Steuerberaterhaftung: Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens bei Empfehlung einer verdeckten GmbH-Sacheinlage
Gesetze: § 280 BGB
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 16 U 23/07 Urteilvorgehend LG Hanau Az: 1 O 653/06
Gründe
1Die Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf.
I.
2Die Rügen, welche sich gegen die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts wenden, wonach dem Kläger im Rechtssinne kein Schaden entstanden ist, lassen keinen durchgreifen Zulassungsgrund erkennen.
31. Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe in symptomatischer Wiederholungsgefahr die Anforderungen an die Erheblichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens verkannt.
4Insoweit ist bereits den Darlegungserfordernissen im Blick auf den geltend gemachten Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht genügt. Eine Wiederholungs- oder Nachahmungsgefahr ist von der Beschwerde nicht dargelegt worden. Eine die Zulassung gestattende strukturelle Wiederholungsgefahr scheidet aus, weil sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht verallgemeinern und auf eine nicht unerhebliche Zahl künftiger Sachverhalte übertragen lässt (vgl. , BGHZ 159, 135, 139). Außerdem fehlt es an dem gebotenen Obersatzvergleich (, WM 2011, 1196 Rn. 3 ff).
52. Davon abgesehen ist vorliegend nicht die Konstellation eines rechtmäßigen Alternativverhaltens gegeben. Darum stellt sich nicht die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, unter welchen Voraussetzungen dieser Einwand zu berücksichtigen ist.
6a) Der Begriff des rechtmäßigen Alternativverhaltens umschreibt Fälle, in denen der Schädiger geltend macht, der durch sein rechtswidriges Verhalten tatsächlich verursachte Schaden wäre auch dann eingetreten, wenn er eine von der verletzten Pflicht verschiedene andere selbständige Pflicht erfüllt hätte. Der Einwand setzt also voraus, dass das von dem Schädiger zu verantwortende Verhalten für den Schaden kausal geworden ist. Er betrifft die erst danach auftretende Frage, ob diese auf die Pflichtverletzung ursächlich zurückzuführenden Folgen dem Schädiger billigerweise zugerechnet werden können (, WM 2002, 2325, 2326). Die Grundsätze des rechtmäßigen Alternativverhaltens sind hier schon deshalb nicht anwendbar, weil die dem Beklagten vorgeworfene Pflichtverletzung keinen Schaden hervorgerufen hat. Bemisst sich - wie das Berufungsgericht angenommen hat - der Wert der Patente mit höchstens 300.000 DM, kann dem Kläger mit Rücksicht auf die Höhe der von ihm übernommene Einlage und seine fortbestehende Zahlungspflicht von vornherein kein Schaden entstanden sein. Fehlt es aber an einem kausalen Schadenseintritt, ist für die Grundsätze des rechtmäßigen Alternativverhaltens kein Raum.
7b) Soweit die Beschwerde geltend macht, die Überbewertung der Sacheinlage stehe einer Ersatzpflicht des Beklagten nicht entgegen, weil davon auszugehen sei, dass das Registergericht die Sachkapitalerhöhung ohne weitere Werthaltigkeitsprüfung eingetragen hätte, sind vielmehr die Grundsätze des normativen Schadensbegriffs heranzuziehen.
8Es scheint bereits fraglich, ob das Berufungsgericht in Anwendung von § 287 ZPO zu der Annahme einer Eintragung der Sachkapitalerhöhung durch das Registergericht gelangen konnte, weil die Vorschrift unanwendbar ist, wenn die Zurechnung von der Mitwirkungsbereitschaft einer anderen Person abhängt (, WM 2006, 927 Rn. 30). Jedenfalls stellt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Verlust einer tatsächlichen oder rechtlichen Position, deren Erhalt der Geschädigte nach der Rechtsordnung nicht beanspruchen kann, keinen ersatzfähigen Schaden dar (, WM 2007, 419 Rn. 31 mwN). Vor diesem Hintergrund kann der Kläger nicht verlangen, schadensrechtlich so gestellt zu werden, wie wenn trotz eines tatsächlichen Werts von lediglich 150.000 DM eine Sacheinlage über 300.000 DM in das Handelsregister eingetragen worden wäre. Wie die Differenzhaftung aus § 9 Abs. 1 Satz 1 GmbHG belegt, begründet die Handelsregistereintragung zugunsten des Gesellschafters keine rechtlich geschützte Position (vgl. , BGHZ 79, 223, 229).
II.
9Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, soweit das Berufungsgericht auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens den Wert der Patente mit höchstens 300.000 DM bemessen hat.
101. Es mag sein, dass das Berufungsgericht - wie die Beschwerde rügt - verpflichtet war, wegen der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingeholten ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen nochmals in die mündliche Verhandlung einzutreten. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt jedoch keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung (BVerfGE 36, 85, 87; 89, 381, 391; BVerfG, NJW 2012, 443). Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger einen Antrag auf mündliche Anhörung der Sachverständigen gestellt hätte.
112. Die Rüge der Beschwerde, der Sachverständigen sei die in der Akte befindliche Grundkalkulation der m. GmbH für drei verschiedene nach dem patentierten Verfahren beschichtete Produkttypen nicht zugänglich gemacht worden, ist nicht entscheidungserheblich.
12Insoweit hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Ermittlung der analytischen Lizenzrate sei allein deshalb erfolgt, die anhand öffentlich verfügbarer Quellen festgestellte Lizenzrate zu verifizieren. Dabei handele es sich weder um die alleinige Bewertungsgrundlage, noch könne ein höherer Wert automatisch zu einer höheren Lizenzrate führen. Auch die Beschwerde macht nicht geltend, dass sich unter Berücksichtigung der Unterlagen eine höhere Lizenzrate ergeben hätte. Im Blick auf die weiteren Ausführungen der Beschwerde, wonach das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieser Grundkalkulation das Gutachten der Sachverständigen als nicht ausreichend erachtet hätte, fehlt es an einer aus sich heraus verständlichen nachvollziehbaren Darlegung. Insbesondere sind mit Rücksicht auf die Ausführungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das Gutachten lückenhaft und daher sachlich schlechthin unhaltbar ist.
133. Soweit die Beschwerde die weitere Würdigung des Berufungsgerichts zum Wert der Patente beanstandet, ist der Schutzbereich des Art. 103 Abs. 1 GG nicht berührt. Das Prozessgrundrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht des Gerichts, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (, WM 2011, 1087 Rn. 13 mwN).
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Fundstelle(n):
IAAAE-13188