die Geschäftsführung dieses neuen ver.di-Bezirks vorgesehen. Angesichts seiner konkreten Situation - Betriebsratstätigkeit, vorgesehene Freistellung, in naher Zukunft liegende Altersteilzeit und bevorstehendes Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis - verzichtete er auf diese Position. Mit seinem Einverständnis wurde die geschäftsführende Sekretärin der HBV-Bezirksverwaltung S in H von der HBV für die Bezirksgeschäftsführung vorgeschlagen und dann auch satzungsgemäß benannt. Seit der zweiten ordentlichen Bezirkskonferenz am ist die Bezirksgeschäftsführung E anderweitig, jedenfalls weiterhin nicht mit dem Kläger besetzt. Der Kläger war in dieser Zeit ohne schriftliche Änderung seines Arbeitsvertrages mit der Gewerkschaft HBV freigestelltes Betriebsratsmitglied, wurde sodann in der Geschäftsstelle der Beklagten in G beschäftigt und ist anschließend in die Freistellungsphase der Altersteilzeit eingetreten.

34(2) Aus diesem Sachverhalt erschließt sich nicht, warum der Kläger eingruppierungsrechtlich so zu behandeln sein sollte, als wäre er zum Bezirksgeschäftsführer bestellt worden. Hierfür besteht keine Anspruchsgrundlage. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot für Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 4, § 78 BetrVG kommt nicht in Betracht. Insoweit mangelt es bereits an den in § 37 Abs. 4 BetrVG vorausgesetzten vergleichbaren Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - geschäftsführende Gewerkschaftssekretäre einer Gründungsgewerkschaft im Bezirk E waren und - anders als der Kläger - Bezirksgeschäftsführer geworden sind. Eine Benachteiligung nach § 78 BetrVG scheidet aus, weil es allein die Entscheidung des Klägers war, weder in der Übergangszeit als Bezirksgeschäftsführer tätig zu sein noch sich zur zweiten ordentlichen Bezirkskonferenz am für eine solche Funktion nach Maßgabe der Satzung zu bewerben. Die Beklagte hat daraufhin sowohl in der Übergangsphase als auch für die Zeit nach dem eine andere Person als Bezirksgeschäftsführer/in bestellt. Dass die private Disposition des Klägers die organisationspolitischen Belange der Beklagten im Auge gehabt hat, wie der Kläger vorträgt, kann nicht dazu führen, dass er von der Beklagten so zu vergüten wäre, als habe er diese Disposition nicht getroffen, sei zum Bezirksgeschäftsführer ernannt worden und übe diese Funktion auch aus - das alles ungeachtet der satzungsentsprechenden tatsächlichen Bestellung einer anderen Person zum/r Bezirksgeschäftsführer/in und dessen/deren Ausübung der Funktion.

353. Eine mögliche Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 nach § 8 GBV Entgeltsystem hat das Landesarbeitsgericht entgegen der Revision zu Recht nicht geprüft. Eine solche ist nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

36a) Grundsätzlich beinhaltet die gerichtliche Geltendmachung eines quantifizierten Leistungsanspruchs auch die Geltendmachung eines Anspruchs, der in seiner Höhe unterhalb des bezifferten (Haupt-)Anspruchs liegt. Aus § 308 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass das Zivilgericht deshalb ein Weniger zuerkennen darf und muss, wenn es in dem Sachantrag des Klägers enthalten, dieser aber nicht in voller Höhe begründet ist. Dies begründet die Verpflichtung des Gerichts, auch bei Klagen, die sich auf eine bestimmte Eingruppierung stützen, ohne gesonderten Antrag zu überprüfen, ob die Klage nicht insoweit teilweise begründet ist, als die quantitativ niedrigeren Anforderungen auf eine nicht ausdrücklich geltend gemachte - niedrigere - Eingruppierung gestützt werden können. Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich bei dem - möglicherweise - begründeten Teil der Klage nicht um ein Weniger, sondern um etwas Anderes handelt. Bei auf eine bestimmte Eingruppierung gestützten Zahlungsklagen bedeutet dies, dass eine solche Prüfungsverpflichtung durch das Gericht nur dann besteht, wenn die - evtl. gegebene - niedrigere Vergütungsgruppe als ein Weniger in der höheren Vergütungsgruppe materiell enthalten ist. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um sog. Aufbaufallgruppen handelt, die Erfüllung der Anforderungen des höherwertigen Tätigkeitsmerkmals also zwingend die Erfüllung der Anforderungen des niedrigerwertigen Tätigkeitsmerkmals voraussetzt (vgl. dazu ausf.  - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 308).

37b) Ein solche Konstellation einer Aufbaufallgruppe liegt im Verhältnis zwischen der Entgeltgruppe 9 und der Entgeltgruppe 8 GBV Entgeltsystem nicht vor.

38aa) Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass das hier vom Kläger reklamierte Tätigkeitsmerkmal Nr. 9.1.1 GBV Entgeltsystem an die formelle Bestellung zum Bezirksgeschäftsführer gebunden ist. Dieses Merkmal beinhaltet gerade nicht die Erfüllung bestimmter Anforderungen an die Tätigkeit, wie sie etwa in den Oberbegriffen der Entgeltgruppen 7 und 8 GBV Entgeltsystem verlangt werden, sondern knüpft allein („abschließend“) an die satzungsmäßige Betrauung mit der entsprechenden Funktion an.

39bb) Im Übrigen stehen auch die Oberbegriffe der Entgeltgruppen 8 und 9 GBV Entgeltsystem nicht in einem Stufenverhältnis. Die Anforderungen der Entgeltgruppe 8 GBV Entgeltsystem bauen allein auf den Anforderungen der Entgeltgruppe 7 auf und setzen deren Erfüllung voraus, indem sie zusätzlich die Heraushebung durch „besonders schwierige Koordinations- oder Spezialaufgaben“ verlangen. Die Merkmale der Entgeltgruppe 7 GBV Entgeltsystem hingegen sind in den Merkmalen der Entgeltgruppe 9 GBV Entgeltsystem nicht denknotwendig enthalten. Sie beschreiben die Anforderungen an eine eigenständig strukturierte Ebene von Aufgaben innerhalb der Organisation. Die Tätigkeit oder Eigenschaft eines/r Bezirksgeschäftsführers/in setzt nicht formell auf die Erfüllung der Anforderungen zB eines/r Gewerkschaftssekretärs/in auf.

40cc) Ferner wird der Kläger von der Beklagten bereits nach Entgeltgruppe 7 Stufe 3 GBV Entgeltsystem vergütet. Wollte er - zumindest hilfsweise - die Eingruppierung in der Entgeltgruppe 8 GBV Entgeltsystem geltend machen, hätte er zur Erfüllung der dort im Obersatz genannten Heraushebungsmerkmale („Tätigkeiten, die sich als besonders schwierige Koordinations- oder Spezialaufgaben aus der Entgeltgruppe 7 herausheben“) Tatsachen vortragen müssen. Der Kläger geht aber ausdrücklich davon aus, dass er keine Tätigkeiten nach Entgeltgruppe 7 GBV Entgeltsystem auszuüben hat. Dementsprechend scheidet bereits nach seinem eigenen Vortrag eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe 8 GBV Entgeltsystem aus.

III. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Fundstelle(n):
BB 2012 S. 1920 Nr. 31
DB 2012 S. 2401 Nr. 42
TAAAE-13851