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Grundlagen - Stand: 22.08.2022

Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten

Catrin Geißler

I. Definition des Gestaltungsmissbrauchs

Möglichst steuergünstige Sachverhalte zu gestalten, ist ein völlig legitimes Anliegen der Steuerpflichtigen und ihrer Steuerberater. Dabei dürfen sogar unkonventionelle und kreative Wege der Steuerminimierung beschritten werden. Dies gilt für alle Steuerarten. Eine Grenze findet das Steuerersparnisstreben jedoch dort, wo ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten , d.h. die Steuerumgehung, beginnt.

Der Zweck des § 42 AO lässt sich wie folgt konkretisieren: Wird bei der bestimmten Gestaltung eines Sachverhaltes eine steuergesetzliche Vorschrift zwar dem Buchstaben nach erfüllt oder nicht erfüllt, läuft diese Erfüllung oder Nichterfüllung aber dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift zuwider, liegt eine Gesetzesumgehung vor, die verhindert werden soll.

Voraussetzungen der Steuerumgehung:

  • Gestaltung unter Zuhilfenahme des bürgerlichen Rechts oder anderer rechtlicher Möglichkeiten

  • Eigenschaften dieser Gestaltung:

    • unangemessen im Verhältnis zu dem angestrebten Ziel

    • Gestaltung dient der Erzielung eines Steuervorteils, der gesetzlich nicht vorgesehen ist

      1. Gestaltung dient der Umgehung belastender Steuerrechtsnormen oder

      2. Gestaltung dient der Verwirklichung des Tatbestandes einer begünstigenden Gesetzesvorschrift

    • keine Rechtfertigung durch außersteuerliche (nichtsteuerliche) Gründe

Die zuvor genannten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein.

Die Folgen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts treffen denjenigen, der sich einer Gestaltungslage bedient, durch die das Steuergesetz umgangen wird. Ein Steuerpflichtiger bedient sich einer den wirtschaftlichen Vorgängen unangemessenen Gestaltung nicht nur, wenn er sie selbst geschaffen hat, sondern auch, wenn er sie fortführt. Der BFH führt hierzu weiter aus, dass die Anwendung der Vorschrift nicht durch subjektive Umstände wie Gutgläubigkeit, Rechtsunkenntnis, Unerfahrenheit oder Ungeschicklichkeit vermieden werden kann. Der Missbrauch kann auch darin bestehen, dass der Steuerpflichtige einen anderen zu einer derartigen unangemessenen Gestaltung veranlasst und hieraus einen ungerechtfertigten Steuervorteil zieht.

II. Prüfungsreihenfolge und Beweislastverteilung

Zunächst ist zu prüfen, ob in einem Einzelsteuergesetz Regelungen betroffen sind, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dienen. Ist der Tatbestand der Regelung erfüllt, bestimmen sich die Rechtsfolgen allein nach dieser Vorschrift, nicht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 i. V. mit § 42 Abs. 2 AO. In diesem Fall ist unerheblich, ob auch die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 AO vorliegen.

Ist der Tatbestand der Regelung dagegen nicht erfüllt, ist der Missbrauchstatbestand des § 42 Abs. 2 AO zu prüfen. Es handelt sich bei § 42 AO um eine Generalklausel, nicht um eine allgemeine Auffangnorm, so dass § 42 AO bei jeder Gestaltung, die den Tatbestand einer einzelsteuergesetzlichen Regelung nicht erfüllt, unter Berücksichtigung der Wertungen der umgangenen Regelung separat geprüft werden muss.  Die Finanzbehörde hat nachzuweisen, dass die rechtliche Gestaltung unangemessen ist und der Steuervorteil gesetzlich nicht vorgesehen ist.

Dem Steuerpflichtigen obliegt es nachzuweisen, dass für die unangemessene Gestaltung beachtliche außersteuerliche Gründe maßgeblich waren.

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