Steuerliche Behandlung des Ausscheidens von Mitgliedern aus land- und forstwirtschaftlich tätigen Genossenschaften
1. Gesetzliche Einführung des § 17 Abs. 7 EStG
Mit den Änderungen durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom , BStBl 2007 I S. 4, ist der § 17 Abs. 7 EStG in das Gesetz aufgenommen worden:
‚(7) Als Anteile i. S. d. Absatzes 1 Satz 1 gelten auch Anteile an einer Genossenschaft einschließlich der Europäischen Genossenschaft.‘
Mangels einer eigenen Anwendungsregelung sind die Änderungen des § 17 EStG durch das SEStEG ab in Kraft (Verkündung im BGBl. 2006 I S. 2782 am ) getreten. Damit ist § 17 Abs. 7 EStG erstmalig für Übertragungen anzuwenden, bei denen das wirtschaftliche Eigentum ab dem übergeht.
Neben der Beendigung der Mitgliedschaft durch Übertragung des Geschäftsguthabens (§ 76 Genossenschaftsgesetz – GenG) kann das Mitglied auch seine Mitgliedschaft zum Schluss eines Geschäftsjahres kündigen (§ 65 GenG) und damit ebenfalls aus der Genossenschaft ausscheiden. In diesem Fall gibt das Mitglied seine Geschäftsanteile an die Genossenschaft zurück. Die vermögensrechtliche Abwicklung der Mitgliedschaft ergibt sich aus § 73 GenG (Auseinandersetzung), wonach im Regelfall eine Auszahlung des am Ende des Geschäftsjahres des Ausscheidens vorhandenen Geschäftsguthabens erfolgt. Beide Sachverhalte sind gem. § 17 Abs. 7 EStG steuerlich zu würdigen.
2. Berechnung der Beteiligungsquote gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG bei Genossenschaftsanteilen
Die Beteiligungsquote ist unter Zugrundelegung der Höhe der tatsächlich gezeichneten Geschäftsanteile des einzelnen Mitglieds im Verhältnis zur Höhe der insgesamt gezeichneten Geschäftsanteile aller Mitglieder zu ermitteln. Die ggf. der Höhe nach laut Satzung vorgegebene Möglichkeit des Erwerbs von Geschäftsanteilen ist insoweit ohne Belang. Bei der eingetragenen Genossenschaft entspricht der Geschäftsanteil eines Genossen damit dem Anteil eines Gesellschafters am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft.
In der Satzung der eG ist festgelegt, dass ein Mitglied sich mit weiteren, jedoch maximal mit 20 Geschäftsanteilen beteiligen kann (ein Geschäftsanteil ist von Gesetz wegen zwingend). Der Geschäftsanteil beträgt 500 €. Das Genossenschaftsmitglied K ist mit 15 Geschäftsanteilen beteiligt. An der eG sind weitere 20 Mitglieder beteiligt, die insgesamt 200 Geschäftsanteile inne haben.
Der K ist somit an der eG mit einem prozentualen Anteil von rund 7 % beteiligt. Ein etwaiges Ausscheiden des K aus der eG unterliegt den Regelungen des § 17 EStG.
Eine Berechnung der Beteiligungsquote nach der Höhe des Geschäftsguthabens der Genossen scheidet dagegen aus. Als veränderliche Rechengröße gibt das Geschäftsguthaben die tatsächliche Höhe der finanziellen Beteiligung des Mitglieds an der Genossenschaft an. Das Geschäftsguthaben des einzelnen Mitglieds ermittelt sich aus seinen Einzahlungen zuzüglich etwaiger Gewinnzuschreibungen und abzüglich etwaiger Verlustzuweisungen (vgl. Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 3. Auflage, § 7 GenG Rdnr. 5).
3. Bemessung der Anschaffungskosten
Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben (§ 255 HGB).
In der Satzung der Genossenschaft muss festgelegt sein, zu welchen Einzahlungen auf den Geschäftsanteil jedes Mitglied verpflichtet ist (Pflichteinzahlung, § 7 GenG). Die Angabe eines Prozentbetrages und ein Zeitpunkt, zu dem die Zahlungen zu leisten sind, sind hierfür ausreichend. Das Mitglied ist damit nicht verpflichtet, seine Einzahlung auf den erworbenen Geschäftsanteil in vollem Umfang und unverzüglich zu erbringen.
Als Anschaffungskosten auf die Beteiligung an einer Genossenschaft sind nur die tatsächlich geleisteten Einzahlungen auf den Geschäftsanteil zu berücksichtigen (u. U. nur der Betrag der Pflichteinzahlung). Die Beweislast für die Erfüllung der Einlageverpflichtung liegt grundsätzlich bei dem sich darauf berufenen Mitglied der Genossenschaft. Dennoch sind weitere Indizien, z. B. die buchmäßige Behandlung der Einlage bei der Genossenschaft, im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen (vgl. , BStBl 2011 II S. 718 , zum Nachweis der Einzahlung der Stammeinlage in eine GmbH).
4. Ermittlung der Anschaffungskosten in Fällen der Geltung des DM-Bilanzgesetzes
Für Steuerpflichtige, die bereits Mitglied einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) waren und ihre Mitgliedschaft in der umgewandelten Genossenschaft fortgesetzt haben, können Anschaffungskosten auf den Geschäftsanteil nicht nach den Grundsätzen der Tz. 3 ermittelt werden.
Für die Ermittlung von Anschaffungskosten von Beteiligungen i. S. d. § 17 EStG an umgewandelten Kapitalgesellschaften ist anerkannt, dass entsprechend den Regelungen in § 52 Abs. 2 Satz 1 DMBilG i. V. m. § 11 DMBilG der Wert der Beteiligung in der Regel mit dem Wert anzusetzen ist, der dem Anteil am Eigenkapital des Beteiligungsunternehmens entspricht (sog. Equity-Methode).
Darüber hinaus sind bei der Ermittlung der Anschaffungskosten für eine vorgenannte Beteiligung sowohl die Sonderrücklage nach § 27 Abs. 2 Satz 3 DMBilG als auch die Sonderrücklage nach § 17 Abs. 4 DMBilG als Bestandteil des maßgeblichen Eigenkapitals anzusehen und damit bei der Ermittlung der Anschaffungskosten anzusetzen.
Die Grundsätze für die Ermittlung der Anschaffungskosten von Beteiligungen i. S. d. § 17 EStG an umgewandelten Kapitalgesellschaften sind analog auch für die Ermittlung von Anschaffungskosten der Mitglieder an umgewandelten Genossenschaften folgender Fallgestaltungen anzuwenden:
Umwandlung zum ohne Anwendung des § 1 Abs. 5 DMBilG,
formwechselnde Umwandlung gem. § 23 LwAnpG i. V. m. § 69 Abs. 3 LwAnpG vom bis zum ohne Anwendung des § 1 Abs. 5 DMBilG und
Umwandlung vom bis zum und Anwendung des § 1 Abs. 5 DMBilG.
Bei der Ermittlung der Anschaffungskosten sind Wertänderungen auf Grund des § 36 DMBilG (Berichtigung von Wertansätzen) in den vorgenannten Fällen zu berücksichtigen (gemäß § 36 Absätze 1 bis 4 DMBilG für die Fälle a und c sowie gemäß § 36 Abs. 6 DMBilG für den Fall b).
Die besondere Ermittlung der Anschaffungskosten ist aber nur für die Geschäftsanteile maßgeblich, die das Mitglied durch Umwandlung der LPG in eine Genossenschaft erhalten hat und im Zuge des Ausscheidens aus der Genossenschaft nach Inkrafttreten des SEStEG überträgt. Soweit das Mitglied nach der Umwandlung weitere Geschäftsanteile hinzuerworben hat, sind die Ausführungen unter Tz. 3 zu beachten.
Mit , sind Bestimmungen über das Aufbewahren und Aussondern von Unterlagen in der Finanzverwaltung bekannt gemacht worden (ZOFF → Fachbereichs-Info → Handbücher → Organisations-Handbuch → Bestimmungen über das Aufbewahren und Aussondern von Unterlagen der Finanzverwaltung). Danach gelten keine Sonderbestimmungen für Steuerpflichtige (Genossenschaft), auf die die Regelungen des DMBilG anzuwenden waren. Sollten entsprechend diesen Bestimmungen bereits die DM-Eröffnungsbilanzen (inklusive ggf. vorhandener Änderungsbilanzen nach einer Betriebsprüfung) ausgesondert worden sein, ist das Mitglied, da sich die Anschaffungskosten steuermindernd auswirken, anzuhalten, geeignete Unterlagen zur Nachprüfbarkeit des geltend gemachten Betrages vorzulegen.
5. Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten auf den Geschäftsanteil
Nach den allgemeinen Grundsätzen gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Aufwendungen in diesem Sinne können die Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen bzw. die wertlose Rückgriffsforderung aus einer zu Gunsten der Gesellschaft eingegangenen Bürgschaft sein.
Im Gegensatz zu Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften werden diese Art von Finanzierungsmaßnahmen zu Gunsten der Genossenschaft durch ihre Mitglieder in der Regel nicht erbracht. Die Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten auf den Geschäftsanteil bei Genossenschaften braucht in derartigen Fällen somit nicht näher ausgeführt zu werden.
6. Behandlung von Zahlungen aus einer Ergebnisrücklage (sog. Beteiligungsfonds) im Rahmen der Kündigung der Mitgliedschaft nach § 65 GenG
Mitglieder einer Genossenschaft haben in Fällen der Kündigung der Mitgliedschaft (§ 65 GenG) grundsätzlich keinen anteiligen Anspruch auf die Rücklagen und das sonstige Vermögen der Genossenschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens (§ 73 Abs. 2 Satz 3 GenG). Sie haben nur Anspruch auf Auszahlung des am Ende des Geschäftsjahres des Ausscheidens aufgelaufenen Geschäftsguthabens, das sich aus den Einzahlungen des Mitglieds zuzüglich etwaiger Gewinnzuschreibungen und abzüglich etwaiger Verlustabschreibungen ergibt.
Damit werden ausscheidende Mitglieder einer Genossenschaft in der Regel – anders als Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft – nicht am Genossenschaftsvermögen beteiligt. Um langjährigen Mitgliedern jedoch bei Beendigung der Mitgliedschaft einen gewissen Zugriff zu dem von ihnen miterwirtschafteten genossenschaftlichen Vermögen (Substanzbeteiligung) zu eröffnen, gewährt § 73 Abs. 3 GenG die Möglichkeit der Beteiligung an einer Ergebnisrücklage (sog. Beteiligungsfonds). Einen Anspruch auf Auszahlung aus dieser Ergebnisrücklage können nur Mitglieder geltend machen, die u. a. ihre Einzahlung auf den Geschäftsanteil voll erbracht haben. Darüber hinaus wird vielfach eine Mindestdauer der Zugehörigkeit zur Genossenschaft wie auch das Erreichen einer Mindestaltersgrenze des ausscheidenden Mitglieds gefordert.
Leistungen der Genossenschaft können bei der Ermittlung eines Veräußerungsergebnisses nach § 17 EStG nur berücksichtigt werden, soweit die Auskehrung des Vermögens der Genossenschaft bei den Mitgliedern nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört. Eine Auskehrung ist danach aufzuteilen in
eine Kapitalrückzahlung im eigentlichen Sinne, die wie eine Anteilsveräußerung zu werten ist und
eine Auskehrung thesaurierter Gewinne (sonstige Rücklagen), die wie eine Gewinnausschüttung zu behandeln ist und zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen führt.
Bei der wirtschaftlichen Ausgestaltung dieser Art der ‚Beteiligung am Unternehmenswert‘ handelt es sich ausschließlich um thesaurierte Gewinne, welche im Rahmen der Beendigung der Mitgliedschaft an das Mitglied ausgeschüttet werden. Auszahlungen aus der Ergebnisrücklage sind somit als Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu behandeln.
7. Übertragung des Geschäftsguthabens
Nach § 76 Abs. 1 GenG kann jedes Mitglied sein Geschäftsguthaben jederzeit durch schriftliche Vereinbarung einem anderen ganz oder teilweise übertragen und hierdurch seine Mitgliedschaft ohne Auseinandersetzung beenden oder die Anzahl seiner Geschäftsanteile verringern (weitere Voraussetzungen/Einschränkungen siehe § 76 GenG). Diese Vorschrift ermöglicht, dass Mitglieder bereits mit Wirkung vor Abschluss eines Geschäftsjahres aus der Genossenschaft ausscheiden können.
Die Vollübertragung des Geschäftsguthabens führt zum Ausscheidens des übertragenden Mitglieds zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Übertragung. Die teilweise Übertragung des Geschäftsguthabens stellt sich dagegen nur als Verringerung der Geschäftsanteile dar, sodass das übertragende Mitglied weiterhin Mitglied der Genossenschaft bleibt.
Die Beendigung der Mitgliedschaft wie auch die Verringerung der Anzahl der Geschäftsanteile sind entsprechend § 69 GenG in die Mitgliederliste einzutragen; das Mitglied ist hierüber unverzüglich zu benachrichtigen (§ 76 Abs. 3 GenG; vgl. Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 3. Auflage, § 76 GenG Rdnr. 13).
Die teilweise wie auch die vollständige Übertragung des Geschäftsguthabens sind bei Vorliegen der maßgeblichen Beteiligungsquote von 1 % nach § 17 Abs. 1 i. V. m. Abs. 7 EStG zu besteuern.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Fälle des § 76 GenG bekannt geworden sind, in denen für den Erwerb des üblicherweise geringen Geschäftsguthabens ein sehr hoher Kaufpreis bezahlt wurde. Der Veräußerungsgewinn wurde fälschlicherweise auf der Anlage L als Veräußerungsgewinn nach § 16 EStG unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 34 Abs. 3 EStG erklärt. Auf eine korrekte Besteuerung nach § 17 EStG ist zu achten.
8. , und , BStBl 2011 II S. 86; BStBl 2011 I S. 16
Mit dem Beschluss vom hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG teilweise verfassungswidrig ist, ‚soweit ein im Zeitpunkt der Verkündung bereits eingetretener Wertzuwachs der Besteuerung unterworfen wird, der nach der zuvor geltenden Rechtslage bereits steuerfrei realisiert worden ist oder bis zur Verkündung steuerfrei hätte realisiert werden können, weil die alte Beteiligungsgrenze nicht überschritten war.‘
Des Weiteren stellt das Bundesverfassungsgericht aber auch klar, dass ‚soweit sich der einkommensteuerliche Zugriff auf die erst nach der Verkündung der Neuregelung eintretenden Wertsteigerungen beschränkt, begegnet dies unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, auch wenn die entsprechenden Wertsteigerungen nach Maßgabe des alten Rechts steuerfrei gewesen wären.‘
§ 17 Abs. 7 EStG (vgl. Tz. 1) ist erstmalig für Übertragungen anzuwenden, bei denen das wirtschaftliche Eigentum ab dem übergeht.
Ob die Rechtsgrundsätze des auf die Fälle des § 17 Abs. 7 EStG zu übertragen sind, ist derzeitig noch nicht abschließend geklärt. Daher ist die Versteuerung von Gewinnen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Mitgliedern aus land- und forstwirtschaftlichen Genossenschaften bis auf Weiteres zurückzustellen.
Oberfinanzdirektion Magdeburg v. - S 2244 – 78 – St 214
Fundstelle(n):
MAAAE-12650