BSG Urteil v. - B 10 EG 17/11 R

Instanzenzug: SG Osnabrück Az: S 26 EG 4/10 Urteilvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 2 EG 26/10 Urteil

Tatbestand

1Streitig ist die Höhe des Elterngeldanspruchs der Klägerin.

2Die Klägerin ist Krankenschwester. Am gebar sie ihren Sohn M. Seit dem war sie schwangerschaftsbedingt arbeitsunfähig erkrankt. Sie bezog nach Auslauf der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom bis Krankengeld und anschließend bis zum Mutterschaftsgeld einschließlich des darauf bezogenen Arbeitgeberzuschusses. Im Zeitraum von Juni 2006 bis Mai 2007 wurden der Klägerin neben ihrem steuer- und sozialabgabenpflichtigen Arbeitsentgelt auch steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ausgezahlt.

3Auf den Antrag der Klägerin vom bewilligte das beklagte Land ihr mit Bescheid vom Elterngeld. Dabei legte er ein vom bis durchschnittlich erzieltes monatliches Netto-Erwerbseinkommen in Höhe von 1284,78 Euro zugrunde. Die von der Klägerin bezogenen steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ließ der Beklagte unberücksichtigt. Wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld inkl Arbeitgeberzuschuss stellte er für die ersten beiden Lebensmonate des Kindes ( - ) keinen Anspruch auf Elterngeld, für den dritten Lebensmonat ( - ) einen Anspruch in Höhe von 430,40 Euro und für den vierten bis zwölften Lebensmonat ( - ) jeweils einen Anspruch in Höhe von 860,80 Euro fest.

4Den auf Berücksichtigung der steuerfreien Zuschläge gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom als unbegründet zurück. Klage und Berufung blieben ebenfalls ohne Erfolg (Urteile des Sozialgerichts Osnabrück <SG> vom und des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen <LSG> vom ). Das LSG hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

5Die dem Grunde nach anspruchsberechtigte Klägerin habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung der bezogenen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bei der Bemessung ihres Elterngeldanspruchs. Denn diese steuerfreien Zuschläge stellten kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne des BEEG dar. Das BEEG nehme zur Einkommensermittlung auf das Einkommensteuerrecht Bezug. Die steuerrechtliche Privilegierung der betroffenen Zuschläge habe daher zur Folge, dass sich diese Zuschläge zum Nachteil der Berechtigten nicht bei der Berechnung des Elterngeldanspruchs auswirkten. Es fehle im Gesetz an einer ausdrücklichen Regelung, wonach die steuerfreien Zuschüsse, insbesondere für die Arbeit an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit, im Elterngeldrecht abweichend von den steuerrechtlichen Regelungen zu berücksichtigen seien. Die Außerachtlassung dieser Zuschläge entspreche auch dem gesetzgeberischen Willen, denn dieser habe die Regelung des § 2 Abs 1 S 2 BEEG dahin verstanden, dass die nach § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfreien Zuschläge nicht bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen seien. Diese Ausgestaltung halte sich im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bei einer nicht auf einem Versicherungsverhältnis beruhenden Leistungsgewährung. Insbesondere müsse der Gesetzgeber bei der Förderung nicht unter mehreren Lösungen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste wählen. Für eine willkürliche Entscheidung lägen keine Anhaltspunkte vor. Das Elterngeld diene dem Ziel, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu helfen, wenn sie sich vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmerten. Es sei schwer nachvollziehbar, dass sich die Nichteinbeziehung steuerfreier Lohnzuschläge entscheidend auf den Entschluss der Eltern zur Kinderbetreuung auswirke. Diese Regelung treffe alle Familien in gleicher Weise. Es bestehe keine Pflicht des Staates, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen. Schließlich stehe die Nichtberücksichtigung der Zuschläge in unmittelbarem Zusammenhang mit der von der Klägerin nicht beanstandeten steuerrechtlichen Privilegierung.

6Hiergegen hat die Klägerin die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von Bundesrecht, namentlich von § 2 Abs 1 BEEG. Die steuerfreien Zuschläge habe sie als Ausgleich für ihre arbeitsvertragliche Pflicht, ihre Arbeitsleistung auch an Samstagen, Sonntagen, Feiertagen und in den Nachtstunden zu erbringen, erhalten. Diese Verpflichtung bestehe seit dem Jahr 2002. Daher hätten die dafür gewährten Zuschläge seitdem ihr Einkommen geprägt und unmittelbar zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden. Ausweislich der Jahresentgeltaufstellung für 2006 habe das steuerfreie Bruttoeinkommen 10,7 % ihres Gesamtbruttoeinkommens betragen. Durch die Nichtanrechnung der Zuschläge auf das Bemessungsentgelt erhalte sie lediglich etwa 52 % des bisherigen Einkommens anstelle der vom Gesetz vorgesehenen 67 % des vor der Geburt des Kindes erlangten Nettolohns. Entgegen der Argumentation des LSG seien bei der Berechnung des Elterngeldanspruches zumindest diejenigen steuerfreien Einkommensbestandteile zu berücksichtigen, die laufend gezahlt würden und zur Bestreitung des Lebensunterhalts unmittelbar zur Verfügung stünden, sofern sie nicht nur geringfügig seien. Insoweit werde auf das Urteil des Hessischen - (Revisionssache B 10 EG 3/11 R) verwiesen.

7Für die Einbeziehung der steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit in die Berechnung des Elterngeldes spreche bereits der eindeutige Wortlaut von § 2 BEEG. Danach stelle das Einkommen den "Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert" und die "Summe der positiven Einkünfte" dar. Mit der entgegenstehenden Auslegung verletze das LSG die Grenzen des Wortlauts und damit der zulässigen Auslegung. Denn der in § 2 Abs 1 BEEG enthaltene Verweis auf § 2 Abs 1 Nr 1 bis 4 EStG diene lediglich der Abgrenzung der zu berücksichtigenden Einkommensarten. Ferner setze die Steuerfreiheit nach § 3b EStG begrifflich bereits den Bezug von Einkommen voraus. Wenn der Gesetzgeber eine entsprechende Nichtberücksichtigung der steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gewollt hätte, wäre eine ausdrückliche Regelung etwa durch Klarstellung im Rahmen des § 2 Abs 1 BEEG, erforderlich gewesen. Auch die Funktion des Elterngeldes als Lohnersatzleistung spreche dafür, die steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit miteinzubeziehen. Anderenfalls ergebe sich eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG, da ihr Elterngeldanspruch verglichen mit anderen anspruchsberechtigten Eltern, deren Einkommen vollständig in die Bemessungsgrundlage einfließe, prozentual absinke. Diese Benachteiligung sei gerade vor dem genannten Zweck des Elterngelds als Einkommensersatzleistung nicht gerechtfertigt, zumal die steuerfreien Zuschläge auch eine Anerkennung für die mit der Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit einhergehende besondere Belastung darstellten.

8Die Klägerin beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom und des Sozialgerichts Osnabrück vom aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, ihr Elterngeld unter Berücksichtigung der vom bis erzielten steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit zu gewähren.

9Der Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

10Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

11Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am haben die Beteiligten erklärt, sie seien sich darüber einig, dass bei der Klägerin alle Tatsachen vorgelegen hätten, die ein Anspruch der Klägerin auf Elterngeld für das erste Lebensjahr ihres am geborenen Sohnes gemäß § 1 BEEG voraussetze.

Gründe

12Die Revision der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

13Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der von der Klägerin mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4 SGG) geltend gemachte Anspruch auf höheres Elterngeld unter Mitberücksichtigung der von ihr im Zeitraum vom bis bezogenen steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit.

14Das LSG hat das klageabweisende Urteil des SG zu Recht bestätigt. Die Klägerin kann kein höheres Elterngeld beanspruchen. Der Beklagte hat die Höhe des Elterngeldes durch Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zutreffend festgesetzt. Bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs 1 S 2, Abs 7 BEEG haben Zuschläge für Arbeit an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit unberücksichtigt zu bleiben, soweit sie nach § 3b EStG steuerfrei sind.

15Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch richtet sich nach dem BEEG idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom (BGBl I 2748), das zum in Kraft getreten ist (vgl dort Art 3 Abs 1). Zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderungen beziehen sich nicht auf den hier relevanten Bezugszeitraum vom bis .

16Gemäß § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Zwar hat das LSG dazu keine konkreten Tatsachenfeststellungen getroffen, im Hinblick auf die erfolgte Leistungsbewilligung und die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der mündlichen Revisionsverhandlung geht der Senat jedoch davon aus, dass die Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt und daher anspruchsberechtigt ist. Die Klägerin hatte danach während des streitigen Zeitraums ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit ihrem am - mithin nach Inkrafttreten des BEEG zum - geborenen Sohn in einem Haushalt, betreute und erzog ihn, wobei sie keine Erwerbstätigkeit ausübte.

18Als Bemessungszeitraum hat der Beklagte hier rechtsfehlerfrei die Zeit vom bis zugrunde gelegt. Im Einklang mit § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG ist der Beginn des maßgeblichen Zwölf-Monatszeitraums im Falle der Klägerin um drei Monate zurück verschoben worden. Denn die Klägerin erkrankte schwangerschaftsbedingt im Kalendermonat Mai 2007 und bezog im Anschluss an die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vom bis Krankengeld sowie ab dem Mutterschaftsgeld einschließlich des darauf bezogenen Arbeitgeberzuschusses.

19Für das Bemessungseinkommen der Klägerin ist nach § 2 Abs 1 S 2 BEEG von deren (positiven) Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 EStG auszugehen. Darüber hinaus sind die in § 2 Abs 7 BEEG vorgesehenen Maßgaben zu beachten. Der Senat hat bereits entschieden, dass mit der in § 2 Abs 1 S 2 BEEG enthaltenen Formulierung "Einkünfte iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 4 EStG" nicht ausschließlich auf die dort genannten Einkunftsarten, sondern umfassend auf die nach steuerrechtlichen Bestimmungen ermittelten Einkünfte verwiesen wird (vgl - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 20). § 2 Abs 1 S 1 EStG erfasst ausdrücklich nur die der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte. Welche Einnahmen im Einzelnen dazu gehören, ergibt sich aus den nachfolgenden Vorschriften des EStG. Insoweit wird auch der Begriff der Einkünfte in § 2 Abs 1 S 2 BEEG durch weitere Regelungen des Einkommensteuerrechts geprägt.

20So bestimmt § 19 EStG die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit näher. Nach Abs 1 S 1 Nr 1 dieser Vorschrift sind insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst einbezogen. Dabei müssen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit iS des § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abstrakt durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst und im weitesten Sinne die Gegenleistung für das zur Verfügungstellen der Arbeitskraft des Arbeitnehmers sein (vgl zB - BFHE 229, 346, RdNr 9 mwN). Dementsprechend sind auch im Elterngeldrecht grundsätzlich alle Einnahmen aus einem Arbeitsverhältnis berücksichtigungsfähig (vgl dazu - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 26 <Streikgeld>, - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 25 <Krankengeld> und - B 10 EG 21/09 R - Juris RdNr 24 <Arbeitslosengeld>; Senatsurteil vom - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24, 26 RdNr 20 <Verletztengeld>).

21Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass an dieser Stelle nicht nur das Grundgehalt der Klägerin, sondern auch deren weitere Arbeitsentgeltbestandteile, wie Ortszuschlag, Einmalzahlungen, Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, in die weitere Prüfung einzubeziehen sind.

22Allerdings gehören nach der Systematik des EStG solche Einnahmen nicht zu den Einkünften iS des § 2 Abs 1 EStG, die ausdrücklich steuerfrei gestellt worden sind (vgl dazu - BFHE 104, 345, 348; - BFHE 124, 204, 207). Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, dass steuerfreie Beitragszahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung des Arbeitnehmers bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit unberücksichtigt bleiben (vgl - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 22 ff mwN).

23Sieht man von der Behandlung der steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit ab, so lässt die Ermittlung des Bemessungseinkommens der Klägerin keine Rechtsfehler des Beklagten erkennen. Insbesondere sind die von der Klägerin im Bemessungszeitraum bezogenen Einmalzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) nach Maßgabe des § 2 Abs 7 S 2 BEEG zu Recht unberücksichtigt geblieben. Ferner sind die nach § 2 Abs 7 S 1 BEEG vorgesehenen Abzüge (Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, pauschale Werbungskosten) erfolgt. Aus dem auf diese Weise errechneten Nettoerwerbseinkommen von 1284,78 Euro hat der Beklagte den monatlichen Elterngeldanspruch der Klägerin in Höhe von 67 % dieses Betrages (860,80 Euro) zutreffend errechnet.

25Durch Art 1 Nr 50 Jahressteuergesetz 2007 vom (BGBl I 2878) sind mit Wirkung ab lediglich die Worte "vom Hundert" durch "Prozent" ersetzt worden. Soweit er die vom Arbeitgeber gezahlten Zuschläge für Arbeit an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit von der Besteuerung ausnimmt, stellt § 3b EStG eine Ausnahmevorschrift zu § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 und § 19 EStG dar (vgl von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Stand 2/2012, § 3b RdNr A8, 23, 32; Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl 2010, § 9 RdNr 120). Dementsprechend können diese steuerfreien Zuschläge grundsätzlich auch nicht als Einkommen aus Erwerbstätigkeit iS des § 2 BEEG angesehen werden (so im Ergebnis auch Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, RdNr 150 - 153; Pauli in Hambüchen, BEEG/EStG/BKGG, Stand 11/2009, § 2 BEEG RdNr 7; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG, Stand 12/2011, § 2 BEEG RdNr 84; - juris, RdNr 25, mit Anm Dau in jurisPR-SozR 20/2011 Anm 6; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom - L 2 EG 26/10 - juris, RdNr 27; - juris, RdNr 26), zumal § 2 Abs 7 BEEG keine Maßgaben enthält, die eine Einbeziehung ausdrücklich vorsehen. Soweit eine Berücksichtigung der Zuschläge schon gemäß § 2 Abs 1 S 2 BEEG ausscheidet, ist jedenfalls in Abs 7 dieser Vorschrift keine (zusätzliche) Ausschlussregelung zu erwarten.

26Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich ein Ergebnis, das entgegen dem Wortlaut des § 2 Abs 1 S 2 BEEG von dem steuerrechtlichen Begriff der Einkünfte iS des § 2 Abs 1 S 1 EStG abweicht, auch nicht im Wege der Auslegung des BEEG erreichen.

27Insbesondere ist den Gesetzesmaterialien keine so eindeutige Zielsetzung einer finanziellen Mindestsicherung in Höhe von 67 % des bisherigen Nettoeinkommens zu entnehmen, wie es die Klägerin unter Berufung auf das Urteil des Hessischen - annimmt (vgl dazu das Senatsurteil vom heutigen Tag - B 10 EG 3/11 R -, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Vielmehr wird in der Begründung zum Gesetzentwurf allgemein gehalten ausgeführt, dass jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbreche oder reduziere, einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie erhalte (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2). Das Elterngeld wolle dazu beitragen, dass sich die gegenwärtige individuelle wirtschaftliche Situation und spätere Möglichkeiten der Daseinsvorsorge für diese Mütter und Väter nicht dadurch verschlechterten, dass sie ihr Kind in seinen ersten Lebensmonaten vorrangig selbst betreuten (vgl aaO S 15, linke Spalte). Die Orientierung der Leistung am individuellen Einkommen solle dazu beitragen, dass es Müttern und Vätern auf Dauer besser gelinge, ihre wirtschaftliche Existenz möglichst unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen zu sichern (aaO S 15, rechte Spalte).

28Zwar hat die Bundesregierung während des Gesetzgebungsverfahrens den Vorschlag des Bundesrates aufgegriffen, die Einkommensermittlung nicht - wie im Gesetzentwurf vorgesehen - nach der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung, sondern nach den Grundsätzen des EStG vorzunehmen (vgl BT-Drucks 16/2454 S 8, 11). Damit hat sich jedoch an dem grundsätzlichen Ziel einer bloßen Orientierung an dem bisherigen Einkommen und eines nur begrenzten Beitrages zur Sicherung der Lebensgrundlage nichts geändert. Weiterhin zielt das Elterngeld auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Erleichterung der Familiengründung. Familien sollen im ersten Lebensjahr des Neugeborenen bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage unterstützt werden, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 16/2785 S 2).

29Wenn das Elterngeld im folgenden Satz (aaO) als "Leistung von mindestens 67 Prozent des bisherigen Einkommens" bezeichnet wird, so kommt dieser Formulierung nach Auffassung des Senats im Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Ausschusses keine entscheidende Bedeutung zu. Diese einleitende Bemerkung wird nämlich im besonderen Teil des Ausschussberichtes eindeutig relativiert. Insbesondere wird dort ausdrücklich festgestellt, dass die Anknüpfung an die Summe der positiven Einkünfte ua bewirke, dass steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nach § 3b EStG bei der Einkommensermittlung für das Elterngeld nicht zu berücksichtigen seien (vgl BT-Drucks 16/2785 S 37, rechte Spalte). Auch in den parlamentarischen Beratungen ist zur Sprache gekommen, dass es sich beim Elterngeld nicht um eine vollständige Lohnersatzleistung handelt (vgl zB Abgeordnete Lenke, Plenarprotokoll 16/40 vom , S 3711 <A>; Abgeordneter Wunderlich, Plenarprotokoll 16/55vom , S 5362 <D>).

30Dieser Befund wird durch die weitere Gesetzesentwicklung bestätigt. Mit Art 14 Nr 2 vom (BGBl I 1885) sind in § 2 Abs 1 S 2 BEEG nach dem Wort "positiven" die Wörter "im Inland zu versteuernden" eingefügt worden. Zwar zielt diese Änderung darauf ab, bestimmte Einkünfte mit Auslandsbezug, die nicht im Inland zu versteuern sind, von einer Berücksichtigung bei der Bemessung des Elterngeldes auszunehmen (vgl BT-Drucks 17/3030 S 48). Damit wird aber zugleich auch deutlich, dass inländische Einnahmen, die nach dem EStG steuerfrei sind, nicht zu dem im Rahmen des BEEG berücksichtigungsfähigen Einkommen zählen.

31Zwar würde eine Berücksichtigung der steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit durchaus dem allgemeinen Ziel des BEEG entsprechen, die Lebensgrundlage junger Familien sichern zu helfen. Denn diese Zahlungen haben in der Zeit vor der Geburt des Kindes zur Bestreitung des Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden und fallen mit Einschränkung der Erwerbstätigkeit während des Elterngeldbezuges entsprechend fort (vgl dazu allgemein Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 2 BEEG RdNr 8). Die nähere Ausgestaltung des Elterngeldes lässt jedoch erkennen, dass von vornherein nur eine begrenzte Einkommensersatzleistung beabsichtigt worden ist.

32Der Gesetzgeber fördert die familienbedingte Auszeit in finanzieller Hinsicht durch das Elterngeld nur in bestimmten Grenzen. Neben einem Mindestbetrag in Höhe von 300 Euro (vgl § 2 Abs 5 BEEG) ist ein Höchstbetrag von 1800 Euro (vgl § 2 Abs 1 S 1 BEEG) festgelegt worden. Auch in der Anknüpfung an das Einkommensteuerrecht mit den im BEEG vorgesehenen Modifikationen liegt in erster Linie eine Beschränkung der Ersatzfunktion des Elterngeldes. Abgesehen von steuerfreien Arbeitsentgeltbestandteilen finden zB auch sog Einmalzahlungen keine Berücksichtigung (vgl § 2 Abs 7 S 2 BEEG). Darüber hinaus wirkt sich die Pauschalierung der Werbungskosten (vgl § 2 Abs 7 S 1 BEEG) für Berechtigte, die während der Elterngeldbezugszeit einer Teilzeitbeschäftigung mit hohen tatsächlichen Werbungskosten nachgehen, ungünstig aus.

33Der erkennende Senat ist nicht davon überzeugt (vgl Art 100 Abs 1 GG), dass es gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, wenn die steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit iS des § 3b EStG bei der Ermittlung des für das Elterngeld maßgeblichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt werden. Weder die Steuerbefreiung selbst noch deren Auswirkung im Elterngeldrecht ist von Verfassungs wegen zu bestanden.

34Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr bedürfen Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt immer dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (Bundesverfassungsgericht <BVerfG> Beschlüsse vom - 1 BvL 14/07 - RdNr 40 mwN; vom - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215 mwN; vom - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870 vom - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN).

35Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB , 1 BvR 2464/07 - aaO, 418 mwN).

36Dadurch, dass § 3b EStG nur konkrete Zuschläge des Arbeitgebers für tatsächlich geleistete Arbeit an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit steuerfrei stellt, werden andere Arbeitnehmer, deren gleich hohes Arbeitsentgelt keine derartigen Zuschläge enthält, in Abweichung von dem Grundsatz der Besteuerung nach finanzieller Leistungsfähigkeit ungleich behandelt (vgl - BFHE 225, 137, 138). Entsprechendes gilt zB für selbstständig Erwerbstätige. Daraus werden in der Literatur zum Teil verfassungsrechtliche Bedenken abgeleitet (vgl zB von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 2/2012, § 3b RdNr A 113 ff; Tipke in Raupach/Tipke/Uelner, Niedergang oder Neuordnung des deutschen Einkommensteuerrechts?, 1985, S 133, 149 f; Traxel, Die Freibeträge des EStG, 1986, S 121 f).

37Der erkennende Senat sieht insoweit keinen Verfassungsverstoß. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber im Bereich (steuerrechtlicher) Subventionen ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (vgl BVerfG Beschlüsse vom - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - aaO, 416 f; - BFHE 150, 32, 35 f; - BStBl II 2012, 144, 145 RdNr 12). Nach dem insofern anzuwendenden Willkürmaßstab ist die Regelung des § 3b EStG hinreichend sachlich gerechtfertigt.

38Die Steuerbefreiung nach § 3b EStG fördert die Bereitschaft von Arbeitnehmern, ihre Arbeitskraft auch an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit zur Verfügung zu stellen. Sie ist mithin geeignet, den damit verbundenen arbeitsmarktpolitischen, volkswirtschaftlichen oder sonstigen im Allgemeininteresse liegenden Belangen Rechnung zu tragen. Die Beschränkung der Vergünstigung auf abhängig Beschäftigte ist nicht unvertretbar, zumal sich deren Stellung deutlich von der selbstständig Erwerbstätiger unterscheidet (vgl - aaO, 36 f mwN). Auch soweit nur Zuschläge für tatsächlich an Sonntagen, Feiertagen oder zur Nachtzeit geleistete Arbeit nach § 3b EStG privilegiert sind, liegt keine sachwidrige Regelung vor. Dadurch wird sichergestellt, dass eine Steuerbefreiung nur für Zeiten eintritt, in denen die mit Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen des biologischen und kulturellen Lebensrhythmus auch wirklich vorgelegen haben (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 174/78 - HFR 1978, 383 Nr 449; - aaO, 145 RdNr 13 f).

39Im Rahmen des BEEG werden Berechtigte, wie der Kläger, gegenüber anderen Arbeitnehmern, die in der Zeit vor der Geburt des Kindes ausschließlich steuerpflichtiges Arbeitsentgelt erhalten haben, dadurch benachteiligt, dass die von ihnen bezogenen steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bei der Berechnung des Elterngeldes nicht berücksichtigt werden. Für diese Ungleichbehandlung lassen sich ausreichende Sachgründe finden. Dabei gilt auch in diesem Zusammenhang ein Willkürmaßstab. Denn bei der gewährenden Staatstätigkeit steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl - NJW 2011, 2869, 2870; - ZFSH/SGB 2012, 24, 26). Hinzu kommt, dass die Regelungen zur Höhe des Elterngeldanspruchs nicht an Persönlichkeitsmerkmalen anknüpfen, die dem Einzelnen nicht verfügbar sind (vgl - NJW 2012, 214, 215).

40Die Nichtberücksichtigung steuerfreier Arbeitsentgeltzuschläge bei der Berechnung des Elterngeldes beruht darauf, dass das BEEG bei der Einkommensermittlung an den steuerrechtlichen Einkünftebegriff anknüpft. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist insbesondere die in § 2 Abs 1 S 2 BEEG enthaltene Bezugnahme auf § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 EStG sachgerecht (vgl - SozR 4-7837 § 2 Nr 3 RdNr 37 ff; Urteil vom - B 10 EG 8/10 R - aaO, 29 RdNr 42). Der Zielsetzung des Elterngeldes entsprechend ermöglicht diese Regelung eine Einkommensersatzleistung, die sich an der Erwerbstätigkeit des Berechtigten vor der Geburt des Kindes orientiert. Eine Konsequenz der Ausrichtung am Einkommensteuerrecht ist es auch, dass steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nicht zum Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne des BEEG gehören. Da diese Zuschläge für die betreffenden Zeiten im begrenzten Umfang zusätzlich zum regulären Arbeitsentgelt als Kompensation für besondere Erschwernisse gezahlt werden, die während der Elterngeldbezugszeit entfallen, erscheint es nicht als willkürlich, wenn sie bei der Elterngeldberechnung ausgespart werden. Dies gilt umso mehr, als diese Ausgestaltung wiederum für solche Berechtigten vorteilhaft ist, die während des Elterngeldbezuges Arbeitsentgelt mit steuerfreien Zuschlägen erzielen. Die Zuschläge vermindern dann nicht nach Maßgabe des § 2 Abs 3 BEEG die Höhe des Elterngeldes.

41Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2012:050412UB10EG1711R0

Fundstelle(n):
HAAAE-11713