Unerlaubtes Handeln mit Betäubungsmitteln: Voraussetzungen der unterschiedlichen rechtlich möglichen Verfallsanordnungen
Gesetze: § 73 Abs 2 S 2 StGB, § 73a S 1 StGB, § 73d StGB, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 33 Abs 1 Nr 2 BtMG
Instanzenzug: Az: 36 KLs - 150 Js 69/10 - 31/10
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Des Weiteren hat es den erweiterten Verfall in Höhe von 10.725 € und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 245.000 € angeordnet. Hiergegen richtet sich die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Verfallsanordnungen; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Nach den Feststellungen veräußerte der Angeklagte, der auch über die abgeurteilten Taten hinaus einen umfangreichen Kokainhandel betrieb, im September und Oktober 2009 aus drei Lieferungen 200, 500 und 400 g Kokainzubereitung zum Preis von mindestens 45 € pro Gramm (Taten II. 2, 3 und 5 der Urteilsgründe), wodurch er insgesamt 49.500 € erlöste. Am vereinbarte er mit einem Abnehmer die Lieferung von 500 g Kokainzubereitung. Das Rauschgift händigte der Angeklagte entweder selbst noch am selben Tag seinem Abnehmer gegen Erhalt einer Anzahlung auf den Kaufpreis aus, oder er ließ es am Folgetag, an dem der Angeklagte sich in den Libanon absetzte, durch einen "Geschäftspartner" an den Abnehmer übergeben (Tat II. 7 der Urteilsgründe). Erlöse aus Kokaingeschäften verwendete der Angeklagte, um einem Bekannten ein Darlehen in Höhe von 100.000 € zu gewähren und um im September 2009 ein Fahrzeug BMW X 6 zum Preis von 73.500 € zu erwerben. Die anlässlich der Festnahme beim Angeklagten und in der Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau aufgefundenen Bargeldbeträge von insgesamt 10.725 € rühren ebenfalls aus dem vom Angeklagten betriebenen Kokainhandel her.
3Den Verfall von Wertersatz hat die Strafkammer in Höhe der für die abgeurteilten Taten errechneten Erlöse zuzüglich der für die Gewährung des Darlehens und den Erwerb des Fahrzeugs verwendeten Beträge angeordnet. Hinsichtlich der sichergestellten Bargeldbeträge hat es auf den erweiterten Verfall erkannt.
II.
4Die Anordnung von Verfall und erweitertem Verfall im angefochtenen Urteil hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe aus der Tat II. 7 der Urteilsgründe 22.500 € erlangt, wird von den Feststellungen nicht getragen. Ferner hat die Strafkammer das Verhältnis von § 73 StGB zu § 73a StGB und die Unterschiede in den Anordnungsvoraussetzungen für den Verfall und erweiterten Verfall nicht hinreichend beachtet.
51. Soweit das Landgericht bei der Berechnung des Wertersatzverfalls davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe aus der Tat II. 7 der Urteilsgründe 22.500 € erlangt, wird dies von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Die Strafkammer hat nicht auszuschließen vermocht, dass das vom Angeklagten am abgesprochene Kokaingeschäft erst am Folgetag, als sich der Angeklagte in den Libanon absetzte, durch einen Geschäftspartner des Angeklagten abgewickelt wurde. Dass der Angeklagte selbst eine Gegenleistung erhielt oder an einem von seinem Geschäftspartner entgegengenommenen Erlös eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht erlangte (vgl. , BGHSt 56, 39 Tz. 19 f.), lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.
62. a) Bei der Anordnung des Verfalls nach § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein (vgl. , NStZ-RR 2010, 255). Dem Verfall unterliegt dabei das, was unmittelbar für die oder aus der abgeurteilten Tat erlangt worden ist. Soweit ein Zugriff auf das unmittelbar Erlangte nicht (mehr) möglich ist und von einem Verfall eines Ersatzgegenstandes gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen wird, ist nach § 73a Satz 1 StGB der Verfall eines Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall). Findet der erweiterte Verfall Anwendung, weil der Angeklagte wegen einer Tat verurteilt wird, für die das Gesetz (hier: § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG i.V.m. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) auf die Vorschrift des § 73d StGB verweist, erstreckt sich der Verfall auf Vermögensgegenstände des Angeklagten, die unmittelbar für oder aus rechtswidrigen Taten erlangt worden sind, ohne dass diese Taten im Einzelnen festgestellt werden müssen (vgl. , BGHSt 40, 371, 373). Als Verfallsgegenstände erfasst werden alle im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB aus rechtswidrigen Taten herrührenden Gegenstände oder deren Surrogate gemäß § 73d Abs. 1 Satz 3, § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB, die bei Begehung der den erweiterten Verfall eröffnenden Anknüpfungstat im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Strafrechtsänderungsgesetz - Erweiterter Verfall -, BT-Drucks. 11/6623 S. 8; BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 226/04, StraFo 2004, 394; vom - 3 StR 421/02, NStZ 2003, 422, 423; Urteil vom - 3 StR 541/00, BGHR StGB § 73d Gegenstände 4). Ist der Verfall eines bestimmten Gegenstandes nach der Anknüpfungstat ganz oder teilweise unmöglich geworden, ist nach § 73d Abs. 2 StGB in entsprechender Anwendung des § 73a StGB auf Wertersatzverfall in Höhe des Wertes des ursprünglich dem erweiterten Verfall unterliegenden Gegenstandes zu erkennen (vgl. , aaO). Im Verhältnis zur Verfallsanordnung nach § 73 StGB ist der erweiterte Verfall gemäß § 73d Abs. 1 StGB subsidiär. Die Anordnung des § 73d StGB setzt daher voraus, dass nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht festgestellt werden kann, dass die aus oder für rechtswidrige Taten erlangten Gegenstände aus solchen Taten herrühren, die Gegenstand der Verurteilung sind (vgl. , BGHR StGB § 73d Anwendungsbereich 3).
7b) Das Landgericht hat die zutreffend ermittelten Erlöse aus den Taten II. 2, 3 und 5 der Urteilsgründe in Höhe von insgesamt 49.500 € in voller Höhe der Anordnung des Wertersatzverfalls zugrunde gelegt. Nach den Feststellungen, die zur Herkunft der beim Angeklagten und in der Wohnung seiner geschiedenen Ehefrau sichergestellten Bargeldbeträge getroffen worden sind, bleibt indes die Möglichkeit offen, dass diese Geldscheine ganz oder zum Teil aus den abgeurteilten Taten stammen. In diesem Fall wäre der Verfall der betreffenden Geldscheine und ein um deren Wert verminderter Wertersatzverfall anzuordnen gewesen. Soweit die sichergestellten Bargeldbeträge unmittelbar aus den abgeurteilten Taten erlangt wurden, scheidet die Anordnung des erweiterten Verfalls aus.
8c) Da das Landgericht nicht festgestellt hat, wann der Angeklagte im September 2009 das Fahrzeug BMW X 6 erwarb, ist nach der Sachverhaltsschilderung im angefochtenen Urteil nicht auszuschließen, dass auch Erlöse aus der Tat II. 2 der Urteilsgründe für den Erwerb verwendet wurden. Bei dieser Konstellation hätte die Strafkammer, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, die betreffenden Erlösanteile bei ihrer Berechnung des Wertersatzverfalls doppelt erfasst. Soweit für den Fahrzeugerwerb Erlöse aus Kokaingeschäften Verwendung fanden, die nicht Gegenstand der Verurteilung sind, ist allein die Möglichkeit des erweiterten Verfalls eröffnet. Dies setzt aber nähere tatsächliche Feststellungen zu den insoweit bei der Begehung der Anknüpfungstaten noch im Vermögen des Angeklagten vorhandenen Vermögensgegenständen voraus, die das Landgericht nicht getroffen hat. Bei einem Fahrzeugerwerb vor der ersten Anknüpfungstat käme als Gegenstand einer Verfallsanordnung nur das Fahrzeug selbst als Surrogat der ursprünglich rechtswidrig erlangten Erlöse (vgl. ; vom - 3 StR 541/00, aaO) in Betracht.
9d) Hinsichtlich der für die Darlehensgewährung an einen Bekannten verwendeten Gelder ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass diese aus Kokaingeschäften stammten, die der Angeklagte vor den hier abgeurteilten Taten durchführte. Damit scheidet aber eine Verfallsanordnung nach §§ 73, 73a StGB aus. Die vom Generalbundesanwalt beantragte Abänderung in eine Anordnung des erweiterten Verfalls kann der Senat nicht vornehmen, da das Landgericht auch insoweit nicht festgestellt hat, welche bestimmten Gegenstände zum Zeitpunkt der Begehung der Anknüpfungstaten im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich daher der mögliche Gegenstand einer Verfallsanordnung nach § 73d StGB nicht bestimmen.
103. Die Anordnung des Verfalls und des erweiterten Verfalls bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die auf § 353 Abs. 2 StPO beruhende Aufhebung der den Verfallsentscheidungen zuzuordnenden Feststellungen nicht die sogenannten doppelrelevanten Tatsachen erfasst, die auch den Schuld- oder Strafausspruch tragen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., Einleitung Rn. 187 und § 353 Rn. 20). Insoweit sind nur ergänzende Feststellungen zulässig, die den bindend gewordenen nicht widersprechen dürfen.
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin
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Fundstelle(n):
FAAAE-12502