BFH Beschluss v. - III B 2/11

Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten nur bei Nachweis der Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers

Gesetze: EStG § 4f Satz 5, EStG § 35a, EStG § 33c, FGO § 127

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor oder wurden nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

2 1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der geänderte Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom . Das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) ist nicht wegen Ergehens dieses Änderungsbescheids aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.

3 a) Im Laufe des Verfahrens ist der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr geändert worden. Der geänderte Bescheid vom ist entsprechend § 68 i.V.m. § 127 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom II B 31/00, BFHE 204, 35, BStBl II 2004, 237; vom X B 39/07, BFH/NV 2008, 965; vom X B 60/07, BFH/NV 2009, 205).

4 b) Ergeht während des Verfahrens über eine zulässige, aber unbegründete Nichtzulassungsbeschwerde ein Änderungsbescheid, ist die Vorentscheidung grundsätzlich entsprechend § 127 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Die Vorentscheidung ist jedoch nicht aufzuheben, wenn der Änderungsbescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder diese Entscheidung nicht streitig ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 965). So liegt der Fall hier. Über die Änderung besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

5 2. Die von den Klägern sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob es gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt, dass § 4f Satz 5 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung (EStG) den Abzug von Kinderbetreuungskosten von der Voraussetzung abhängig macht, dass der Steuerpflichtige die Aufwendung durch die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung nachweist, hat keine grundsätzliche Bedeutung.

6 a) Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (z.B. , BFH/NV 2012, 214, m.w.N.).

7 b) Die von den Klägern aufgeworfene Frage ist in der Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt. So hat der BFH im Anwendungsbereich des § 35a EStG die Ungleichbehandlung zwischen baren und unbaren Zahlungsvorgängen als durch das am Gemeinwohl orientierte Ziel gerechtfertigt angesehen, die Schwarzarbeit im Privathaushalt zu bekämpfen (vgl. , BFHE 223, 430, BStBl II 2009, 307; vom VI R 43/08, BFH/NV 2009, 1113). Ferner ist geklärt, dass der Gesetzgeber bei Erwerbsaufwendungen, die die Privatsphäre des Steuerpflichtigen berühren, besondere formelle Anforderungen an die Abziehbarkeit stellen kann, wie es z.B. in § 4 Abs. 7 EStG geschehen ist (hierzu z.B. , BFHE 152, 509, BStBl II 1988, 613). Die Frage, ob das Nachweiserfordernis in § 4f Satz 5 EStG verfassungsgemäß ist, ist danach nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Mit § 4f Satz 5 EStG verfolgte der Gesetzgeber dieselben Zwecke wie mit den inhaltsgleichen Regelungen in § 10 Abs. 1 Nr. 8 Satz 6 EStG und § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG (vgl. BTDrucks 16/643, S. 9 f. einerseits, BTDrucks 15/91, S. 19, und BTDrucks 16/6739, S. 14 andererseits). Es sollen Anreize gegeben werden, legale Beschäftigungsverhältnisse in Privathaushalten zu schaffen, Missbrauch soll vorgebeugt und die Schwarzarbeit bekämpft werden. Die Regelungen haben damit einen Lenkungszweck, der die unterschiedliche Behandlung von Zahlungsvorgängen zu rechtfertigen vermag, unabhängig davon, ob es sich bei dem Abzugstatbestand um eine Steuervergünstigung wie § 35a EStG, eine Sonderausgabe wie § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG (hierzu Kulosa in Herrmann/Heuer/ Raupach —HHR—, § 10 EStG Rz 264) oder um eine Norm handelt, die, wie § 4f EStG, die verfassungsrechtlich grundsätzlich gebotene Berücksichtigung zwangsläufiger Kinderbetreuungskosten bezweckt (vgl. , BVerfGE 112, 268, betr. erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten). Denn auch diese Art von Aufwendungen ist zumindest privat mitveranlasst (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 268, unter C.II.1. der Gründe; , BFHE 225, 28, BStBl II 2010, 267; HHR/Fissenewert, § 12 EStG Rz 43, m.w.N. aus der Rechtsprechung) und hat einen engen Bezug zur räumlichen Privatsphäre; vielfach findet die Betreuung im Privathaus des Steuerpflichtigen statt (z.B. Au-Pair-Mädchen, angestellte Kinderfrau, Babysitter). Auch bei außerhäuslichen Betreuungsformen (z.B. Tagesmutter, Betreuung bei Großeltern oder anderen Verwandten) bestehen erhebliche Schwarzarbeitsrisiken und Missbrauchsgefahren (vgl. Hey, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2006, 2001 mit Beispielen), denen der Gesetzgeber entgegentreten durfte.

8 c) Auch das weitere Beschwerdevorbringen, wonach die Tagesmutter im Streitfall auf Barzahlung bestanden hat, begründet keinen Klärungsbedarf. Dieser Gesichtspunkt vermag die Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm nicht zu bewirken. Denn auch bei der steuerlichen Behandlung von Unterhaltskosten, wozu die Kinderbetreuungskosten gehören, ist die grundsätzliche Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Er darf grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 268, m.w.N.). Der Gesetzgeber des § 4f EStG durfte davon ausgehen, dass angesichts der weiten Verbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs von den Steuerpflichtigen die Abzugsvoraussetzungen gemäß § 4f Satz 5 EStG typischerweise erfüllt werden können. Dem Sonderfall, dass sich ein Leistungserbringer, wie im Streitfall geschehen, trotz offenbar vorhandener Bankverbindung ohne rational nachvollziehbaren Grund der bargeldlosen Zahlung verweigert, musste der Gesetzgeber nicht Rechnung tragen.

9 3. Soweit die Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam halten, ob die Beschränkung des Abzugs erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten auf zwei Drittel der Aufwendungen und einen Höchstbetrag von 4.000 € verfassungsgemäß ist, genügt die Beschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

10 a) Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO begehrt, dann muss der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellen, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Vor allem sind, sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (z.B. Senatsbeschluss vom III B 14/03, BFH/NV 2004, 224). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm gerügt, so hat der Beschwerdeführer nicht nur konkret auf die Rechtsfrage —und damit auf Sinn und Zweck sowie den systematischen Zusammenhang der in Frage stehenden Vorschrift—, sondern u.a. auch darauf einzugehen, von welcher Seite und aus welchen Gründen ein Verstoß gegen das GG angenommen wird (z.B. Senatsbeschluss vom III B 153/07, BFH/NV 2008, 2009, m.w.N.).

11 b) Diesen Vorgaben entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung und der reichhaltigen Literatur (z.B. Hey, NJW 2006, 2001; Seiler, Deutsches Steuerrecht 2006, 1631; Hölzer, NJW 2008, 2145) fehlt. So hat das BVerfG in seinem Beschluss in BVerfGE 112, 268 ausdrücklich festgestellt, dass der Gesetzgeber mit einer sachgerechten Pauschalierung eine Obergrenze festlegen und damit bestimmen könne, inwieweit die dem Grunde nach zwangsläufigen Kinderbetreuungskosten im typischen Fall auch der Höhe nach zwangsläufig sind. Der BFH hat auf der Basis dieser Rechtsprechung entschieden, dass die Begrenzung der steuerlichen Berücksichtigung des erwerbsbedingten Betreuungsaufwands nach § 33c EStG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung vom EStG a.F.— (BGBl I 2001, 2074) verfassungsgemäß ist (Urteil vom III R 108/07, BFH/NV 2008, 1822). Auch die in § 33c EStG a.F. enthaltene Regelung, nach der Kinderbetreuungskosten nur insoweit berücksichtigt werden, als sie je Kind bei zusammenlebenden, beiderseits berufstätigen Elternteilen den „Sockelbetrag” von 1.548 € übersteigen, ist danach im Zusammenspiel mit dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (§ 32 Abs. 6 EStG) verfassungsgemäß (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1822). Wenn sich die Kläger mit dieser Rechtsprechung auseinandergesetzt hätten, wäre auch der naheliegende Gedanke zu erörtern gewesen, ob nicht der „Sockelbetrag” des § 33c EStG a.F. dem gemäß § 4f Satz 1 EStG nicht abziehbaren Drittel der Aufwendungen entsprechen könnte und die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbeschränkungen folglich als hinreichend geklärt zu gelten hätte.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2012 S. 1305 Nr. 8
EStB 2012 S. 292 Nr. 8
StBW 2012 S. 677 Nr. 15
HAAAE-12669