Finanzministerium Schleswig-Holstein - VI 328 – S 0316 – 032

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Verlagerung der elektronischen Buchführung und von elektronischen Aufzeichnungen ins Ausland gem. § 146 Abs. 2a AO

I. Grundsätzliches

Grundsätzlich sind Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen gem. § 146 Abs. 2 Satz 1 AO im Inland zu führen und aufzubewahren. Dies gilt gleichermaßen für Bücher und Aufzeichnungen in Papier- als auch in elektronischer Form.

Unter bestimmten Voraussetzungen lässt § 146 Abs. 2a AO abweichend davon die Verlagerung der elektronischen Bücher und der sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen ins Ausland zu. Papierunterlagen sind dagegen weiterhin im Inland aufzubewahren.

§ 146 Abs. 2a AO wurde mit dem Jahressteuergesetz 2009 vom (BGBl 2008 I S. 2794 ff.) mit Wirkung vom eingeführt und durch das Jahressteuergesetz 2010 vom (BGBl 2010 I S. 1768 ff.) mit Wirkung vom geändert.

Mit der Neufassung des § 146 Abs. 2a AO durch das Jahressteuergesetz 2010 ist das Verfahren für die Verlagerung der elektronischen Buchführung und von elektronischen Aufzeichnungen ins Ausland erheblich vereinfacht und für alle ausländischen Staaten vereinheitlicht worden.

II. Voraussetzungen

1. Anforderungen an eine elektronische Auslandsbuchführung

Die formellen Anforderungen an die elektronische Auslandsbuchführung entsprechen denen der inländischen. Es muss sichergestellt sein, dass die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung vom Inland aus lückenlos geprüft werden kann und die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) eingehalten werden. Dies setzt voraus, dass auch nach der Verlagerung die Voraussetzungen der §§ 140 – 147 AO und alle sonstigen Anforderungen erfüllt sind, die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS, BStBl 1995 I S. 738) an ein DV-gestütztes Buchführungssystem gestellt werden. Ferner ist sicherzustellen, dass die Voraussetzungen des Datenzugriffs gem. § 147 Abs. 6 AO gemäß den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU; BStBl 2001 I S. 415) in vollem Umfang erfüllt werden.

2. Form und Inhalt des Antrages

In dem nach § 146 Abs. 2a Satz 1 AO schriftlich zu stellenden Antrag sind die für die Verlagerung vorgesehenen elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen nach Art und Umfang näher zu bezeichnen und konkret anzugeben, welche Bearbeitungs-/Verarbeitungsvorgänge (Erfassung, Kontierung, Datenverarbeitung, Archivierung) zukünftig im Ausland vorgenommen werden bzw. in Abgrenzung dazu – weiterhin im Inland verbleiben. Dazu gehört auch die Beschreibung des geplanten Verfahrens. Sofern neben der reinen Aufbewahrung auch die Führung der elektronischen Bücher im Ausland vorgesehen ist, sind daher auch Angaben erforderlich, wie die hierfür erforderlichen Informationen im Zusammenhang mit Papierunterlagen ins Ausland gelangen (z. B. inländische Digitalisierung von Papierbelegen, Versand von Kopien etc.). Aus dem Antrag muss entnommen werden können, dass die Richtigkeit der Kontierung und Verbuchung der Belege sowie deren vollständige Erfassung durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird und vom Inland aus überprüfbar bleibt. Insgesamt muss der Antrag dem Finanzamt eine Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 146 Abs. 2a AO ermöglichen. Für jeden Steuerpflichtigen ist ein gesonderter Antrag erforderlich (dies gilt auch für Konzerne i. S. d. §§ 13 und 18 Satz 1 Nr. 1 BpO 2000). Nach § 146 Abs. 2a AO ist es zulässig, auch nur Teile der elektronischen Buchführung ins Ausland zu verlagern. Die Verlagerung weiterer Teile bedarf dann eines neuen Antrags und einer ergänzenden Bewilligung nach § 146 Abs. 2a AO.

III. Voraussetzungen im Einzelnen

Die nachfolgend beschriebenen Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen:

a. Zuständiges Finanzamt

Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag richtet sich nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften der §§ 16 ff. AO. Das Finanzamt kann nur für seinen sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbereich eine Bewilligung nach § 146 Abs. 2a AO erteilen; daher gelten insbesondere von der Zollverwaltung erteilte Bewilligungen nicht für die Steuerverwaltung und umgekehrt. Der Antragsteller ist auf die Reichweite der Bewilligung hinzuweisen.

Vor einer abschließenden Entscheidung im Zusammenhang mit § 146 Abs. 2a AO ist bei Konzernen i. S. d. §§ 13 und 18 Satz 1 Nr. 1 BpO 2000 das Finanzamt, das für die Besteuerung des herrschenden oder einheitlich leitenden Unternehmens zuständig ist, zu beteiligen.

Über die jeweilige Bewilligung entscheidet der Veranlagungsinnendienst (Zeichnungsvorbehalt der/des SGL/in nach 3.1.2 Richtl-Z) des jeweils örtlich zuständigen Finanzamtes u. a. in Abstimmung mit der zuständigen Betriebsprüfungsstelle. Sofern der antragstellende Steuerpflichtige der Prüfungszuständigkeit der Groß- und Konzernbetriebsprüfungsstelle unterliegt, ist die Entscheidung über den Antrag in jedem Fall mit ihr abzustimmen. Hinsichtlich des Verfahrensablaufes ist eine Übersicht als Anhang beigefügt.

b. Keine Beeinträchtigung der Besteuerung

Die Verlagerung darf wegen des Erfordernisses einer effizienten Steuerkontrolle nur bei solchen Steuerpflichtigen bewilligt werden, die in der Vergangenheit ihren steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen sind. Weiterhin ist zu prüfen, ob durch die Verlagerung die Besteuerung zukünftig beeinträchtigt wird.

Zu den steuerlichen Pflichten gehören:

  • die allgemeinen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren,

  • die einschlägigen Ordnungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten der AO sowie

  • die Auskunfts- und Vorlagepflichten einschließlich der Gewährung des Datenzugriffs im Rahmen der Außenprüfung.

Die Nichtbeeinträchtigung der Besteuerung umfasst die Erfüllung sämtlicher steuerlichen Pflichten, nicht nur die Erfüllung der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten. Bei der Prüfung, ob die Besteuerung beeinträchtigt ist, können z. B. folgende Umstände von Bedeutung sein:

  • Nicht ordnungsgemäßes Abgabeverhalten des Steuerpflichtigen.

  • Einleitung von Steuerstraf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren.

  • Notwendigkeit von Vollstreckungsverfahren wegen unzureichender Erfüllung von eigenen steuerlichen Zahlungspflichten.

  • Verstöße gegen § 138 AO in Form der Unterlassung der Meldung von ausländischen Gesellschaftsbeteiligungen.

  • Das Fehlen eines Doppelbesteuerungsabkommens mit großer Auskunftsklausel mit dem „Verlagerungsstaat”.

Die Besteuerung ist dann nicht beeinträchtigt, wenn eine lückenlose Prüfung der Gewinnermittlung vom Inland aus in gleicher Art und Weise möglich ist wie bei Steuerpflichtigen mit DV-gestützter Buchführung im Inland. Die angeforderten Unterlagen müssen unverzüglich zur Verfügung stehen, die angeforderten Auskünfte zeitnah erteilt werden und Datenzugriffsmöglichkeiten in vollem Umfang zur Verfügung stehen. So muss nach der insoweit ausdrücklichen Gesetzesbegründung im Inland jederzeit eine unangekündigte Prüfung im Wege der Umsatzsteuernachschau (§ 27b UStG) möglich sein (BT-Drucks. 16/10189).

Der Steuerpflichtige kann die Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten im Inland nicht dadurch einschränken, dass er sich auf ausländische Bestimmungen beruft, die diesen entgegenstehen könnten (z. B. datenschutzrechtliche Bestimmungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen).

c. Bewilligung

Über den Antrag des Steuerpflichtigen bzw. die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bewilligung ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu entscheiden. Die Einrichtung eines sog. Spiegelservers im Inland kann vom Steuerpflichtigen nicht verlangt werden, da dies dem Gesetzeszweck entgegenstünde.

Die Entscheidung über den Antrag nach § 146 Abs. 2a AO stellt einen selbständigen steuerlichen (sonstigen) Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO dar.

Die Bewilligung kann unter Aufnahme von Nebenbestimmungen erteilt werden (§ 120 Abs. 2 AO).

Eine Genehmigung für zurückliegende Jahre lässt § 146 Abs. 2a AO nicht zu. Auch scheidet grundsätzlich eine rückwirkende Bewilligung nach § 148 AO aus.

d. Widerruf der Bewilligung

Liegen der Finanzbehörde Umstände vor, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, ist die Bewilligung nach § 146 Abs. 2a Satz 3 AO zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und der sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen in den Geltungsbereich der AO zu verlangen.

Die Nichtbeeinträchtigung der Besteuerung i. S. d. § 146 Abs. 2a Satz 3 AO umfasst nach der Gesetzesbegründung (BT Drucks. 17/2249 S. 87) die Erfüllung sämtlicher steuerlicher Pflichten und nicht nur die Erfüllung der Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten. Daher ist insbesondere bei Verstößen gegen die Mitteilungspflicht nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO oder gegen die in § 146 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 und 3 AO aufgeführten Pflichten zu prüfen, ob ein Widerruf auszusprechen ist.

Für die Prüfung eines Widerrufs sind die im Rahmen einer beim Steuerpflichtigen durchgeführten Betriebsprüfung festgestellten Mängel dem Festsetzungsfinanzamt mitzuteilen.

Bei der Entscheidung, ob ein Widerruf auszusprechen ist, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Im Falle eines Widerrufs der Bewilligung ist der Vollzug der Rückverlagerung nachzuweisen. Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung innerhalb einer ihm bestimmten Frist nach Bekanntgabe nicht nach, ist die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO in Betracht zu ziehen.

IV. Regelung für Fälle der Verlagerung vor Inkrafttreten des § 146 Abs. 2a AO

Erlangt die Finanzbehörde Kenntnis davon, dass der Steuerpflichtige die elektronische Buchführung oder Teile davon vor Inkrafttreten des § 146 Abs. 2a AO () ins Ausland verlagert hat, ist zu prüfen, ob die Rückverlagerung verlangt werden muss. Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, ob das bisher praktizierte Verfahren den Voraussetzungen des § 146 Abs. 2a AO i. d. F. des JStG 2010 genügt. Ist dies der Fall, ist die Aufforderung zur Rückverlagerung allein wegen des fehlenden Antrags unverhältnismäßig.

Dabei ist auch im Auge zu behalten, dass der Zweck der Regelung des § 146 Abs. 2a AO ist, den Anforderungen der Wirtschaft hinsichtlich der Notwendigkeit der Zentralisierung von Buchführungsarbeiten Rechnung zu tragen und die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsvorschriften hinsichtlich der elektronischen Buchführung auf ein angemessenes Maß zu reduzieren. Der Steuerpflichtige ist dann aber spätestens im Rahmen einer Betriebsprüfung aufzufordern, einen den o. a. Anforderungen entsprechenden Antrag nach § 146 Abs. 2a AO zu stellen, so dass eine Bewilligung der Verlagerung für die Zukunft ausgesprochen werden kann.

V. Information des Finanzministeriums

Eine Durchschrift des Antrags auf Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland ist bis auf weiteres zusammen mit der getroffenen Entscheidung an das Fachreferat (VI 328) zu senden.

Anlage

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Finanzministerium Schleswig-Holstein v. - VI 328 – S 0316 – 032

Fundstelle(n):
DB 2012 S. 10 Nr. 34
DB 2012 S. 1839 Nr. 33
FAAAE-11235